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Mit Hunden auf Trüffelsuche

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Noch bevor ich zum ersten Mal da war, wusste ich: Rom ist meine Stadt! Ihre atemberaubende Geschichte und zurückhaltende, noble Pracht, die kleinen Cafés und Restaurants abseits der touristischen Hotspots, die Sprache, das Essen … hach! Nachdem der geplante Kurztrip mit meiner Tochter in der Woche nach Ostern corona-bedingt ausfiel, haben wir ihn jetzt, im September, nachgeholt. Nicht Kultur und Kunst standen auf dem Programm, wir wollten uns einfach nur treiben lassen. Und Roms unbekannte Seiten entdecken. So stießen wir bei unseren Recherchen auf Federico Spadoni. Mit ihm wollen wir uns auf die Spur von Trüffeln begeben.

Pinien & Vierbeiner statt Pantheon & Vatikan

Wer mich kennt, weiß, dass ich die Natur liebe. Und Hunde! Und beides weitaus mehr als Trüffel. Ohne dass ich es ahnte, geht es Federico Spadoni, unserem Gastgeber für den heutigen Tag, wohl genauso … Der 32-Jährige lebt nahe Rom und hat fünf Hunde, alle sind für die Trüffelsuche ausgebildet. Er verspricht: Für sechs Stunden wird er uns mitnehmen auf eine Entdeckungstour durch die Wälder von Rom, seine Vierbeiner werden Trüffel aufspüren, die wir später bei ihm zu Hause zubereiten. Klingt doch fantastisch!
Wir fahren mit der Bahn eine Dreiviertelstunde bis nach Cesano. Federico wartet schon auf uns und mit ihm seine wichtigsten Mitarbeiter: Rex, ein Grifo Nero Valnerino, Argo, ein Lagotto Romagnolo und dessen Tochter Arya, ein zauberhafter Mix mit einer Cocker-Spaniel-Hündin. Und dann geht es rein in den Wald.

Wo Trüffel gedeihen, wächst kein Gras mehr

Sobald die drei Vierbeiner von der Leine gelassen werden, preschen sie los. Die Nase immer am Boden. „Immer den Hunden nach, sie geben die Richtung vor“, sagt Federico. Während die auf der Suche sind, weiht uns ihr Master in die Geheimnisse der Trüffel ein. „Die Knollen gedeihen zumeist unter der Erde in der Nähe von Baumwurzeln, überwiegend von Laubbäumen. Sind die Trüffel eine Symbiose mit ihren Wirtspflanzen eingegangen sind, entsteht eine vegetationsgeschädigte Zone, die auch ‚verbrannte Erde‘ genannt wird.“ Wir befinden uns gerade auf einem solchen Flecken, und es dauert nicht lange, bis Argo zu Federico läuft und ihm einen Trüffel in die Hand spuckt. Kurz danach taucht auch Rex auf, der sichtlich auf seiner Beute herumkaut und nur noch einen halben Trüffel in Federicos ausgestreckte Hand kullern lässt. Woraufhin Federico ihn kopfschüttelnd, aber milde lächelnd tadelt.

Eine Arbeit, die beide erfüllt: Herr und Trüffel-Hund

„Neun Sorten gedeihen rund um Rom“, zählt Federico auf: u.a. der schwarze Sommertrüffel, dem wir heute auf der Spur sind, der Weiße Albatrüffel, der hocharomatische Wintertrüffel sowie der kleine weiße Märztrüffel (in Italien Bianchetto oder Marzuolo genannt), für den Federico selbst eine Schwäche entwickelt hat. „Sie wachsen vorzugsweise unter Pinien“, weiß er. Und auch, dass er die großen Weißen in eher feuchten Gegenden findet und die schwarzen Wintertrüffel eher in den Bergen.
Sein Handwerk hat Federico von einem alten Bauern gelernt. Federicos ganze Leidenschaft gilt aber weniger der Trüffelsuche, sondern seinen Hunden, die er selbst trainiert. „Ein guter Trüffelsucher macht einen guten Hund und ein guter Hund macht einen guten Trüffelsucher“, sagt Federico und betont die ausgezeichnete Beziehung zu den Hunden für eine erfolgreiche Trüffelsuche. „Mit ihnen zu arbeiten und sie glücklich zu sehen, ist das Beste, was mir passieren kann“, sagt er und seine leuchtenden Augen lassen keinen Zweifel daran, dass er das Draußensein und die stille Übereinkunft mit seinen vierbeinigen Freunden wie die Luft zum Atmen braucht.

Trüffelsuche ist Teamarbeit – Federico und seine Hunde beherrschen das perfekt
Foto: Claudia Reshöft/Strandkorb-Geflüster

Trüffel schmecken auch Hunden

Langsam füllt sich der Beutel, in dem Federico die Trüffel verschwinden lässt. Doch die Hitze setzt den Hunden zu. Federico holt einen faltbaren Napf aus seinem Rucksack und befüllt ihn mit Wasser. Und schon stürzen sich die drei Hundeschnauzen auf das kühle Nass.

Hier könnt ihr Federicos Hunden beim Trinken zuschauen 😉

Dann geht’s weiter in ein mit Pinien bewachsenes Areal. Auch hier zeigt sich an einigen Stellen die „verbrannte Erde“. Die Hunde laufen los, Rex verleibt sich das eine oder andere kostbare Exemplar ein. Doch Argo macht seinem Ruf als Champion des regionalen „Truffle Race“ alle Ehre. In schöner Regelmäßigkeit – und Zuverlässigkeit – apportiert er die ausgegrabenen Knollen. Ist das Erdreich zu trocken, was im Hitzesommer 2020 auch in den Wäldern Roms fast überall der Fall ist, hilft Federico mit seiner Trüffelschaufel ein wenig nach, um den Hunden das Ausgraben zu erleichtern. Der kleinen Arya, gerade mal ein Jahr alt, ist die Trüffelsuche aber offensichtlich zu anstrengend. Alle naslang streckt sie alle Viere von sich, um am Ende unserer Suche doch noch stolz einen Fund abzuliefern.

Viel Natur, wenig Trüffel-Ausbeute

Gut drei Stunden streifen wir mit Federico und seinen Hunden durch Pinien- und Eichenwälder. Obwohl die Hunde unablässig unterwegs sind, beträgt unsere Ausbeute gerade mal rund 60 Gramm. „Trüffel brauchen den Regen von vor drei Monaten“, sagt Federico. „Doch der Juni war extrem trocken und damit werden auch die Trüffel knapp. So wird angesichts der Ausbeute klar, warum die Knollen als teuerste Speisepilze der Welt gehandelt werden: ein Kilogramm weiße Trüffel kostet bis zu 9.000 Euro! 


Wir sollen noch in den Genuss der schwarzen Sommertrüffel kommen. In Federicos Zuhause bei Cesano begegnen wir noch den beiden anderen seiner fünf Hunde: Aryas Mutter Sally, eine sanftmütige und komplett verschmuste Cocker-Spaniel-Hündin sowie Aryas Schwester Brienne. Nach der Begrüßungszeremonie legen sich die eifrigen vierbeinigen Mitarbeiter im Garten ab.

Getrüffeltes Spiegelei ist die Krönung

Drinnen haben Federicos Vater Santino und seine Freundin Giulia ein dreigängiges Menü für uns vorbereitet. Doch erst einmal müssen die Trüffel sehr, sehr gründlich mit einer Bürste gereinigt werden, dann heißt es genießen – alles mit einer dicken Schicht fein geriebenen Trüffel: Bruschetta, echten (!) italienischen Mozzarella, hausgemachte Ravioli und last but not least als Krönung – ein üppig getrüffeltes Spiegelei.
So viel Naturerleben, so herzliche Gastfreundschaft, so nette Menschen, so wunderbare, sanftmütige Hunde – ich war gewiss nicht das letzte Mal in den Wäldern von Rom unterwegs.

Foto: Clara Reshöft
Federico und Cocker Sally
sind ein Herz und eine Seele
Foto: Claudia Reshöft

Ihr habt Lust, Federico und seine Hunde bei einer Trüffelsuche zu begleiten? Hier könnt ihr euch anmelden: http://www.discoveringtruffles.com

Vom Trüffelschwein zum Hund
Seit dem 15. Jahrhundert war das Ausgraben der Trüffel
die Aufgabe von Schweinen. Genauer gesagt, von Säuen. Angezogen von dem Geruch, der den von den männlichen Schweinen abgesonderten Sexualhormonen ähnelt, spürten sie Trüffel bis zu einer Tiefe von gut zwei Metern auf.
Die Bauern, die sie an der Leine führten, konnten aber kaum verhindern, dass sie Säue sich die Leckerbissen einverleiben wollten. Dazu wurde ihnen ein Eisenring um den Rüssel gelegt. Da die Schweine beim Graben die Baumwurzeln stark beschädigten, ist diese Praxis heute in Italien verboten. Lieber vertrauen die Trüffelsucher hier auf ihre spürsicheren und apportierfreudigen Hunde.

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Bayern: Kunst und Kulinarik im Blauen Land

Es sei dieses Blau gewesen, das im Sonnenuntergang das ausgedehnte Moor am Fuß der Alpen romantisch verschleiere und Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Franz Marc und August Macke zur Namensgebung ihrer Künstlervereinigung Der Blaue Reiter inspirierte – so sagen die Leute in Murnau am Staffelsee. Während die Wegbereiter der modernen Kunst es hier, nahe München und noch näher an Garmisch-Partenkirchen, es nur eine kurze Weile miteinander aushielten, haben die heute im Blauen Land ansässigen Kunstschaffenden und Gastwirte eine dauerhafte Allianz geschmiedet: die KunstWirte, die alljährlich KunstKulinarische Reisen veranstalten.

Bayrische Schmankerln und visuelle Vielfalt

Zum Auftakt wird ein spritziger Aperitif samt Borretschblüte im KuHaus http://www.kuhaus.de gereicht, an den Wänden die nahezu monochrom anmutende Malerei von Marc Völker und Fotografien von Kirsten Luna Sonnemann. Das Werkzeug des Künstlerpaares ist für diese Stunden weitgehend aus dem Blickfeld verbannt, denn heute steht weniger das Schaffen selbst als vielmehr die Kunst im Mittelpunkt. Und die Kulinarik. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Kulturinteressierten werden wir in den nächsten fünf Stunden mit fünf sehr unterschiedlichen KünstlerInnen ins Gespräch kommen und dabei, einem Running Dinner gleich, in fünf gastronomischen Betrieben bayrische Schmankerl genießen.

Kunst und Kulinarik im Dialog

Möglich machen das die KunstWirte mit ihren KunstKulinarischen Reisen. Die KunstWirte sind ein Zusammenschluss der Gastwirte und Kunstschaffenden, die rund um den Staffelsee zu Hause sind. Wer mein Engagement für LANDKUNSTSTÜCK e.V. schon kennt https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/06/26/von-knicks-kueken-und-kreislaeufen-in-der-landwirtschaft/, wird wissen, dass mich Dialogkonzepte jeglicher Art interessieren. Um mehr über das KunstWirte-Projekt zu erfahren, bin ich für zwei Tage corona-sicher von Schleswig-Holstein nach Bayern gereist und habe mich im wunderschönen 5 Sterne-Hotel Alpenhof Murnau (http://www.alpenhof-murnau.de) einquartiert. Nach dem von Küchenchef Claus Gromotka und seinem Team zubereiteten Essen mit Blick auf die Alpen, falle ich in Tiefschlaf.

Die Staffelseewirte – ziemlich clever
Miteinander geht’s besser als gegeneinander – könnte das Motto der Staffelseewirte lauten. Unterschiedliche Betriebe, wie Hotels und Pensionen, Restaurants, Brauereien Traditionsgasthöfe, eine Schokoladenmanufaktur, ein Weinlokal und Kult-Biergarten haben sich zusammengeschlossen, statt miteinander in Konkurrenz zu treten. Die heimatverbundenen Gastronomen verstehen sich als „Botschafter der Lebensfreude im Blauen Land“, unterhalten eine Weidegemeinschaft und helfen sich gegenseitig aus, wenn „Not am Mann“ ist. Dieses Vorbild könnte doch auch für andere touristische Regionen taugen, oder? http://www.staffelseewirte.de

Am nächsten Morgen empfängt mich ein (wortwörtlich) strahlender Christian Bär, seines Zeichens Chef des Hotels. Der scheinbar ewig gutgelaunte Mann ist im Besitz des ersten Hauses in Murnau und Mitglied der Staffelseewirte (http://www.staffelseewirte.de), einer Vereinigung von heimatverbundenen Gastronomen. Und die haben ihre Chance erkannt, als vor ein paar Jahren das Künstlerpaar Marc Völker und Kirsten Luna Sonnemann eine Idee vorstellte, die sich mittlerweile als Kult-Event etabliert hat: Danach würden die um Murnau ansässigen KünstlerInnen ihre Werke in den Gaststuben des Blauen Landes präsentieren. Einmal im Monat könne man die Ausstellenden einladen, um Gästen die persönliche Begegnung und den Austausch mit den Künstlerinnen zu ermöglichen. Und ja, warum eigentlich könne man den Kunstgenuss nicht gleich mit dem Genuss regionaler Spezialitäten verbinden? Das war die Geburtsstunde der KunstKulinarischen Reisen, kurz KuKulis genannt. Sie werden seit 2017 veranstaltet und laufen über zwei Routen. Das Motto in diesem Jahr lautet BLAU.

Gelungene Formel: 5 mal Kunst,
5 mal Genuss

Meine KuKuli beginnt in besagtem KuHaus, dem Atelier von Kirsten und Marc. Die (corona-bedingt) kleine Gruppe ist bester Stimmung. Dass Marc, der als künstlerischer Leiter die Ausstellungen seit 2017 mit Bedacht kuratiert, eine kurzfristige Routenänderung ankündigt, bekümmert niemanden. Und so geht es zunächst nur ein paar Schritte weiter ins Angerbräu http://angerbraeu.de, dessen Treppenaufgänge und Wirtsräume mit den durch kraftvolle, überwiegend abstrakte Pinselstriche geprägten Arbeiten von Andy Fritsch http://www.andy-fritsch-art.de geprägt sind. Den kulinarischen Auftakt macht hier eine zünftige Brotzeit auf landestypisch weiß-blauer Serviette. Im Gasthof Zum Beinhofer http://beinhofer-murnau.de scheint das mit Kapuzinerkresse garnierte Knödel-Carpaccio die verwunschene, mitunter mystische Zartheit der Radierungen von Greta Rief http://www.tusculum-murnau.de aufzunehmen.

Der Begegnung mit Stefanie Speermann http://www.speermann-arts.de (der ich am Morgen schon ausführlicher begegnen durfte) und ihren berührenden Porträts folgt in der Tradtionsbrauerei Griesbräu http://griesbraeu.de ein von Gastgeber Michael Gilg selbst erlegtes und in der Küche zart zubereitetes Rehfilet an Bandnudeln.

Per Bus-Shuttle geht’s weiter ins Restaurant Auszeit http://www.restaurant-auszeit.de, in dem die beeindruckende Künstlerin Annemarie Bahr http://www.tusculum-murnau.de/bahr.html mich mit ihren gegenständlichen, zumeist hintersinnigen Porträts und Räumen und den Geschichten dahinter beinahe zu Tränen rührt, die gerade noch durch den servierten Saibling aufgefangen werden. Nach dem Dessert zu den Werken von Marc Völker http://marcvoelker.com selbst, sollte dieser an Kunst und Kulinarik reiche Abend im Alpenhof eigentlich rasch zu Ende sein. Aber die Eindrücke klingen nach. Und das Reden über die Kunst und das Blaue Land wollen nun mal einfach kein Ende nehmen.

Wie das Blaue Land zu seinem Namen kam und was ihr in Murnau am Staffelsee sonst noch entdecken könnt, lest ihr hier: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/08/20/gabriele-muenters-vermaechtnis/

Weitere KunstWirte-Touren

Die nächsten KunstKulinarischen Reisen finden statt am
4. und 11. September, 9. und 16. Oktober, 6. und 13. November 2020. Anmeldung über die Tourist-Information Murnau:
E-Mail: kunstwirte@murnau.de, Telefon 08841 – 476 240.

Dem Himmel ganz nah – mit Bildern in der Schokoladenmanufaktur Murnau von Ute Bauer-Schröter, einer der sechs weiteren KünstlerInnen der KunstKulinarischen Reisen Foto: Claudia Reshöft
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Gabriele Münter und die Blauen Reiter

Es soll das Blau gewesen sein, welches das Murnauer Moos am Fuß der Alpen in die wohl romantischte aller Farben taucht und Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Franz Marc und August Macke zur Namensgebung ihrer Vereinigung Der Blaue Reiter inspirierte.
Die KünstlerInnen fuhren Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Bahn in die „Sommerfrische“ nach Murnau und entdeckten das Schauspiel, das sich insbesondere an späten Sommerabenden wiederholte. Kandinskys Vorliebe für die Farbe Blau und Marcs Schwäche für Pferde verbanden sich so zu den Blauen Reitern, die mit Ausstellungen ihrer expressionistischen Arbeiten in den Jahren 1911/12 für Furore und Aufruhr sorgten und seither zu den bedeutendsten Wegbereitern der modernen Kunst im 20. Jahrhundert zählen. Zu den Blauen Reitern gehören neben Marc und Kandinsky auch Robert Delaunay, Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky, Alfred Kubin und August Macke.

„Je tiefer das Blau wird, desto tiefer ruft es den Menschen
in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht
nach Reinem und schließlich Übersinnlichem,
denn es ist die Farbe des Himmels“. 

Wassily Kandinsky

Das „Russenhaus“ von Murnau

Zu den Blauen Reitern gesellten sich zahlreiche Russen. Einer der bedeutendsten unter ihnen, Wassily Kandinsky, war mit der expressionistischen Malerin Gabriele Münter liiert. Das Paar kaufte sich ein Haus in der Kottmüllerstraße, welches sie von 1909 bis 1914 gemeinsam bewohnten – und in das sie natürlich ihre russischen Künstler-KollegInnen einluden. Das lockere Treiben dort erschien den Murnauern suspekt, weshalb sie es wohl mit einer Mischung aus Respekt und Abscheu nur das „Russenhaus“ nannten.

Gerettete Kunst

Nach Kandinskys Rückkehr nach Russland blieb seine Lebensgefährtin Gabriele Münter nach längerer Abwesenheit bis zu ihrem Tod 1962 in Murnau wohnen. Ihr ist zu verdanken, dass ein Teil der unter den Nationalsozialisten als „entartet“ geltenden Werke erhalten blieben. Unter anderem wird erzählt, sie habe in den Kriegsjahren so argen Hunger gelitten, dass sie beim örtlichen Metzger Bilder gegen ein Stück Wurst eingetauscht habe. Woraufhin der Metzger sich angesichts des jämmerlichen Mütterleins gnädig erwies – und Leinwände und Rahmen in Ermangelung von Brennstoffen zum Heizen verwendet haben soll. Getreu dem Motto: Von wegen Kunst – das kann weg.

Heute heißt das „Russenhaus“ Münter-Haus und ist eine Gedenkstätte und ein Museum. Es wird von einer Stiftung getragen, die nach der Künstlerin und ihrem späteren Lebensgefährten Johannes Eichner benannt ist.

Mehr Infos: http://www.muenter-stiftung.de/de/das-munter-haus-2/

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Kultur Gut Hasselburg: Wo die Musik zu Hause ist

Menschen, die auf dem satten Grün des weiten Innenhofs ihre Picknickdecken ausbreiten. Entspannte Gesichter im Licht der untergehenden Sonne, hier und da heiteres Gelächter, das erst verstummt, als die Musik ertönt und die laue Abendluft erfüllt. Gäste, die sich barfuß tanzend im Rhythmus wiegen …

Stifter Constantin Stahlberg
Foto: Claudia Reshöft

So etwa mag Constantin Stahlberg sich das vorgestellt haben, als er sich mit seiner Stahlberg Stiftung daran wagte, Gut Hasselburg in Ostholstein zu sanieren. Einen Ort hatte er schaffen wollen, an dem die Musik zu Hause ist und an dem Menschen Urlaub machen können wie im Bilderbuch. Daraus wurde ein bauliches Mammutprojekt, das nach zehn Jahren Bauzeit und der Investition eines zweistelligen Millionenbetrages kürzlich abgeschlossen wurde. Die kulturelle Vision des Stifters hat sich damit jedoch noch nicht gänzlich erfüllt.

Einzigartiges Gutshof-Ensemble

Wie aus dem Bilderbuch: Das Torhaus des Kultur Gutes Hasselburg in Schleswig-Holstein
Foto: Claudia Reshöft

Das Gut Hasselburg nahe Neustadt in Holstein gehört zu den wohl elegantesten feudalen Ensembles Schleswig-Holsteins. Schon die Anfahrt durch die schnurgerade, 300 Meter lange Lindenallee lässt vermuten, das prachtvoll geschwungene Torhaus mit seinem Rundbogentürmchen auf dem Mittelpavillon sei das Gut selbst. Doch sobald die von Mauern umschlossene Torzufahrt passiert ist, gelangt man in den weiten Innenhof des Gutes, der von zwei imposanten Gebäuden gerahmt wird.

Deutschlands größte erhaltene Reetdachscheune steht auf dem ostholsteinischen Gut Hasselburg nahe Altenkrempe
Foto: Claudia Reshöft

Zur rechten Hand liegt Deutschlands größte erhaltene Reetdachscheune. Wegen ihres einzigartigen Ständerwerks und der immensen Ausmaße von 74 mal 24 Meter wird sie auch Eichenkathedrale genannt und als Konzertscheune, beispielsweise während des Schleswig-Holstein-Musik-Festivals, genutzt. Zur Linken begrenzt das kürzlich eröffnete Kuhhaus mit seinem backsteinernen Kreuzgewölbe das Ensemble. Erst hinter dem von einer Baumreihe bestandenen Wassergraben liegt das von Kavaliershäusern flankierte, spätbarocke Herrenhaus Hasselburg. Hier residiert die Hörspielproduzentin Heikedine Körting (u. a. Die drei ???, TKKG, Hui Buh, das Schlossgespenst).

Vom Herrensitz zum Kultur Gut

In dem Herrenhaus von Gut Hasselburg residiert die Hörspiel-Produzentin Heikedine Körting
Foto: Claudia Reshöft

Heikedine Körting ist zu verdanken, dass Constantin Stahlberg den spätbarocken Landsitz entdeckte. Die beiden kennen sich seit 26 Jahren. Der Ex-Unternehmer, Hamburger Mäzen und passionierte Musiker komponierte Musik für ihre Hörspiele. Als Gut Hasselburg – und mit ihm auch das von Körting gepachtete Herrenhaus – 2005 zum Verkauf stand, schwebte ihm vor, hier könne ein kulturelles Zentrum entstehen, in dem neben der klassischen Musik auch Theater oder Musicals eine Heimat finden. „Wir möchten hier sämtliche Spielarten der Kultur durchdeklinieren“, sagt Constantin Stahlberg. Er legt Wert darauf, dass in Hasselburg Kultur zu Hause ist, die den Menschen gefällt. Vielen Menschen, und nicht etwa nur einem elitären Kreis.

Schon unter Heikedine Körting und ihrem 2016 verstorbenen Mann Andreas Beurmann, einem Musikwissenschaftler, hatte sich die Hasselburgsche Konzertscheune in den 1980er Jahren als Spielstätte des Schleswig-Holstein Musik Festivals einen Namen gemacht, ebenso mit den durch den Kulturkreis Hasselburg e. V. während der Wintermonate veranstalteten Kammerkonzerten im Herrenhaus. Doch erst mit der Übernahme Hasselburgs durch die Stahlberg Stiftung konnte die baufällig gewordene Konzertscheune nach neuesten baulichen Vorschriften saniert werden. Das war aber nur der Auftakt zu einem Gesamtkonzept.

Bildschön schlafen im Torhaus

Das designprämierte Torhaus Foto: Claudia Reshöft

„Als wir Hasselburg übernahmen, hat uns der desolate Zustand doch überrascht. Die Scheune und das Kuhhaus waren marode und auch das Torhaus war stark sanierungsbedürftig“, erinnert sich Constantin Stahlberg. Zudem musste das gewaltige Vorhaben auf wirtschaftlich solide Beine gestellt werden. Das von Gregor Greggenhofer entworfene Torhaus von 1763 mit seinen beiden Seitenflügeln wurde unter Denkmalschutzrichtlinien saniert und für die behutsame Umsetzung durch den Bund Deutscher Architekten (BDA) ausgezeichnet, sowie mit einem Denkmalschutzpreis bedacht. Heute beherbergt das spätbarocke Juwel das Café Cembalo, das von Freitag bis Sonntag geöffnet ist. Sowie neun nach Musikinstrumenten benannte Ferienwohnungen und weitere neun Komponisten-Gästezimmer, in denen das Interieur auf jegliche Effekthascherei verzichtet. Stattdessen dominieren hier klare Linien und aus edlem Holz handgefertigtes Mobiliar.

Staunen und feiern im Kuhhaus

Mehr Raum für Gäste, die nahe der Lübecker Bucht ihren Urlaub verbringen möchten, bieten die Ferienwohnungen im kürzlich eröffneten Kuhhaus. Im Zentrum jedoch steht das backsteinerne Kreuzgewölbe, ein faszinierender Saal mit beinahe sakral anmutender Atmosphäre, in den durch bodentiefe Fenster das Tageslicht fällt. Hier finden bis zu 150 Personen Platz – anlässlich von Hochzeiten oder anderen Veranstaltungen. Auch eine Ausstellung zu Heikedine Körtings Hörspiel-Reihe Die drei ??? soll schon bald Besucher in das Kuhhaus locken Die ersten Requisiten schlummern bereits in Glasvitrinen. Zudem sind Fotoausstellungen geplant.

Neuer Mittelpunkt: das backsteinerne Kreuzgewölbe
Foto: Claudia Reshöft

Kathedrale der Musik: die Konzertscheune

Bevor Constantin Stahlberg sich Hasselburgs annahm, hatte er als Pianist auf der Bühne des Barocksaals gestanden. Mittlerweile hat der musikverliebte Mäzen, der in Hamburg das Jugendprojekt musical@school ins Leben gerufen hat, einige seiner eigenen Musical-Kompositionen (u.a. Mona Lisa, Sherlock) in der schleswig-holsteinischen „Eichenkathedrale“ zur Aufführung gebracht.

Ob Während des Schleswig-Holstein-Musik-Festivals oder bei einer Kleinkunstveranstaltung – in der Konzertscheune schlägt das musikalische Herz von Gut Hasselburg Foto: Claudia Reshöft

Bedingt durch die Covid19-Maßnahmen kann die Konzertscheune in diesem Jahr nicht wie gewohnt genutzt werden. Doch entspannt sich die Lage, wird es in der Konzertsaison 2021 u.a. zu weiteren Aufführungen von Stahlbergs Erfolgs-Musical Mona Lisa kommen. Auch das Schleswig-Holstein Musik Festival wird wieder auf dem Kultur Gut Hasselburg zu Gast sein.

Kleinkunst unter freiem Himmel

Einstweilen aber wird auf der Open Air Bühne Kleinkunst geboten – von der Lesung bis zum Bar Jazz-Konzert (https://hasselburg.de/veranstaltungen/). Und wer mag, bleibt nicht nur für zwei, drei Stunden, sondern auch für längere Zeit in den bildschönen Ferienwohnungen, in denen man sich nur allzu gern wachküssen lässt.

Mehr Infos sowie Termine zu den Veranstaltungen
auf dem Kultur Gut Hasselburg

www.hasselburg.de

www.stahlberg-stiftung.de

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Vintage-Fotografie: Malen mit der Kamera

Mein Blogazine www.strandkorb-gefluester.de lebt neben meinen Texten natürlich auch von Fotos. Ich fotografiere leidenschaftlich gern. Aber nicht immer gelingt es mir, die Seele eines Motivs so einzufangen, wie ich es mir wünsche. Denn ich bin ein absoluter Laie an der Kamera. Für einen Foto-Kurs fehlte mir bisher die Zeit. Daher machte mich die Ankündigung eines Facebook-Bekannten neugierig: „Kreatives Fotografieren mit Vintage-Objektiven“ mit Gunnar Asmus in der Alten Schlossgärtnerei in Plön. Wenn ich Gunnar richtig verstanden habe, geht es bei der Vintage-Fotografie um eine ganz andere Form des Sehens. Und um das schon einmal vorwegzunehmen: Einfach mal den Kopf ausschalten, den Blick auf das Wesen(tliche) richten, versunken sein im Hier und Jetzt – ja, ich habe nicht nur mehr über Fotografie gelernt, sondern auch eine wunderbare Variante der Natur-Meditation entdeckt.

Der mit der Kamera malt …

Gunnar Asmus mit Kamera und Vintage-Objektiv
Immer auf der Motivsuche: Gunnar Asmus aus Malente
Foto: privat

Ich hatte schon eine Weile lang Gunnars Foto-Posts verfolgt (https://www.facebook.com/gunnar.asmus.3). Darauf sind zumeist einzelne Blüten vor unscharfem Hintergrund zu sehen, sie erscheinen beinahe geheimnisvoll. Gunnar ist Beamter beim Land Schleswig-Holstein und nebenbei leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Er gibt Kurse zum kreativen Fotografieren an der VHS Eutin https://vhs-eutin.de/ und organisiert die Fototage zwischen den Seen www.perspektiven-malente.de. Der erste Termin im Juli fiel sprichwörtlich ins Wasser und wurde um eine Woche verschoben. Aber mein Kalender ist an diesem Tag schon gut gefüllt, trotzdem möchte ich unbedingt dabei sein – und sei es nur für eine gute Stunde.
Treffpunkt ist die Alte Schlossgärtnerei in Plön, ein privatwirtschaftlich betriebener Garten, der unmittelbar an den Plöner See grenzt (http://www.alte-schlossgaertnerei-ploen.de/). Weil ich spät dran bin, haste ich dorthin. Aber der Anblick der offenbar tiefenentspannten Teilnehmer, die sich in dem naturnahen Garten schon einen malerischen Platz samt Kamera und Stativ gesichert hatten, lässt mich automatisch zwei Gänge runterschalten.

Auf der Suche nach dem richtigen Motiv

Für Neulinge wie mich hat Gunnar eine große Auswahl an Vintage-Objektiven dabei, jedes bietet einen anderen Effekt – mal mit größerer Unschärfe, mal mit kleinen Bubbles (Bokeh genannt). Aber allen gemeinsam ist: Sie stammen aus der vor-digitalen Zeit der Fotografie, in der Autofokus ein Fremdwort war, die Blende manuell über den Blendenring eingestellt wurde und es nicht um gestochen scharfe Aufnahmen ging. Gunnar hat inzwischen 16 analoge Objektive gesammelt, die über spezielle Adapter mit der digitalen Kamera verbunden werden können. Und was ist der Effekt? „Damit könnt ihr so fotografieren, wie ihr es real mit dem Auge nicht wahrnehmen könnt. Ihr lernt also gewissermaßen, die Kamera wie ein Malwerkzeug einzusetzen“, verspricht er. Ich Anfängerin entscheide mich auf seine Empfehlung hin für ein Carl Zeiss Jena Ultron 50 mm f 1.8. Dann gehen wir auf Motivsuche durch den Garten.
Vor einem Brombeerstrauch bleibe ich stehen. Ich will mich an einer Blüte samt grüner Frucht versuchen. Gunnar rät mir: „Mit analogen Objektiven kann man nicht mal eben schnell auslösen und auf ein perfektes Ergebnis hoffen. Nimm dir Zeit, richte dein Stativ aus, fokussiere mit der Lupe, nutze das Gegenlicht und nähere dich langsam deinem Motiv an.“ Und dann überlässt er mich meiner Übung. Runterkommen, Kopf ausschalten, mich an den Moment und das Motiv hingeben … mal schauen, ob das klappt.

Ob die Vintage-Fotografie und ich zusammenpassen?

Hm, ganz so habe ich mir das nicht vorgestellt. Das Ergebnis ist weit entfernt von dem leicht Verzauberten, das Gunnars Fotos zu eigen ist. Also marschiere ich weiter durch den verwunschenen Garten und versuche mich als Nächstes an Herbstanemonen und Mohn. Dank der digitalen Rückschau kann ich mir das Ergebnis gleich anschauen.

Ob es an den Motiven liegt oder an der zunehmenden Achtsamkeit, mit der ich durch dieses kleine Paradies wandere – diesmal habe ich den Eindruck, auf der richtigen Spur zu sein. Aber gerade als ich den Suchtfaktor spüre, von dem Gunnar mir erzählt hat, beginnt meine innere Uhr laut zu ticken – ich muss leider los. Der nächste Termin wartet. Aber eines steht fest: Ich bin mit dem Vintage-Fotografie-Virus infiziert und mache weiter! Denn diese Art des wirkt wie eine Meditation, aus der man mehr Achtsamkeit und zudem noch zauberhafte Fotos mitnehmen kann.

Fast wie gemalt das Mohn-Trio, oder?
Foto: Claudia Reshöft

Weitere Kurse mit Gunnar Asmus

14.08.20 Kreatives Fotografieren mit Vintage-Objektiven: Fotoworkshop in der Alten Schlossgärtnerei Plön.

24./25.10.20 Natur erleben und festhalten – kreative Fotografie im Wald: 2-tägiger Fotoworkshop in Malente

Mehr Infos und Anmeldung per Email an Gunnar.Asmus@t-online.de oder mobil 0172-4374476

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Aromatherapie: Der Duft der Immortelle

Sobald die Sonne über Korsika den nächtlichen Tau getrocknet hat, wird es Zeit für die Ernte der Immortelle. Jener intensiv riechenden Pflanze, die auf der ganzen Insel zwischen der Macchia blüht, an deren Duft Napoleon einst seine Heimat erkannt haben will. Vor uns liegt ein Feld goldgelber Blüten, die sich im Morgenlicht wiegen. Und durch die schon warme Luft ziehen herb-würzige, leicht süßliche Duftschwaden, die an Curry erinnern.

Männer mit Handschuhe ernten mit einer Sichel die Immortellenpflanzen
Immortellenernte auf dem Gut Bordeo der Familie von Keyserlingk
Foto: privat


Mit Handschuhen bewehrt, streifen die Erntehelfer von Gut Bordeo durch die Reihen. Mit der Sichel schneiden sie dicke Büschel des Krauts ab. Etwa 20 Zentimeter unterhalb der Blütenköpfe und nicht zu tief, damit die verholzten Stängel nicht verletzt werden und die Pflanzen wieder besser austreiben können. Denn die Immortelle ist kostbar und begehrt – in der Parfumindustrie, in der Aromatherapie und Aromapflege.

Die Immortelle leuchtet wie die Sonne selbst

Die Immortelle, die übersetzt die Unsterbliche heißt, wird botanisch als Helichrysum bezeichnet. Der Name stammt vom griechischen helios und bedeutet „Sonne“ oder „Gold“. Vielen ist sie als Currykraut bekannt. Das junge, grau-weißlich behaart Laub und die Sprossachsen etwa eignen sich zum Würzen von Speisen. Der currytypische Geruch entfaltet sich jedoch erst, wenn man die Blätter ein wenig zwischen den Fingern reibt.

Nahaufnahme einer Immortellenpflanze
Sonnige Schönheit
Foto: Claudia Reshöft

Oder bei regnerischem Wetter, wie vor wenigen Tagen. Da stürzte das Wasser vom Himmel und drückte die bis zu 60 Zentimeter langen Stängel zu Boden. Daher müssen die Männer die langen, dünnen Stiele samt Blüte vor dem Schnitt erst aufrichten. Denn in ihnen stecken die wertvollen Inhaltsstoffe, die sich die Aromatherapie zunutze macht.
Auf körperlicher Ebene wirkt die Immortelle wundheilend, entstauend und entzündungshemmend. Aufgrund ihrer zellregenerierenden Eigenschaft wird sie in der Hautpflege von reifer Haut und Aknenarben, aber auch bei Blutergüssen und kleinen Verletzungen eingesetzt. Und wer die Erscheinungsform der doldenartigen Blütenkörbchen betrachtet, kann nachvollziehen, welche Wirkung der Immortelle zugeschrieben wird: Es heißt, in ihrem Goldgelb sei die Sonne gespeichert, deren Energie sich bei der Anwendung ihres Öls oder Pflanzenwassers auf den Menschen überträgt. Sie stärkt die Nerven, löst Blockaden und schenkt uns Halt, wenn wir diesen verloren haben.

Die Immortelle stärkt die Nerven, löst Blockaden und schenkt uns Halt.

Demeter-Anbau auf Gut Bordeo

Auf Gut Bordeo, dem Anwesen der auf Korsika ansässigen Familie von Keyserlingk, wächst die Helichrysum italicum. Anbau und Aufbereitung erfolgen hier nach Demeter-Richtlinien für das im Allgäu ansässige Aromaölunternehmen Primavera Life (http://www.primaverlife.com). Um die späte Mittagszeit knattert ein wendiger Mini-LKW auf den Hof, fährt rückwärts in die Produktionshalle und kippt die Immortellenernte des Vormittags herunter. Eine sonnig-warme Duftwelle weht durch die Halle. Zügig breiten die Mitarbeiter die Büschel mit Forken flächig aus, denn jetzt soll es schnell gehen. Das würzige Kraut muss noch vor Einsetzen des Fermentationsprozess destilliert werden.

Bei der Dampf-Destillation wird das Pflanzenöl vom Pflanzenwasser getrennt
Erst nach sorgfältiger Destillation lösen sich die wertvollen Inhaltsstoffe
Foto: Pascaline Photographies

Eine Hebekran bewegt die Aromapakete fuderweise in einen großen zylindrischen Kessel. Das Immortellenkraut wird zwischendurch immer wieder von einem mit Zement beschwerten Stein zusammengepresst. So lange, bis nichts mehr hineinpasst. Dann wird das Pflanzenmaterial in dem bis ins untere Geschoss reichenden Tank mit 800 Liter Wasser unter Dampf gesetzt, um die phytochemischen Verbindungen der Immortelle zu extrahieren. Bereits nach zehn Minuten hat sich 80 Prozent des Öls gelöst, aber auf Gut Bordeo dauert die Destillation etwa drei Stunden. Denn erst dann lösen sich die besonders wertvollen, hochwirksamen Inhaltsstoffe.
Das ätherische Öl fängt sich in den Aufpralltellern der sogenannten Florentiner Vase. Hier wird es von dem Pflanzenwasser getrennt und später abgeschöpft. Auf diese Weise lassen sich aus 1,2 Tonnen Pflanzenmaterial rund zwei Liter konzentriertes Aromaöl gewinnen. Das ist wenig Ausbeute für so viel Arbeit!

SOS-Spray für schwierige Zeiten

Das Immortellen-Öl ist hochkonzentriert und hochwirksam. Doch auch das Pflanzenwasser, Hydrolat genannt, kommt in der Aromatherapie und Aromapflege zur Anwendung.
Ute Leube von Primavera Life ist in diesen Tagen auf Korsika zu Besuch bei ihrem langjährigen Anbaupartner Albrecht von Keyserlingk. Forscher ihres Unternehmens haben lange Zeit daran getüftelt, das Immortellen-Hydrolat ohne den Zusatz von Alkohol so weit zu stabilisieren, dass es über 26 Monate haltbar und keimfrei bleibt. „Nun setzen wir ein Fermentationsprodukt von Milchsäurebakterien ein, das zudem über eine pflegende Eigenschaft verfügt und hilft, die Hautflora in gesunder Balance zu halten.“ Gutsbesitzer Albrecht von Keyserlingk, der sich auf den Anbau von Aromapflanzen spezialisiert hat, interessiert sich vor allem auf die seelenheilende Wirkung: „Immortellenwasser beruhigt und entspannt auch unter dem Aspekt der Innenschau. Der Duft kann dabei unterstützen ‚Knoten‘ in unseren Emotionen zu lösen, wenn wir uns in schwierigen Zeiten befinden.“

Die Sonne im Gepäck

Ein Strauß Immortellen neben einer Tasse Kaffee
Mein Korsika-Souvenir: Ein Sträußchen wild wachsender Immortellen
Foto: Claudia Reshöft

Für manche ist das Immortellen-Hydrolat zu einer Art Allheilmittel geworden. Es werden damit Sonnenbrände gelindert, Muskelkater, blaue Flecken, Zerrungen und Stauchungen behandelt. Ich habe in den wilden Bergen Korsikas ein Sträußchen der „Unsterblichen“ als Souvenir gesammelt. Es hängt in meiner Küche und hat auch viele Monate noch seine sonnengleiche Farbe und den herb-süßen, krautig-warmen Duft bewahrt, der mich an die Sonne Korsikas erinnert.

Wie Ute Leube mit ihrem Unternehmen gewachsen ist, lest ihr in meinem Porträt Die Bio-Pionierin aus dem Allgäu:
www.strandkorb-gefluester.de/2020/07/27/ute-leube-die-frau-aus-der-zweiten-reihe/

Mehr Infos über die Pflanzenwässer und Aromaöle findet ihr hier: http://www.primaveralife.com

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Primavera: Ute Leube, die Bio-Pionierin

Sie wollten die Welt verbessern, Ute Leube und ihre Freunde. In den 1980ern gründeten sie ein Unternehmen, das ätherische Öle produziert. Bis heute ist die 68-Jährige überzeugt: wirtschaftlicher Erfolg und nachhaltiges, faires und respektvolles Handeln auf jeder Ebene schließen einander nicht aus. Der Aufstieg von Primavera Life erfolgreichen Hersteller von Aromaöl und Naturkosmetik, scheint ihr Recht zu geben. Nun stellt sich die Frage nach der Unternehmensnachfolge. Doch wie stellt man sicher, dass die gelebte Vision von potenziellen Nachfolgern gewahrt bleibt?

Inspiration aus dem Königreich

Über Korsika weht der Duft der Macchia, als ich Ute Leube treffe. Sie kommt gerade zurück aus Bhutan. Das in die Berge des Himalayas eingebettete Mini-Königreich hält das Bruttoinlandsglück seiner Bewohner für wichtiger als das Bruttosozialprodukt. Deshalb hat es vier Säulen als Staatsräson manifestiert: 1. die Förderung kultureller Traditionen, 2. den Schutz von Umwelt und Kulturlandschaft, 3. die Förderung sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung, sowie 4. Verwaltungsstrukturen, die diesem Ziel dienen. Nur wenn alle vier Säulen gleich groß sind, lässt sich ein stabiles Haus darauf bauen, sind die Bhutaner überzeugt.

Dieser Gedanke gefällt Ute Leube. Die Mitgründerin von Primavera Life findet sich und die Unternehmensphilosophie darin wieder. Und weil sie und ihr Geschäftspartner Kurt L. Nübling die Entwicklung in Bhutan unterstützen wollen, beziehen ihr biozertifiziertes Lemongrass-Öl von einem örtlichen Projekt. Dort leisten die Bauern das, was sich die Allgäuer Bio-Pioniere vor über 30 Jahren vorgenommen hatten: beste Bio-Aromaöle aus Wildsammlungen oder nachhaltigem Anbau erzeugen, und das bei fairer Bezahlung. Denn nur so kann die Welt gerechter werden. Und besser.

Norddeutsche Seele auf Erkundungstour

Primavera Ute Leube ist immer auf der Suche nach Inspiration. In den Bergen Korsikas pflückt sie Wildblumen
Unterwegs in den Bergen Korsikas mit Primavera Life-Gründerin Ute Leube
Foto: Claudia Reshöft

Ute Leube ist größer als die meisten Frauen ihrer Generation. Das silberne Haar trägt sie kurz geschnitten, die Kleider fallen weit und weich. Eine typisch Norddeutsche würde man denken. Wäre da nicht ihre leise Stimme und der tastende, beinahe tänzerische Gang. Aufgewachsen ist sie nahe Bremen. Sie ist ein stilles Kind, „unsicher, schüchtern, nicht wissend, wo mein Platz ist auf dieser Welt“, wie sie sagt. Nach dem Abi und ihrer Ausbildung zur Medizinisch-technischen Assistentin zieht sie nach Göttingen. Sie studiert Landwirtschaft und geht mit ihrem damaligen Freund für ein Jahr in die USA. Die indianische Kultur zu ganzheitlichem Heilen inspiriert sie derart, dass sie ihr Interesse an westlicher Medizin verliert. Doch egal, wo sie ist, am wohlsten fühlt sie sich in der zweiten Reihe. Oder lieber noch weiter hinten, da wo man unsichtbar bleibt und dennoch Gutes bewirken kann.

Entdeckung der Aromaöle

Primavera Ute Leube sammelt Blüten am Wegesrand
Ute Leube sammelt Pflanzen,
wo immer sie unterwegs ist
Foto: Claudia Reshöft

In München zieht sie in eine WG, zusammen mit ihren Mitbewohnern betreibt sie einen Naturkostladen. Ihr Sohn wird geboren, sie trägt ihn in einem Tuch auf dem Rücken während sie Kisten schleppt und Kartoffeln eintütet. Es ist ein gutes Leben, gespeist aus ökologisch erzeugten Nahrungsmitteln – es hätte gern so weitergehen können. Aber dann kam dieser Tag, der alles veränderte. „Unser Gemüsehändler brachte ein kleines Fläschchen mit Rosmarin-Öl mit, das angeblich wahre gesundheitliche Wunder bewirken sollte. Mir als Hardcore-Naturköstlerin kam es seltsam vor, Pflanzendüfte zu destillieren und sie in einen Flakon zu sperren. Aber meine Neugier siegte“, erinnert sie sich.

Vom Aufstieg und Abschieden

Ute Leube will mehr darüber erfahren. Sie belegt Mitte der 1980er-Jahre einen Kurs bei der damals führenden Aromatherapie-Expertin Susanne Fischer, spätere Fischer-Rizzi. Hier trifft sie auf Kurt L. Nübling, einen der Mitgründer des Seminarhauses. „Hier verstand ich, dass meine Nase nicht nur zum Ein- und Ausatmen da ist. Die größte Entdeckung aber war, welch heilsame, pflegende Wirkung Pflanzen auf Seele und Haut haben.“ Am Küchentisch beginnen Leube, Nübling und Fischer zu spinnen, wie man das Wissen mit anderen Menschen teilen könne. „Aomatherapeutische Öle waren nichts Neues. Aber wir wollten sichergehen, dass unsere Öle naturbelassen sind und wissen, wie sie hergestellt werden“, erinnert sich Ute Leube. „Gleichzeitig wollten wir soziale Projekte in den Anbauländern unterstützen.“ Ab jetzt kennt die Kreativität der drei keine Grenzen mehr. Während Nübling mit Alabaster-Lampen und experimentiert, koordiniert Ute Leube die Kooperation mit Anbaupartnern. Und die in der Szene bekannte Susanne Fischer-Rizzi ist das Gesicht nach außen.

Ute Leube: Die Frau aus der zweiten Reihe

Im Frühjahr 1986 wird Primavera offiziell gegründet. Das junge Unternehmen präsentiert sich auf der Edelstein-Messe in Idar-Oberstein. „Das war ein kolossaler Erfolg! Mit einem Schlag hatten wir 250 Therapeuten-Adressen“, sagt Ute Leube. Darauf konnten sie und ihre Mitstreiter aufbauen. Während ihre Kinder schlafen, packt Ute Leube Päckchen, die Kartons kommen gebraucht aus dem Supermarkt. Das Start-up geht durch die Decke. Eine Weile lang funktioniert das Triumvirat prima. Doch in dem Haus, an dem sie gemeinsam bauen, verschiebt sich die Statik. Es knirscht gewaltig, Fischer-Rizzi steigt aus. Übrig bleiben Nübling und Leube.

Ute Leube kümmert sich fortan weiter um die Prozesssteuerung, den Einkauf, den Kontakt zu den Anbaupartner und die Produktentwicklung und findet sich, öfter als ihr lieb ist, hinter dem Schreibtisch wieder. Kurt L. Nübling, ein charismatischer Visionär und leidenschaftlicher Entdecker, widmet sich dem Marketing. Er in der ersten, sie in der zweiten Reihe – die perfekte Rollenverteilung, um den Markt mit hochwertigen Aromaölen und Naturkosmetik zu erobern.

Primavera
Verliebt in alles, was wächst und blüht: Ute Leube
Foto: Pascaline Photographies

Geld? Für Primavera das Mittel zum Zweck

„Wir haben Primavera gegründet aus der Begeisterung für unsere Produkte und für die Art und Weise, wie sie entstehen. Sie haben einen Mehrwert für Bauern, Verbraucher und die Umwelt. Geht es um Strategien für die Zukunft, steht für uns im Fokus wie wir noch nachhaltiger wirtschaften können. Das Geld interessiert uns erst dann, wenn es notwendig wird“, sagt Ute Leube. Und es klingt überzeugend.
Aber so viel Idealismus muss man sich erst mal leisten können. Schon einmal hatte die kompromisslose Weltverbesserei das Unternehmen in eine heikle Schieflage bugsiert. Mitte der Nuller Jahre befindet sich Primavera auf Expansionskurs und investiert kräftig in die Eroberung des US-amerikanischen Marktes. Doch die Einführung des Ratings führte zur Vollbremsung, die Banken lassen sie hängen. Ute Leube schwitzt hektische Tage und schlaflose Nächte über Finanzierungsplänen und hält den Atem an. Doch dann findet sich ein Investor und Primavera blüht auf.

Das Unternehhmen loslassen fällt schwer

Den Ruf der „durchgeknallten Öko-Spinner“ haben die Allgäuer Bio-Pioniere längst abgeschüttelt. Über 30 Jahre später gehört Primavera Life mit 200 Mitarbeitern zu den europaweit führenden Produzenten von Aromaöl und Naturkosmetik http://www.primaveralife.com. 2019 wurde es zur Marke des Jahrhunderts gekürt (https://www.deutsche-standards.de/marken/detail/primavera-144/). Das Unternehmen ist gut strukturiert – und ist seinem Grundsatz treu geblieben. Ute Leube, die 2012 zur Unternehmerin des Jahres gekürt wurde und damit ins Rampenlicht rückte, stieg ein Jahr später aus dem operativen Geschäft aus. Seither sitzt sie im Beirat von Primavera Life und denkt darüber nach, wie sie dem Entdecken und Forschen und den Begegnungen mehr Raum geben kann. Bisher schlug der Versuch fehl, komplett aus dem Geschäft auszusteigen. Denn wem vertraut man ein Unternehmen an, das untrennbar verbunden ist, mit den ureigenen Visionen? „Wir waren so sehr mit dem beschäftigt, was wir tun, dass wir nicht rechtzeitig daran dachten, die Unternehmensnachfolge zu regeln“, meint sie selbstkritisch.

Primavera Blumen und Kräuter sind Ute Leubes ständige Begleiter und für ihr Unternehmen
Ute Leube möchte ihr Unternehmen in guten Händen wissen
Foto: Claudia Reshöft

Erfolg hat, wer sich treu bleibt

Die Ansprüche an potenzielle Nachfolger ist hoch, mancher Versuch ist bereits gescheitert: „Wir konnten uns nicht vorstellen, dass jemand anders denkt und nicht versteht, was für uns Gründer selbstverständlich ist.“ Aber das, was sie jetzt beginnen, könnte eine Lösung sein: eine integrale Führungskultur nach dem Spiral Dynamics- Prinzip von Ken Wilber. „Dann würden in einem sich selbst regulierenden Führungskreis fünf Mitarbeiter aus unseren eigenen Reihen sitzen, die unterschiedliche Qualitäten mitbringen: Organisatoren, Visionäre, Integratoren und Akteure nach außen. Wir arbeiten derzeit mit Beratern von außen daran. Es ist ein anstrengender Prozess für alle Beteiligten, denn er verlangt schonungslose Offenheit und Darlegung der persönlichen Ziele. Aber unser Gründungsgedanke lebt bis heute. Wir hätten bei vielen Gelegenheiten zerbröselt werden können. Aber ich glaube, unser Unternehmen ist geschützt, solange wir unserer Ursprungsidee treu bleiben.“

Mehr zu den Aromaölen und der Naturkosmetik unter http://www.primaveralife.com

Pionierinnen haben es mir angetan ;-). Ein weiteres Beispiel für Visionen zu nachhaltigem Handeln findet ihr hier: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/04/07/die-frau-die-ein-ganzes-tal-veraendert-hat/

Mehr zu meiner Reise nach Korsika: Demnächst unter der Rubrik Reise-Geflüster

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Kloster Cismar-Ausstellung: Zum Fressen gern …

Zum Fressen gern … der Titel der aktuellen Ausstellung im Kloster Cismar hat mich neugierig gemacht. Mir selbst fällt eine Menge ein, was ich zum Fressen gernhabe: meine Tochter, den Bärlauch im Garten, meinen Hund Frida, meinen besten Freund … Das ist in diesem Zusammenhang natürlich nur ein geflügeltes Wort für eine ausgeprägte Form der Zuneigung. Im Tierreich hingegen bezeichnet das Fressen und Gefressenwerden die Notwendigkeit des Überlebens. Und da bleibt es nicht aus, dass uns Menschen etwas abhandenkommt, was uns lieb und teuer ist. Kulturschätze zum Beispiel gehören dazu. Was passiert, wenn Kleinstlebewesen den Bestand jahrhundertalter Bücher gefährden, mussten die Mönche des Benediktinerstifts Admont erfahren.

Dorothea Jöllenbeck führt durch die Ausstellung
Foto: Strandkorb-Geflüster/C.Reshöft

Schädlinge drohten die wertvollen Bände in ihrer weltgrößten Klosterbibliothek für immer zu zerstören. „Das brachte die Ordensmänner auf die Idee, das Jahresmotto ‚Zum Fressen gern‘ zu entwickeln“, erklärt Dorothea Jöllenbeck, die im Auftrag der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen durch die Ausstellung im Kloster Cismar führt. „Diesem Motto folgend, entstand ein facettenreicher Veranstaltungszyklus. Und sie luden die auf historische Sammlungen spezialisierten Berliner Fotografen Sebastian Köpcke und Volker Weinhold nach Admont ein, um eine ganz eigene Interpretation zu finden“, so Jöllenbeck.

Erleuchtung inklusive

#Corona folgend wurden die Ausstellungsräume im 1. Obergeschoss des Klosters Cismar zur Einbahnstraße erklärt. Gleich zu Beginn zieht es mich magisch zu einem Bild, auf dem der „Heilige Geist“ in Form einer holzgeschnitzten Taube über einem Igel schwebt. Umgeben ist das Stacheltier von geradezu paradiesischen Früchten, die dem Admonter Wachsobst-Museum entstammen. „Eine zugegeben gewagte Inszenierung. Anfangs hatten sich die Fotografen auch gesorgt, das Bild könnte von ihren Auftraggebern, den Mönchen, als Blasphemie abgelehnt werden, aber die Benediktiner zeigten sich aufgeklärt und nahmen es mit Humor“, erklärt Dorothea Jöllenbeck.

Ausschnitt aus dem Einführungsvideo zur Ausstellung

Die komplette Video-Einführung zur Ausstellung „Zum Fressen gern“ durch Dorothea Jöllenbeck könnt ihr auf meiner Facebook-Seite anschauen

Fotoausstellung "Zum Fressen gern" im Kloster Cismar

Fotoausstellung "Zum Fressen gern" im Kloster Cismar: Dorothea Jöllenbeck erklärt, die "photograpischen Einblicke in den Benediktinerstift Admont"

Gepostet von Strandkorbgeflüster am Dienstag, 7. Juli 2020

Noch mehr über Kunst im Ostseeferienland findet ihr hier https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/06/26/von-knicks-kueken-und-kreislaeufen-in-der-landwirtschaft/

Augenzwinkernde Inszenierung

Köpcke und Weinhold hatten vier Wochen Zeit, aus den reichen Schätzen des Kulturhistorischen und Naturhistorischen Museums im Benediktinerstift Admont die passenden „Hauptdarsteller“ für ihre an Gemälde erinnernden Arrangements zu suchen. Die bisweilen über hundertjährige Präparate, Aufzeichnungen und Rezepte haben sie vor schwarzem Tuch im Stil von Jagd- und Küchenstillleben der Renaissance inszeniert.


Das Ergebnis ist eine ebenso liebevolle wie hintersinnige Fotoausstellung im Kloster Cismar, die Dr. Carsten Fleischhauer aus Schloss Gottorf kuratiert hat. Köpcke und Weinhold verweisen im ersten Saal auf überraschende Größenverhältnisse, etwa wenn ein Strauß ein Ei in eine Kinderwiege legt oder ein kleiner Kolibri sich auf einer Nautilusschnecke niederlässt. Doch zumeist handeln die faszinierenden Motive vom Fressen und Gefressenwerden. Etwa wenn geflügelte Beutegreifer, nebst Seehund über einer naturkundlichen Zeichnung von Fischen lauern. Oder ein von einem Schwarm furchterregender Raubfische eskortierter Kugelfisch wirkt wie eine unheimliche Begegnung im Weltraum.

Wo Zuneigung durch den Magen geht

„Zum Fressen gern“ hatten Köpcke und Weinhold wohl auch ein paar höchst lebendige gute Klostergeister. Weil die beiden als Gäste im Stift Admont in den Genuss der guten Klosterküche kamen, haben sie den Küchenfrauen ein anspielungsreiches fotografisches Denkmal gesetzt. Denn die Liebe zu ihrer Aufgabe ging offenbar sprichwörtlich durch den Magen. ¶

„Zum Fressen gern“ ist noch bis zum 18. Oktober 2020 im
Kloster Cismar, Bäderstraße 42. https://kloster-cismar.sh/ zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

 Der Eintritt ist kostenlos; Spenden sind willkommen.
Geschlossene Gruppenführungen sind nach Anmeldung möglich.
 Ab 1. August finden wieder öffentliche Führungen statt:
Samstag 01. August um 10 Uhr
Sonntag 16. August um 11 Uhr
Samstag 29. August um 11 Uhr
Sonntag 13. September um 14 Uhr
Freitag 02. Oktober um 15 Uhr
Sonntag 18. Oktober um 15 Uhr
Kosten:3 Euro pro Person

 Anmeldung bitte per Mail an service@landesmuseen.sh
oder telefonisch unter 0 43 66 – 884 65 22.

Infos zum Benediktinerstift Admont unter www.stiftadmont.at

Infos zu den Sammlungsfotografen Sebastian Köpcke und Volker Weinhold unter http://sammlungsfotografen.de

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Nicola Sieverling: Und endlich hat sich getraut

Nicola Sieverling lernte ich kennen, als ich die Geschichte einer großartigen Freundin für ein Frauen-Magazin aufgeschrieben habe. Diese Freundin und Kollegin erkrankte mit Anfang 30 während der Schwangerschaft an Brustkrebs. Und Nicola betreute die Öffentlichkeitsarbeit für die Klinik, in der meine Freundin behandelt wurde – erfolgreich, wie es zunächst schien. Doch drei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter kam der Krebs zurück, K. starb und hinterließ ihre kleine Tochter und ihren Mann.
Mit Nicola verband mich ein lockeres berufliches Band. Erst jetzt, als sie nach Ostholstein zog, haben wir uns nach vielen Jahren zu einem Strandkorb-Geflüster wiedergetroffen. Und es war beinahe so, als hätten wir uns erst gestern gesehen.

Nicola Sieverling arbeitete lange Jahre als erfolgreiche PR-Beraterin – bis sie ihr Leben von Grund auf umkrempelte. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen hat sie nun als Autorin veröffentlicht. Heute hält die Job-Expertin Vorträge und gibt Seminare zum Thema (Foto: Kailash)

Nicola, du findest: Das Leben ist zu kurz für den falschen Job. Woran hast du selbst gemerkt, dass dein früherer Job nicht der richtige für dich ist?

Das war ein wirklich langer Prozess. Ich habe sehr viele Jahre meine PR-Agentur in Hamburg geleitet. Mir gefiel der Erfolg und auch das schicke Büro an der Alster. Obwohl ich zwei Mitarbeiterinnen hatte, befand ich mich in einer Wiederholungsschleife aus Verpflichtungen und Dauerpräsenz. Ich war nur noch im Außen, aber nicht mehr bei mir. Fünf Hörstürze hätten ein Warnsignal sein müssen, ich habe sie ignoriert. Erst als ich die Diagnose Brustkrebs bekam, konnte ich diesen Signalen nicht mehr ausweichen. Ich war vom Schicksal gewissermaßen gezwungen worden, mich zu entscheiden: für ein gut gefülltes Bankkonto oder Gesundheit und Lebensfreude. Seither kann ich nur jedem raten: Schiebt eure ersten Schritte hin zu einer Veränderung nicht auf – ob privat oder im Job.

Manche von uns hat wohl schon gedacht: Ach, ich könnte mir durchaus etwas anderes vorstellen … Ist das ein Grund, den Job gleich hinzuwerfen?

(Lacht) Keinesfalls! Aber wenn der Frust beginnt zu nagen und dieser Gedanke immer wiederkehrt, ist das ein Zeichen dafür, dass eine Veränderung ansteht. Allerdings lassen wir unser Sehnsuchtsmodell am Ende doch in der Schublade, weil sich in die Idee, es könnte Erfüllenderes geben, Zweifel und Unsicherheit mischen. Und oft ist die Angst vor dem Neuen größer als die Unzufriedenheit. Aber warum sollten wir in einem Job ausharren, der uns weder Erfüllung noch Lebensfreude bringt?

Woher weiß ich denn, ob es sich bei meinem Wunsch nach Veränderung nicht einfach um eine fixe Idee handelt?

Indem ich auf meine Herzensstimme höre. In der alltäglichen Routine meldet sie sich meist nur leise, aber bei Spaziergängen im Wald, einer Wanderung an der Küste oder in den Bergen hören wie sie deutlicher. Solche Mini-Auszeiten wirken Wunder. Und sie ermutigen uns, unserem Bauchgefühl und unserer Intuition zu vertrauen.

Du stellst in deinem Buch lauter tolle Menschen vor, die sich selbstständig gemacht haben. Aber ist es nicht Luxus – und vielleicht sogar leichtsinnig –, sich ausgerechnet zu Corona-Zeiten nach Alternativen umzuschauen und vielleicht sogar eine Festanstellung aufzugeben?

Wenn uns die vergangenen Monate etwas gelehrt haben, dann doch dies: Nichts, was wir für sicher hielten, ist von Bestand. Diese Krise hat vielen auch gezeigt, dass es Beglückenderes gibt als das Ausharren in einem ungeliebten Job. Andere haben ihren Job verloren und wollen sich neu orientieren. Die Chance für eine Veränderung war möglicherweise nie so groß wie jetzt. Das haben uns nicht zuletzt die vielen kreativen Initiativen gezeigt, die in dieser Zeit entstanden sind.

Welche Erkenntnis war für dich, und vielleicht sogar für Menschen, die du coachst, die wichtigste beim Neustart?

Wenn man einmal den Mut aufbringt, die Routine in Frage zu stellen, die Komfortzone zu verlassen und eintaucht in das Leben und seine Möglichkeiten, ist das ein fantastisches Gefühl. Denn neue Erfahrungen füllen das Selbstfreude-Konto, egal, in welcher Lebensphase wir uns gerade befinden. Denn wir haben nur dieses eine Leben und wir selbst dürfen es in die Hand nehmen. Breiten wir doch einfach unsere Flügel aus!

Nicola Sieverling weiß, wie man fliegen lernt.
Ihr könnt das nachlesen in ihrem Buch „Plan B“,
256 Seiten, 18 Euro, kailash Verlag, ISBN: 978-3-424-63197-5.

Oder ihr nächstes Seminar in Hamburg besuchen: https://www.plan-b-sieverling.de/intensivseminar-on-tour/

Mehr zu Nicola Sieverling findet ihr auf ihrer Homepage unter
https://www.plan-b-sieverling.de

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Von Knicks, Küken und Kreisläufen in der Landwirtschaft

Auf Reportage ist man einiges gewohnt: Nach 1200 Kilometern Anreise ist der Protagonist plötzlich erkrankt. Eine lange vorbereitete Geschichte über Weinbergpfirsiche scheitert an nicht enden wollenden Regengüssen. Und eine wahnsinnig (!) spannende Geschichte stellt sich vor Ort nach ein paar Recherchen als Luftnummer heraus. Oder: Ein Fototermin, von dem man glaubt, er sei in einer Viertelstunde erledigt, zieht sich über Stunden hin. Am Ende hat man nur eine Handvoll brauchbare Motive. Aber dafür ist man um unbezahlbare Abenteuer reicher, so wie in diesem Fall.

Von wegen, einmal eben um die Ecke fahren …

Mein Herzensprojekt Landkunststück habe ich euch ja schon vorgestellt (https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/02/01/herzensprojekt-landkunststueck/). Aus der Vorstandsarbeit habe ich mich zurückgezogen, aber mit den Landwirten und KünsterlInnen fühle ich mich noch immer verbunden. Also bin ich fix mal rübergefahren nach Siggeneben, ist ja bei mir um die Ecke. Die Künstlerin Inga Momsen aus Flensburg http://www.ingamomsen.de hat dort für Heike und Kai-Dieter Kölle von Gut Rosenhof (Gemeinde Grube http://www.gemeinde-grube.de) ein Schwimm-Knick geschaffen. Die Kunst-Installation war lange geplant, dann kam Corona und mit ihm Lieferprobleme (aber das alles auszuführen würde jetzt einfach zu lange dauern). „Inga“, sagte ich, „ich brauche ein Foto für mein www.strandkorb-gefluester.de. Ich würde gern mal für eine Viertelstunde rumkommen.“ Inga: „Alles klar, ich sag dir Bescheid, wenn ich kurz davor bin, meine Installation ins Wasser zu lassen.“ Es sind ja nur fünf Minuten von hier nach dort.

„Schwimm-Knick“ in Rosenhof: Poesie in der Landschaft

Aus 45 Minuten wurden vier Stunden und Inga brauchte mehr als ihre beiden Hände – also auch meine –, um ihren Schwimm-Knick zu Wasser zu lassen: Taue spannen in einem Kahn mit Leck, der sich im Seegras immer wieder festfuhr und durch den Ostwind ständig vom Kurs abkam, während der Wasserpegel im Rumpf stieg. Brüchiges Material, das ersetzt werden musste … Am Ende ist die Aktion geglückt. Und nun schwebt der Schwimm-Knick übers Wasser.


Respekt vor der Geduld von Kai-Dieter Kölle und seinem „Assistenten“ Jakob, die eine gefühlte Ewigkeit am Ufer saßen und uns Frauen bei der Schwerstarbeit zugesehen haben, ohne uns anzutreiben 😉 Ich danke Inga Momsen für ein Stück Poesie inmitten der Landschaft Ostholsteins und beglückwünsche meinen Verein zu einem weiteren Landkunststück, das diese Region noch lebenswerter macht. Und meine Foto und meine Interviews mit Inga Momsen über ihre künstlerische Interpretation und Kai-Dieter Kölle über das, was in als Landwirt antreibt, die habe ich am Ende auch noch bekommen.

Die Dateien habe ich auf meiner Facebook-Seite hochgeladen:

Zum Lauschen mit Inga Momsen, die mächtig gegen den Ostwind anreden musste, geht’s hier entlang:

https://www.facebook.com/watch/?v=2981760621921999

Zum Lauschen mit Kai-Dieter Kölle geht’s hier entlang:

https://www.facebook.com/watch/?v=692698548180290

Den Schwimm-Knick findet ihr zwischen Rosenhof und Siggeneben auf dem Teich rechts hinter dem Wald

„Mobile Home“ in Groß Schlamin: Davon träumen Legehennen

Ein Landkunststück von Arno Neufeld für
den Geflügelhof Wulf in Groß Schlamin

Lena Niehoff und Tim-Ole Wulf mit Berta
Foto: Strandkorb-Geflüster/C. Reshöft

Tim-Ole Wulf und Lena Niehoff in Groß Schlamin halten Geflügel – Legehennen im Freiland und in Bodenhaltung. Und sie mästen Hähnchen für den Lebensmittelhandel. Als Arno Neufeld http://arnoneufeld.de die beiden das erste Mal besuchte, war er noch erfüllt von den Bildern seiner Kindheit, auf denen Hühner im Gras nach Würmern pickten. Die Realität heute ist eine andere. Ob bio oder konventionell – Hühner werden im großen Stil gehalten. Arno nahm das mit Humor. Und wie hat er seine Aufgabe erfüllt, Kunst für den Verein LANDKUNSTSTÜCK e.V. http://www.landkunststueck.de zu erschaffen?       

Arno Neufeld über sein Mobile Home
Witziger Guckloch-Effekt

„Angesichts der Abläufe und des Lebenswandels vor Ort dachte ich, ob die Hühner in ihren Träumen nicht ein wenig Abwechslung und Entspannung herbeisehnen. Da sie selbst nicht als überragende Flieger bekannt sind, habe ich mit einem Mobile Home Abhilfe geschaffen. Damit biete ich den Hühnern auf dem Hof einen modellhaften Ausflug an, der Komfort und Luftveränderung verbindet.“

Die Installation „Mobile Home“ ist ein stillgelegter VW Golf. Auf der Außenhaut des Wagens sind malerische Szenen aus dem Hühnerleben abgebildet, kleine Gucklöcher gestatten einen Blick in das komfortable Wageninnere. Dort hat Arno für warme Nester gesorgt. Es gibt eine Kükenkrippe auf der Hutablage. Futternäpfe dürfen nicht fehlen und die Getränke werden stilvoll vorgehalten. Sogar Sitzstangen und Hühnerleiter sind Bestandteil der Ausstattung.

Aber am besten setzt ihr euch einfach mal aufs Fahrrad und guckt selbst mal rein.
Kleiner Tipp: Nach Einbruch der Dämmerung ist es besonders schön, denn dann macht sich Schummerlicht im Mobile Home breit. Aber pssst! Die Hühner sind dann schon längst zu Bett gegangen.

Adresse: Geflügelhof Wulf, Hauptstraße 14, Groß Schlamin

„kreise, kreise“ in Krummbek: Der Klang von Milch und Mist

Ein Landkunststück von Maria Malmberg
für Gut Krummbek (Gemeinde Schashagen)

Familie de la Motte hat den Wirtschaftskreislauf auf ihrem Hof perfektioniert. Stark vereinfacht funktioniert das so: Getreide dient als Futter für die Milchkühe des Hofes, die Kühe geben Milch, die Gülle aus dem Stall wird in einer Biogasanlage aufbereitet, mit der Energie werden der Hof und die umliegenden Wohn- und Wirtschaftsgebäude gewärmt. Und was an festen Bestandteilen übrigbleibt, landet als Einstreu wieder im Kuhstall.

Wie Martin de la Motte und seine Familie wirtschaften, erklärt er hier (auf meiner Facebook-Seite) – unterlegt von einer ersten Klang-Hörprobe: https://www.facebook.com/watch/?v=214136906334099

Kälber-Kinderstube auf Gut Krummbek
Foto: Strandkorb-Geflüster/ C. Reshöft

Die Künstlerin Maria Malmberg http://mariamalmberg.de hat diesen Wirtschaftskreislauf in ihrer Klanginstallation „kreise, kreise“ interpretiert. „Der Kreislaufgedanke findet sich zum einen formal in der Innenkreisplatte wieder, aus der die Installation erklingt und auch in der Klangschale, in der ich den Klang erzeugt habe“, erklärt Maria ihr Landkunststück. „Inhaltlich habe ich mich auf die Stationen konzentriert, die Martin de La Motte mir bei dem Hofrundgang gezeigt hat. Zum einen den Weizen, die Milch der Kühe, photonengereinigtes Wasser, flüssiges Substrat und Gülle. Alle diese flüssigen Materialien habe ich nacheinander in eine Klangschale gefüllt und die Töne, die dabei erzeugt wurden, mit speziellen Mikrofonen aufgenommen, während ich die Klangschale umkreist habe. Zusätzlich habe ich ein Unterwassermikrofon installiert, das die Bläschen und Wassertropfen hörbar macht – das klingt dann fast wie ein Glockenspiel …“

Maria Malmbergs kreise, kreise ist ein ganz besonderes Hörerlebnis! Nehmt euch 9 Minuten Zeit dafür – und genehmigt euch dazu ein Glas Milch von der Milchtankstelle am Hof gegenüber

Adresse: Hof Krummbek, Dorfstraße 5, 23730 Schashagen – gegenüber von der Milchtankstelle