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Meeres-Rauschen

Sturmfreie Bude

Strandkörbe gehören an die Küsten Schleswig-Holsteins wie der Sand und das Meer. In Dahme in Ostholstein habe ich einen besucht, der die mobilen Windkabinen nach Maß baut – und ganz nebenbei noch den Promenadenverkehr regelt und sogar Menschenleben rettet: Lars Plön

Da hinten! Da kommt schon wieder einer dieser Bagaluten, die auf der Promenade mit ihrem Rad fahren. Lars Plön ahndet solche Vergehen auf die ihm eigene Weise. Er raschelt mit der Bonbontüte und ruft, „Kinder, guckt mal, was ich hier habe.“ Begeistert stürmen drei Lütte im Grundschulalter los. Raus aus dem Sand, rauf auf die Promenade, rüber zur Strandkorbvermieterbude. Der Radfahrer bremst, gerät ins Trudeln, steigt ab, und schiebt seinen Drahtesel weiter, als wäre er unverdächtig. Lars lächelt verschmitzt: „Das ist meine Art von Verkehrsberuhigung. Aufregen bringt doch nix“, sagt er norddeutsch gelassen und blinzelt der Sonne entgegen. 

Seinen lachfaltigen Augen, die der 55-Jährige immer wieder von seiner Bude aus über den Nordstrand von Dahme (www.dahme.com) schweifen lässt, entgeht nichts. Kein Verkehrssünder, keine Kinder, die sich leichtsinnigerweise gegenseitig zu tief in den Sand eingebuddelt haben. Selbst das nicht, was sich auf dem Wasser abspielt. So wie vor ein paar Jahren, als ein Mann bei ablandigem Wind mit dem Boot rausgepaddelt und 300 Meter von der Küste entfernt in Seenot geraten war. „Das Ruder war gebrochen, und er trieb immer weiter raus“, erinnert sich Lars. Der schnappte sich sein Surfbrett, glitt über die Wellen und rettete den Schiffbrüchigen an Land. Dessen Familie ist ihm dafür bis heute dankbar und gehört zu seinen treuesten Kunden. 

Lars Plön in seiner Vermiterbude am Nordstrand von Dahme

„Aufregen bringt doch nichts“

Lars Plön

Ein Strandkorb: mehr als pures Sommerglück

Lars ist Lebensretter, Kinderheld und Strandkorbbauer. Letzteres wurde der gelernte Tischler nur aus der Not heraus: „1989 hatte ein kräftiger Sturm mitten im August das Wasser bis zur Promenade hochgetrieben und die Strandkörbe meines Vaters Karl-Heinz zerstört. 80.000 D-Mark Schaden waren da entstanden. Wir hatten also die Wahl: kaufen oder selbermachen. Weil mir die Fabrikware nicht robust genug war, habe ich angefangen, die Körbe selbst zu bauen.“ Seither wird im Sommer vermietet und im Winter restauriert. Oder neu gebaut – mit Schlitzen, Nuten und Zapfen, so wie es sich für solides Handwerk gehört.

Dass Lars nicht nur ein guter Handwerker ist, sondern auch ein einfallsreicher Erfinder, hat sich herumgesprochen. So mancher, dem die mobilen Sonnenschutzhäuschen nicht komfortabel genug erscheinen, lässt sich Luxusausführungen für den heimischen Garten anfertigen. Einen „Ganzlieger“ etwa, bei dem sich die Haube auf 180 Grad absenken lässt, sodass eine ebene Liegewiese entsteht. Wer will, lässt sich von dem Tüftler dazu noch Extras wie schwenkbare Tische und einen Kühlschrank einbauen. Lars stellt sogar Eisbuden her, die wie ein begehbarer Strandkorb aussehen. Oder XXL- und Miniatur- Modelle, in denen es sich die Lütten mit ihrer ersten Sandkastenliebe gemütlich machen können – so wie es Generationen vor ihnen auch schon getan haben. 

Lars‘ Augen entgeht nichts

Ein auf Ostseesteinen gemalter Mini-Lars, der aufpasst, wenn der Chef mal nicht da ist

In Lars’ Vermieterbude stapeln sich Surfbretter für einen Wellenritt, Schlummer- und Relaxkissen für die „sturmfreien Buden“, sowie Fleecedecken, in die man sich bei auffrischendem Wind hineinmummeln kann. „Für meine Gäste nur das Beste“, lautet Lars‘ Devise.
Aus jedem Winkel seiner Bude kann der Strandkorbbauer von Dahme über den Strand blicken. Was er sieht? Sommerglück pur! Männer wie Frauen strecken im Körbchen entspannt alle viere von sich. Lachende Kinder buddeln im Sand oder bemalen Steine, die sie an der Ostsee finden, mit Tieren oder Gesichtern. 

Ein Steinmännchen, das ihm bis aufs Haar gleicht, hat Lars von einem Stammgastkind geschenkt bekommen. Es liegt auf einem Tisch am Eingang seiner Vermieterbude. „So kann sich keiner mehr beschweren, ich wäre nie da, denn einer von uns beiden ist garantiert hier“, schmunzelt Lars.
Wo Lars ist, wenn er mal nicht da ist? Müll aus dem Sand fischen oder den Promenadenverkehr beruhigen, natürlich. Oder auch wieder mal schnell ein Menschenleben retten. 

Übrigens: Auch meinen Strandkorb habe ich von Lars Plön

Kontakt: Wenn die Sonne scheint, ist Lars in seiner Strandkorbvermieterbude am Nordstrand von Dahme http://www.dahme.com, An der Promenade 40 (direkt neben dem Schnitzelparadies Kumluk) zu finden. E-Mail: larsploen@gmx.de

Ein deutsches Original

Das erste Strandkorb-Modell ließ sich angeblich 1882 eine feine, aber von Rheuma geplagte Dame vom Rostocker Hof-Korbmacher Wilhelm Bartelmann anfertigen. Sie wollte das heilende Reizklima der Ostsee genießen, sich aber vor allzu viel Sonne und Wind schützen. Rasch fanden die übrigen Seebäder Gefallen an den praktischen Strandmöbeln. Damit ist es aber, wie in manchen Neubausiedlungen, optisch nicht drüber und drunter geht, sind Standardmaße und -aussehen festgelegt: An der Nordsee sind die Windkabinen 1,60 Meter hoch und haben eine gerade Haube, an der Ostsee sind sie 1,68 m hoch und ducken sich unter einer gewölbten Haube … es sei denn, es ist ein Sondermodell von Lars Plön.

4 Antworten auf „Sturmfreie Bude“

Sehr unterhaltsam und interessant.. Ich werde dran bleiben und deinen Blog verfolgen. Wir leben zwar schon knapp 20 Jahre hier, sind aber nichts desto trotz zugereiste. So erfahren wir sicher noch das eine oder andere wissenswertes über Dahme und seine Urgesteine. Ich gehe davon aus das der Kommentar ein Feedback auf deinen Blog geben soll. Oder erwartest du originelle Geschichten von ansässigen Gewerbetreibenden? Weiter so und viel Erfolg. LG Martina

Liebe Martina,
Danke für dein Feedback! Menschen, die wirklich lieben was sie tun, finde ich immer spannend – das dürfen auch Gewerbetreibende sein 😉 Demnächst ist auch die Newsletter-Funktion aktiv. Dann kannst du alle 14 Tage die Strandkorb-Geflüster-Post bekommen. Vile Spaß und einen schönen Sonntag!

Liebe Claudia das ist soo schön geschrieben man versinkt einfach. Man hat gleich die schöne Promenade vor Augen.

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