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Imker aus Leidenschaft

Max Voß‘ Beuten auf dem Hof in Cismarfelde

Es ist endlich wärmer geworden an diesem Sonntag, ein paar Tage nach den Eisheiligen. Und Max Voß ist ein bisschen spät dran mit seiner Arbeit, wie er von den Kollegen gehört hat. „Wir hatten ja einen sonnig-warmen April und Mai und die Rapsblüte ist früh in diesem Jahr. Meine Imkerfreunde haben die erste Tracht schon geschleudert, nun muss das also losgehen“, sagt er, zieht seine blaue Arbeitsjacke an und marschiert von seinem Wohnhaus rüber zum Hof. In der Scheune streift er seine Schutzkleidung über die blaue Arbeitsjacke, schnappt sich sein Arbeitsgerät. Dann schaut er nach seinen Bienen. Denn bevor es ans Honigschleudern geht, wird in der „guten Stube“ der Immen erstmal aufgeräumt.

Jetzt, wo das Futterangebot reicher und es draußen wärmer wird, geraten die Bienen ins Schwärmen, denn im Bienenstock ist es durch die nachwachsende Generation eng geworden. Sogenannte Ammenbienen, die bisher mit der Pflege und Aufzucht der Brut beschäftigt waren, beginnen nun extra große Zellen zu bauen, die sogenannten Weiselzellen, aus denen neue Königinnen schlüpfen werden. „Sind die erst einmal da, folgen sie ihrem Schwarmtrieb und nehmen die Hälfte des Bienenvolkes mit sich“, sagt Max. Und weil er an seinen Tieren hängt, kann er das keinesfalls zulassen.

Die Tiere, das Draußensein sind ein Teil seiner selbst

Max Voß prüft den Wassergehalt des Nektars mit einem Refraktometer, mit dem auch der Öchslegrad von Wein bestimmt wird

Max Voß ist in seinem langen Leben schon vieles gewesen: Landwirt, Besamer, Feuerwehrmann, Mitstreiter beim Erhalt des historischen Klosters Cismar, Klosterjäger und sogar ein König, genauer gesagt: Schützenkönig beim Bürgervogelschießen der Freiwilligen Feuerwehr Cismar. Kurz: ein Mann jener Generation, die ohne Zögern anpackt, weil das „Wir“ und der Zusammenhalt an erster Stelle stehen. Zwei Dörfer weiter, in Manhagenerfelde (Gemeinde Lensahn), ist er als Sohn eines Kolonialwarenhändlers großgeworden. Aus Liebe zu seiner Frau Erika heiratete er, ein gelernter Landwirt, auf einen landwirtschaftlichen Betrieb in Cismarfelde ein. Doch in den 1970er Jahren reichten die 35 Hektar Acker und Weideland für das Milchvieh nicht mehr aus, um rentabel zu sein. Das Vieh wurde aufgegeben, das Land verpachtet. Also war Max 40 Jahre lang als Besamer unterwegs in der Region. Mit dem Sperma, das Zuchtbullen gespendet hatten, sorgte er für den Nachwuchs auf den ostholsteinischen Milchbetrieben, weshalb die Rinderbauern ihn scherzhaft den Beinamen „Rucksackbulle“ gaben. Neben Beruf und Ehrenamt nahm er sich noch Zeit für die Tiere, „zum Ausgleich“ wie er sagt.

Wunderwerk Wabe: Bienen „verständigen sich über engsten Körperkontakt

Doch die waren um vieles kleiner als die Rinder. Anfangs züchtete Max Hühner, dann Tauben – bis allergische Reaktionen der Geflügelleidenschaft ein Ende bereiteten. Aber wenn man mit der Natur aufgewachsen ist, dann wird sie Teil von einem selbst, ein Leben lang. Auch bei Max hörte das Sehnen nicht auf: nach eigenen Tieren, nach dem Draußensein. Also verlegte er sich aufs Imkern, so wie sein Vater, der 1942 im Krieg sein Leben verlor, da war Max gerade mal fünf Jahre alt. Und nun steht er selbst mit seinen 83 Jahren hier auf dem Hof der Schwiegereltern, vor seinen Bienen, mit denen er seine lebenslange Passion als Landwirt ausleben kann. Seit er über die nützlichen Insekten wacht, nennt er sich mit einer Mischung aus Stolz und Ironie „Massentierhalter“, denn in seinen neun Bienenstöcken leben insgesamt 360.000 der nützlichen Insekten auf allerengstem Raum.

Ein Fehler und alles ist zunichte

„Landwirtschaft ist wie eine Sucht“, sagt er. „Man arbeitet über das ganze Jahr auf den Ertrag hin. Macht man nur einen groben Fehler, gibt es keinen Ertrag.“ Einer dieser Fehler könnte das bei Imkern gefürchtete Schwärmen sein. Deshalb untersucht Max akribisch jede einzelne Kiste, Zarge genannt. Solch eine Zarge wiegt an die 25 Kilo, schätzt Max, gefühlt ist sie aber deutlich schwerer – an die 30 Kilo nehme ich an. Ich kann sie jedenfalls um keinen Zentimeter anheben. Und auch Max kann sie mittlerweile nicht mehr herumwuchten, zu viele Jahre harter Arbeit lasten auf seinen Schultern. Aber Timo Stark kann das, der ewig hilfsbereite Nachbar, ein kräftiger junger Mann. „Ein Glück, dass ich ihn habe“, sagt Max.

Timo Stark (rechts) ist mittlerweile Max Voß‘ wichtigste Stütze und macht seinem Namen alle Ehre

Max öffnet den Deckel, zieht nacheinander die einzelnen Waben heraus und begutachtet die einzelnen Zellen. „Alles okay“, sagt er. Deckel drauf, Timo hievt die Zarge beiseite. So geht es fort, bis zur übernächsten Kiste, die beiden machen nicht viele Worte. „Guck mal hier, hier ist eine Weiselzelle. Die breche ich jetzt raus“, sagt Max beinahe schuldbewusst, greift aber entschlossen zum Beitel und knipst die Weiselzelle weg.

Bienen nützen heißt, sie schützen

Goldgräberstimmung: Ist der Wachsdeckel erst abgeschabt, kann der Honig aus den Waben fließen

Für Max sind Bienen faszinierende Tiere. „Wie die sich organisieren, das ist schon ein Wunder“, sagt er. Aber ihm geht es, wie jedem anderen Imker auch, um einen möglichst reichen Ertrag. Das Schwärmen eines halben Volkes wäre da schwer zu verkraften. Schmerzhafter ist nur der massenhafte Verlust durch einen Schädling, der die Beute heimsucht: die Varroamilbe. Das ist ein aus Ostasien eingeschleppter Parasit, der die Bienen und ihre Brut auf vielfältige Weise schwächt. „Die nisten sich mit Vorliebe in Drohnenzellen ein“, weiß Max. Deshalb muss er auch dem männlichen Nachwuchs zu Leibe rücken. Wieder zieht er eine Wabe heraus. Deutlich stehen die mit Wachs verdeckelten Zellen hervor, denn die Larven der Männchen sind deutlich größer als die der Weibchen. Beherzt bricht Max den größten Teil heraus. „Ein paar muss ich schon im Stock belassen“, sagt er, „denn ohne Drohnen gäbe es keinen Nachwuchs, und ohne Nachwuchs keinen Honig.“

Fast einen halben Tag bringen Max und Timo mit dem „Säubern“ des Bienenstocks zu. Dann ist es genug für heute. Jetzt geht’s für Max erst einmal nach Hause zu seiner Frau Erika. Pause machen, ausruhen und Kraft schöpfen für den nächsten Tag. Dann werden die prall mit flüssiger Süßigkeit gefüllten Waben geschleudert, für den ersten Honig der Saison.

Info Wer in den Genuss von Max Voß‘ Rapshonig kommen will, muss sich sputen. Der Haustürverkauf startet etwa am 10. Juni 2020 in Cismarfelde 1, 23743 Grömitz-Cismar.
Öffnungszeiten Gibt’s nicht. Der Hausherr meint: „Einfach klingeln! Wenn keiner da ist, dann habt ihr Pech gehabt.“

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Raps: Das Gold Ostholsteins

Heute wollen die Wolken über dem Ostseeferienland einfach nicht weichen. Hartnäckig raubt eine geschlossene Decke dem Grün der Landschaft seine Strahlkraft. Das Gelb des Rapsfelds leuchtet sogar bei dieser trüben Stimmung, aber der betörende Blütenduft, der einen bei einem Spaziergang in sonniger Wärme ganz beschwipst machen kann, kitzelt nur noch als feiner Hauch die Nase.

Oke Steensen bei der Kontrolle seines Rapsfeldes

Auch Oke Steensens sonst strahlendes Gesicht ist bewölkt. Er streift durch den Raps, knipst hier und da eine Blüte ab und pult sie mit den Fingernägeln auseinander. „Da, da ist schon wieder einer“, sagt er. „Das ist ein Kohlschotenrüssler, der legt seine Eier in den Schoten ab. Daraus entstehen Larven, die den Schotenansatz auffressen.Wenn dann noch die Kohlschotenmücke dazukommt, müssen wir mit Ernteausfällen rechnen. Da hilft nur noch hoffen, dass alles gut geht, denn um Pflanzenschutzmittel auszubringen, ist es jetzt zu spät.“

Eine Weide für Bienen und andere Insekten

Die sich goldgelb im beständigen Wind der Ostsee wiegenden Rapsfelder sehen aus wie ein Frühsommermärchen. In diesem blühenden Mikrokosmos tummeln sich Hunderttausende Bienen, die hier den Nektar für die erste Tracht des Jahres sammeln. Zwischen diesen nützlichen Insekten, die nur zum Naschen vorbeischauen, lassen sich an der kohlartigen Pflanze aber einige Schädlinge dauerhaft nieder, etwa der Rapsstängelrüssler, der Kohltriebrüssler und eben auch die Kohlschotenmücke und der Kohlschotenrüssler. Sie finden in den langen Stängeln oder Schoten ideale Brutstuben für ihre Larven. Vor allem der Rapsglanzkäfer, der die Blüten abfrisst, kann zu Totalausfällen führen, weshalb ökologisch angebauter Raps (laut Ökolandbau) mit 0,2 Prozent Anteil an der gesamten deutschen Rapsanbaufläche eine Ausnahmeerscheinung ist. 

Ob sich ein möglicher Ernteschaden in Grenzen halten wird? Das wird sich erst in ein paar Wochen zeigen. Zwar neigt sich in diesen Tagen die Rapsblüte dem Ende zu, doch erst im Juli werden die ausgereiften Schoten gedroschen. Und dann fallen wieder einige Zentner Saat ab, aus der flüssiges Gold aus Ostholstein gewonnen wird.

Gesundes aus der Flasche

Blüte, Korn und Rapskuchen

Zuhause, auf Steensens Bauernhof, hält Oke Milchvieh. Für die Rinder ist Raps energiereiches Futter. Aus den Körnern lässt sich aber auch ein ernährungsphysiologisch wertvolles Öl gewinnen. Einige Zentner Rapssaat aus der letzten Ernte hat Oke Steensen noch von Nachbarn ergattern können. Die hängen in einem großen Sack im oberen Geschoss des alten Speichers und rieseln von dort direkt in die Ölpresse. Auf der einen Seite fließt kalt gepresstes Öl, auf der anderen Seite fallen die festen Bestandteile als pelletförmiger Rapskuchen in die Schubkarre, um als eiweißreiches Kraftfutter in den Trögen der Milchkühe zu landen.

„Sieht das nicht herrlich aus?!“, sagt Oke, während er zusammen mit seiner Frau Eike das sonnengelbe Rapsöl in Flaschen abfüllt. Das sieht nicht nur herrlich aus, es schmeckt auch so und ist zudem gesund. Es enthält das antioxidativ wirkende Vitamin E und liefert eine optimale Balance von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die dabei helfen, einen zu hohen Spiegel an schädlichem LDL-Cholesterin im Blut zu senken.

Das Schönste daran aber ist, dass jeder Esslöffel einem die Wartezeit auf die Rapsblüte im nächsten Jahr verkürzt.

* Das gute Rapsöl bekommt ihr im Regiomaten von Steensens Bauernhof (www.steensens-bauernhof.de), Cismarfelde 16,
23743 Grömitz-Cismar

Rapsöl: Vom Leuchtmittel zum Küchenliebling

Ursprünglich stammt die Ölpflanze aus dem östlichen Mittelmeerraum. Angeblich war sie schon bei den alten Römern bekannt und wurde zur Gewinnung von Speise-, vor allem aber von Lampenöl verwendet. Hierzulande galt Raps, neben dem artverwandten Rübsen, im 16./17. Jahrhundert als wichtigste Brennstofflieferant für Öllampen. Als Öl in der Küche kam es wegen seines bitteren Geschmacks bestenfalls in Hungerperioden auf den Tisch. Erst ab etwa Mitte der 1970er Jahre kamen Neuzüchtungen auf den Markt, die nur noch geringe Mengen der bitteren Erucasäure enthielten und nahezu frei waren von giftigen Senfölgylkosiden. So konnten die neuen Sorten bedenkenlos als Speiseöl verwendet werden. Raps als nachwachsender Rohstoff ist auch Bestandteil der Biokraftstoffe.

Gut zu wissen

Ob aus Oliven, Leinsaat, Disteln oder Sonnenblumen gepresst – es gibt verschiedene Pflanzenölkategorien. Was die einzelnen Bezeichnung bedeuten

Nativ: Wird aus geschälter oder ungeschälter Saat ohne Wärmezufuhr gewonnen. Bitte nur für die kalte Küche verwenden, da es nicht erhitzt werden darf.

Kalt gepresst: wird aus ausgewählter Saat und besonders schonend hergestellt.

Nicht raffiniert nennt man natives Öl, das zur Erhöhung der Haltbarkeit mit Wasserdampf behandelt wurde.

Raffiniert: Gepresst oder extrahiert mithilfe von chemischen Lösemitteln und Wärmezufuhr. Kann zum höher temperierten Braten und Kochen verwendet werden.