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Kloster Cismar-Ausstellung: Zum Fressen gern …

Zum Fressen gern … der Titel der aktuellen Ausstellung im Kloster Cismar hat mich neugierig gemacht. Mir selbst fällt eine Menge ein, was ich zum Fressen gernhabe: meine Tochter, den Bärlauch im Garten, meinen Hund Frida, meinen besten Freund … Das ist in diesem Zusammenhang natürlich nur ein geflügeltes Wort für eine ausgeprägte Form der Zuneigung. Im Tierreich hingegen bezeichnet das Fressen und Gefressenwerden die Notwendigkeit des Überlebens. Und da bleibt es nicht aus, dass uns Menschen etwas abhandenkommt, was uns lieb und teuer ist. Kulturschätze zum Beispiel gehören dazu. Was passiert, wenn Kleinstlebewesen den Bestand jahrhundertalter Bücher gefährden, mussten die Mönche des Benediktinerstifts Admont erfahren.

Dorothea Jöllenbeck führt durch die Ausstellung
Foto: Strandkorb-Geflüster/C.Reshöft

Schädlinge drohten die wertvollen Bände in ihrer weltgrößten Klosterbibliothek für immer zu zerstören. „Das brachte die Ordensmänner auf die Idee, das Jahresmotto ‚Zum Fressen gern‘ zu entwickeln“, erklärt Dorothea Jöllenbeck, die im Auftrag der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen durch die Ausstellung im Kloster Cismar führt. „Diesem Motto folgend, entstand ein facettenreicher Veranstaltungszyklus. Und sie luden die auf historische Sammlungen spezialisierten Berliner Fotografen Sebastian Köpcke und Volker Weinhold nach Admont ein, um eine ganz eigene Interpretation zu finden“, so Jöllenbeck.

Erleuchtung inklusive

#Corona folgend wurden die Ausstellungsräume im 1. Obergeschoss des Klosters Cismar zur Einbahnstraße erklärt. Gleich zu Beginn zieht es mich magisch zu einem Bild, auf dem der „Heilige Geist“ in Form einer holzgeschnitzten Taube über einem Igel schwebt. Umgeben ist das Stacheltier von geradezu paradiesischen Früchten, die dem Admonter Wachsobst-Museum entstammen. „Eine zugegeben gewagte Inszenierung. Anfangs hatten sich die Fotografen auch gesorgt, das Bild könnte von ihren Auftraggebern, den Mönchen, als Blasphemie abgelehnt werden, aber die Benediktiner zeigten sich aufgeklärt und nahmen es mit Humor“, erklärt Dorothea Jöllenbeck.

Ausschnitt aus dem Einführungsvideo zur Ausstellung

Die komplette Video-Einführung zur Ausstellung „Zum Fressen gern“ durch Dorothea Jöllenbeck könnt ihr auf meiner Facebook-Seite anschauen

Fotoausstellung "Zum Fressen gern" im Kloster Cismar

Fotoausstellung "Zum Fressen gern" im Kloster Cismar: Dorothea Jöllenbeck erklärt, die "photograpischen Einblicke in den Benediktinerstift Admont"

Gepostet von Strandkorbgeflüster am Dienstag, 7. Juli 2020

Noch mehr über Kunst im Ostseeferienland findet ihr hier https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/06/26/von-knicks-kueken-und-kreislaeufen-in-der-landwirtschaft/

Augenzwinkernde Inszenierung

Köpcke und Weinhold hatten vier Wochen Zeit, aus den reichen Schätzen des Kulturhistorischen und Naturhistorischen Museums im Benediktinerstift Admont die passenden „Hauptdarsteller“ für ihre an Gemälde erinnernden Arrangements zu suchen. Die bisweilen über hundertjährige Präparate, Aufzeichnungen und Rezepte haben sie vor schwarzem Tuch im Stil von Jagd- und Küchenstillleben der Renaissance inszeniert.


Das Ergebnis ist eine ebenso liebevolle wie hintersinnige Fotoausstellung im Kloster Cismar, die Dr. Carsten Fleischhauer aus Schloss Gottorf kuratiert hat. Köpcke und Weinhold verweisen im ersten Saal auf überraschende Größenverhältnisse, etwa wenn ein Strauß ein Ei in eine Kinderwiege legt oder ein kleiner Kolibri sich auf einer Nautilusschnecke niederlässt. Doch zumeist handeln die faszinierenden Motive vom Fressen und Gefressenwerden. Etwa wenn geflügelte Beutegreifer, nebst Seehund über einer naturkundlichen Zeichnung von Fischen lauern. Oder ein von einem Schwarm furchterregender Raubfische eskortierter Kugelfisch wirkt wie eine unheimliche Begegnung im Weltraum.

Wo Zuneigung durch den Magen geht

„Zum Fressen gern“ hatten Köpcke und Weinhold wohl auch ein paar höchst lebendige gute Klostergeister. Weil die beiden als Gäste im Stift Admont in den Genuss der guten Klosterküche kamen, haben sie den Küchenfrauen ein anspielungsreiches fotografisches Denkmal gesetzt. Denn die Liebe zu ihrer Aufgabe ging offenbar sprichwörtlich durch den Magen. ¶

„Zum Fressen gern“ ist noch bis zum 18. Oktober 2020 im
Kloster Cismar, Bäderstraße 42. https://kloster-cismar.sh/ zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

 Der Eintritt ist kostenlos; Spenden sind willkommen.
Geschlossene Gruppenführungen sind nach Anmeldung möglich.
 Ab 1. August finden wieder öffentliche Führungen statt:
Samstag 01. August um 10 Uhr
Sonntag 16. August um 11 Uhr
Samstag 29. August um 11 Uhr
Sonntag 13. September um 14 Uhr
Freitag 02. Oktober um 15 Uhr
Sonntag 18. Oktober um 15 Uhr
Kosten:3 Euro pro Person

 Anmeldung bitte per Mail an service@landesmuseen.sh
oder telefonisch unter 0 43 66 – 884 65 22.

Infos zum Benediktinerstift Admont unter www.stiftadmont.at

Infos zu den Sammlungsfotografen Sebastian Köpcke und Volker Weinhold unter http://sammlungsfotografen.de

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Imker aus Leidenschaft

Max Voß‘ Beuten auf dem Hof in Cismarfelde

Es ist endlich wärmer geworden an diesem Sonntag, ein paar Tage nach den Eisheiligen. Und Max Voß ist ein bisschen spät dran mit seiner Arbeit, wie er von den Kollegen gehört hat. „Wir hatten ja einen sonnig-warmen April und Mai und die Rapsblüte ist früh in diesem Jahr. Meine Imkerfreunde haben die erste Tracht schon geschleudert, nun muss das also losgehen“, sagt er, zieht seine blaue Arbeitsjacke an und marschiert von seinem Wohnhaus rüber zum Hof. In der Scheune streift er seine Schutzkleidung über die blaue Arbeitsjacke, schnappt sich sein Arbeitsgerät. Dann schaut er nach seinen Bienen. Denn bevor es ans Honigschleudern geht, wird in der „guten Stube“ der Immen erstmal aufgeräumt.

Jetzt, wo das Futterangebot reicher und es draußen wärmer wird, geraten die Bienen ins Schwärmen, denn im Bienenstock ist es durch die nachwachsende Generation eng geworden. Sogenannte Ammenbienen, die bisher mit der Pflege und Aufzucht der Brut beschäftigt waren, beginnen nun extra große Zellen zu bauen, die sogenannten Weiselzellen, aus denen neue Königinnen schlüpfen werden. „Sind die erst einmal da, folgen sie ihrem Schwarmtrieb und nehmen die Hälfte des Bienenvolkes mit sich“, sagt Max. Und weil er an seinen Tieren hängt, kann er das keinesfalls zulassen.

Die Tiere, das Draußensein sind ein Teil seiner selbst

Max Voß prüft den Wassergehalt des Nektars mit einem Refraktometer, mit dem auch der Öchslegrad von Wein bestimmt wird

Max Voß ist in seinem langen Leben schon vieles gewesen: Landwirt, Besamer, Feuerwehrmann, Mitstreiter beim Erhalt des historischen Klosters Cismar, Klosterjäger und sogar ein König, genauer gesagt: Schützenkönig beim Bürgervogelschießen der Freiwilligen Feuerwehr Cismar. Kurz: ein Mann jener Generation, die ohne Zögern anpackt, weil das „Wir“ und der Zusammenhalt an erster Stelle stehen. Zwei Dörfer weiter, in Manhagenerfelde (Gemeinde Lensahn), ist er als Sohn eines Kolonialwarenhändlers großgeworden. Aus Liebe zu seiner Frau Erika heiratete er, ein gelernter Landwirt, auf einen landwirtschaftlichen Betrieb in Cismarfelde ein. Doch in den 1970er Jahren reichten die 35 Hektar Acker und Weideland für das Milchvieh nicht mehr aus, um rentabel zu sein. Das Vieh wurde aufgegeben, das Land verpachtet. Also war Max 40 Jahre lang als Besamer unterwegs in der Region. Mit dem Sperma, das Zuchtbullen gespendet hatten, sorgte er für den Nachwuchs auf den ostholsteinischen Milchbetrieben, weshalb die Rinderbauern ihn scherzhaft den Beinamen „Rucksackbulle“ gaben. Neben Beruf und Ehrenamt nahm er sich noch Zeit für die Tiere, „zum Ausgleich“ wie er sagt.

Wunderwerk Wabe: Bienen „verständigen sich über engsten Körperkontakt

Doch die waren um vieles kleiner als die Rinder. Anfangs züchtete Max Hühner, dann Tauben – bis allergische Reaktionen der Geflügelleidenschaft ein Ende bereiteten. Aber wenn man mit der Natur aufgewachsen ist, dann wird sie Teil von einem selbst, ein Leben lang. Auch bei Max hörte das Sehnen nicht auf: nach eigenen Tieren, nach dem Draußensein. Also verlegte er sich aufs Imkern, so wie sein Vater, der 1942 im Krieg sein Leben verlor, da war Max gerade mal fünf Jahre alt. Und nun steht er selbst mit seinen 83 Jahren hier auf dem Hof der Schwiegereltern, vor seinen Bienen, mit denen er seine lebenslange Passion als Landwirt ausleben kann. Seit er über die nützlichen Insekten wacht, nennt er sich mit einer Mischung aus Stolz und Ironie „Massentierhalter“, denn in seinen neun Bienenstöcken leben insgesamt 360.000 der nützlichen Insekten auf allerengstem Raum.

Ein Fehler und alles ist zunichte

„Landwirtschaft ist wie eine Sucht“, sagt er. „Man arbeitet über das ganze Jahr auf den Ertrag hin. Macht man nur einen groben Fehler, gibt es keinen Ertrag.“ Einer dieser Fehler könnte das bei Imkern gefürchtete Schwärmen sein. Deshalb untersucht Max akribisch jede einzelne Kiste, Zarge genannt. Solch eine Zarge wiegt an die 25 Kilo, schätzt Max, gefühlt ist sie aber deutlich schwerer – an die 30 Kilo nehme ich an. Ich kann sie jedenfalls um keinen Zentimeter anheben. Und auch Max kann sie mittlerweile nicht mehr herumwuchten, zu viele Jahre harter Arbeit lasten auf seinen Schultern. Aber Timo Stark kann das, der ewig hilfsbereite Nachbar, ein kräftiger junger Mann. „Ein Glück, dass ich ihn habe“, sagt Max.

Timo Stark (rechts) ist mittlerweile Max Voß‘ wichtigste Stütze und macht seinem Namen alle Ehre

Max öffnet den Deckel, zieht nacheinander die einzelnen Waben heraus und begutachtet die einzelnen Zellen. „Alles okay“, sagt er. Deckel drauf, Timo hievt die Zarge beiseite. So geht es fort, bis zur übernächsten Kiste, die beiden machen nicht viele Worte. „Guck mal hier, hier ist eine Weiselzelle. Die breche ich jetzt raus“, sagt Max beinahe schuldbewusst, greift aber entschlossen zum Beitel und knipst die Weiselzelle weg.

Bienen nützen heißt, sie schützen

Goldgräberstimmung: Ist der Wachsdeckel erst abgeschabt, kann der Honig aus den Waben fließen

Für Max sind Bienen faszinierende Tiere. „Wie die sich organisieren, das ist schon ein Wunder“, sagt er. Aber ihm geht es, wie jedem anderen Imker auch, um einen möglichst reichen Ertrag. Das Schwärmen eines halben Volkes wäre da schwer zu verkraften. Schmerzhafter ist nur der massenhafte Verlust durch einen Schädling, der die Beute heimsucht: die Varroamilbe. Das ist ein aus Ostasien eingeschleppter Parasit, der die Bienen und ihre Brut auf vielfältige Weise schwächt. „Die nisten sich mit Vorliebe in Drohnenzellen ein“, weiß Max. Deshalb muss er auch dem männlichen Nachwuchs zu Leibe rücken. Wieder zieht er eine Wabe heraus. Deutlich stehen die mit Wachs verdeckelten Zellen hervor, denn die Larven der Männchen sind deutlich größer als die der Weibchen. Beherzt bricht Max den größten Teil heraus. „Ein paar muss ich schon im Stock belassen“, sagt er, „denn ohne Drohnen gäbe es keinen Nachwuchs, und ohne Nachwuchs keinen Honig.“

Fast einen halben Tag bringen Max und Timo mit dem „Säubern“ des Bienenstocks zu. Dann ist es genug für heute. Jetzt geht’s für Max erst einmal nach Hause zu seiner Frau Erika. Pause machen, ausruhen und Kraft schöpfen für den nächsten Tag. Dann werden die prall mit flüssiger Süßigkeit gefüllten Waben geschleudert, für den ersten Honig der Saison.

Info Wer in den Genuss von Max Voß‘ Rapshonig kommen will, muss sich sputen. Der Haustürverkauf startet etwa am 10. Juni 2020 in Cismarfelde 1, 23743 Grömitz-Cismar.
Öffnungszeiten Gibt’s nicht. Der Hausherr meint: „Einfach klingeln! Wenn keiner da ist, dann habt ihr Pech gehabt.“

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Meeres-Rauschen

Potzblitz: ein Donnerkeil!

Der Ostwind hat wieder mal Unmengen von Seegras, Steinen, Muscheln und Meerschnecken an Land gespült. Aber nicht nur an Tagen wie diesen vergeht kein Spaziergang am Strand ohne Sachensuchen. Meine Augen scannen im Vorbeigehen die Stellen ab, an denen besonders viele Kiesel angeschwemmt wurden, immer auf der Suche nach Donnerkeilen. Früher gab’s die zuhauf am Ostseestrand der Lübecker Bucht. Ich habe sie gesammelt – für einen Vorhang. Aufziehen wollte ich sie, an dicken Nylonfäden, einen nach dem anderen … bis mir klar wurde, dass wohl kein Türrahmen das Gewicht aushalten würde. Dann habe ich meine Sammlung verschenkt, um das schon einige Zeit später bereut. Jetzt sammele ich wieder …
Ha, ich hab‘ einen gefunden! Und frage doch gleich mal bei Dr. Vollrath Wiese nach. Der Museumsleiter im Haus der Natur in Cismar kennt sich nämlich mit so etwas aus.

Textfeld: (Porträtfoto) 
Dr. Vollrath Wiese ist ein Doktor. Aber keiner, der einen von Hühneraugen befreit oder Knochen repariert, sondern promovierter Erziehungswissenschaftler. Und er ist ganz verrückt nach Muscheln und Schnecken. Also hat er sich als Biologe auf diese sogenannten Mollusken spezialisiert. Von denen hat er Tausende gesammelt, genauso wie andere spannende Sachen aus dem Meer, vom Strand und an Land und 1979 das Haus der Natur im Klosterdorf Cismar gegründet.
Dr. Vollrath Wiese ist ein Doktor. Aber keiner,
der einen von Hühneraugen befreit oder Knochen repariert, sondern ein promovierter Erziehungswissenschaftler. Und er ist ganz verrückt nach Muscheln und Schnecken. Also hat er sich als Biologe auf diese sogenannten Mollusken spezialisiert. Von denen hat er Tausende gesammelt, genauso wie andere spannende Sachen aus dem Meer, vom Strand und an Land und 1979 das Haus der Natur im Klosterdorf Cismar gegründet.

Moin, Vollrath, guck mal, was ich gefunden habe …

Dr. Vollrath Wiese: Ah, das Stück eines versteinerten Belemniten!

Ich dachte, das ist ein Donnerkeil …
Ja, so wird der ja auch genannt.Dieser volkstümliche Name kommt daher, dass die Menschen bei Gewitter vor ein paar Jahrhunderten noch glaubten, mit den Blitzen schleudere der Donnergott Keile auf die Erde, eben diese Donnerkeile. Um Blitzschläge abzuwenden, legten sie die Versteinerungen unter ihre Hausdächer. Manche trugen sie auch als Schutz gegen einen Hexenschuss bei sich.

So sahen die Belemniten aus. Aber sie waren natürlich viel größer als dieses Modell, nämlich einige Meter lang

Klingt lustig, aber wer wissenschaftlich arbeitet wie du, weiß natürlich, dass Donnergötter ins Reich der Mythen gehört.
Wer weiß, vielleicht hat es Donnergötter ja mal gegeben, aber einen Beweis dafür gibt es nicht (lacht) – im Gegensatz zu ihren Keilen, die natürlich keine echten Donnerkeile sind. Es sind die Schwanzspitzen eines Belemniten, oder besser gesagt: die Verlängerung ihrer Rückenplatte. Belemniten sind übrigens fossile Kopffüßer, die zur Gruppe der Tintenfische gehören und in der Kreidezeit gelebt haben, also vor rund 70 Millionen Jahren. Aber dann sind sie ausgestorben, zusammen mit den Dinosauriern. Die Donnerkeile, die wir hier am Ostseestrand finden, waren auch mal länger, sind aber meistens durch den Gletschertransport der Eiszeit zerbrochen

Erst das große Aussterben der Belemniten, jetzt gibt’s auch immer weniger Donnerkeile. Darf ich diesen behalten, oder fällt der etwa unter den Artenschutz?

Gute Frage! Tatsächlich fallen bestimmte Muschel- und Schneckenschalen unter den Artenschutz. Aber klar kannst du deinen Donnerkeil behalten, solange du keinen Laden damit aufmachst …

Info Vollrath Wiese bietet in Kellenhusen und Grömitz unter dem Motto „Erlebnis Ostsee“ Naturführungen an.
Adresse Haus der Natur, Bäderstraße 26, 23743 Cismar,
Tel. 04366 – 1288, www.hausdernatur.de

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Wie die Kunst
zu den Bauern kam

An der B 501, zwischen Grube in Ostholstein und Heringsdorf, liegt der Rosenhof. Die umliegenden Äcker werden von einem Landwirt bewirtschaftet. An einer seiner Scheunen hat er ein Transparent befestigt, so groß, dass keiner daran vorbeifahren kann. Darauf steht „Ihr sät nicht und ihr erntet nicht, aber ihr wisst alles besser … Liebe Landwirtschaftskritiker, sprecht mit uns, nicht über uns.“  Dieser Aufforderung kommt LANDKUNSTSTÜCK gerne nach. Der gleichnamige Verein, den wir vor fünf Jahren gegründet haben, möchte Einheimische und Gäste des Ostseeferienlandes über die Kunst zum Dialog mit den Landwirten einladen.

Und das kam so …

Mein langjähriger Kollege und Freund Ekkehard Briese besuchte mich mal wieder auf dem Land in Ostholstein. Er träumte seit seiner Studienzeit davon, ein Kunstprojekt auf dem Land zu realisieren. Als wir in meinem Garten zusammensaßen, erzählte ich ihm von einem Milchbauern, den ich als Journalistin anderthalb Jahre begleitet hatte. Ein Landwirt, der sehr selbstkritisch auf das blickt, was er tut. Einer, der wie viele andere tagtäglich den Spagat übt zwischen dem, was er als gläubiger Christ der Schöpfung schuldig zu sein glaubt – und der Notwendigkeit des wirtschaftlichen Überlebens seines Betriebs. Im ständigen Abwägen muss er oft genug seinen Verstand nutzen, ohne sein Herz dabei zu verlieren. 

Baum – Mensch – Baum: Skulptur der Künstlerin Margit Huch auf Bokhorst bei Kellenhusen

Er erzählte mir von den Herausforderungen, vor denen er, seine Familie und seine Kollegen stehen. Von dem Spagat, den die Obst- und Ackerbauern und Viehhalter leisten müssen: zwischen dem Weltmarkt und den Lebensmitteleinzelhandels-Riesen, die ihnen die Preise diktieren, dem Klimawandel und der Technisierung, zwischen den Verbrauchern, die billig essen wollen, und den Ausflüglern, die süße Ferkel und Kälber über die Wiesen toben sehen wollen, und den Umweltschützern, die die Natur bedroht sehen. Ganz schön viel auf einmal, wenn einem alle reinreden wollen in einen Beruf, von dem die meisten nichts verstehen, oder?  

Miteinander schnacken statt übereinander

Ekkehard, der Kunstverständige, hatte sich für sein Landart-Projekt die Marke LANDKUNSTSTÜCK schon schützen lassen und plante, die Kunst durch eine Fahrradroute miteinander zu verbinden. Mir war es wichtig, dass die Leute miteinander ins Gespräch kommen: die Landwirte mit den Künstlern, die Künstler mit den Verbrauchern und die Verbraucher mit den Landwirten. Damit war die Idee zu dem Projekt LANDKUNSTSTÜCK, wie es heute ist, geboren. 

Auch auf dem Land wird ja viel übereinander geschnackt statt miteinander. Nach meiner Erfahrung fühlt es sich für alle schöner, runder und aufrichtiger an, wenn man mal sich erkundigt, warum jemand etwas macht und auf welche Weise er es tut. Denn mit interessierten Fragen statt vorschnellen Urteilen lässt sich vieles besser verstehen. 

von bienen und blüten: Gedicht von Doris Runge für den Apfelhof Grimm bei Cismar

Dennoch war es ein oft nicht ganz einfacher Weg, die Bauern für die Idee zu erwärmen, dass wir ihnen ein paar Stücke Kunst auf das Land stellen wollten. Umso mehr habe ich mich über das Vertrauen gefreut, als die ersten Bauern Ja sagten und sich auf dieses Experiment eingelassen haben. Denn mit LANDKUNSTSTÜCK werden Kunst und Landwirtschaft erlebbar und erfahrbar. Unmittelbar, jenseits von Klischees und abseits von Museen. Jederzeit zugänglich und kostenlos für jedermann, ideologiefrei und unparteiisch. 

Abschied von Bullerbü

Mittlerweile stehen zwischen Grömitz, Cismar, Kellenhusen, Grube und Lensahn acht Skulpturen und Installationen. Die Knolle etwa, die Ulf Reisener und Ingo Warnke (www.heiliger-schein.de) für Steensens Bauernhof http://www.steensens-bauernhof.de geschaffen haben, ist ein Symbol dafür, dass ein Landwirt heute auf einem Bein kaum noch stehen kann. Als eine Huldigung der ostholsteinischen Hügellandschaft darf der Stein wie eine Landschaft von Ulrich Lindow für den Hof Dammer in Kattenberg verstanden werden. In seiner Videoinstallation Splitter nimmt Jobst von Berg http://www.jobstvonberg.de im Silo auf Hof Körnick Abschied von der Bullerbü-Idylle, die der Künstler selbst einst mit dem bäuerlichen Tun verbunden hat. Der Bildhauer Johannes Caspersen http://www.johannes-caspersen.de hat sich mit dem Thema Landgewinnung für den Ackerbau auseinandergesetzt und die beiden Stammgäste im trockengelegten Gruber See geschaffen.  

Bäume, Bienen und Gedichte

Generationenallee: Winni Schaak für den Hof Siems in Riepsdorf

Die Künstlerin Margit Huch http://www.margit-huch.de hat sich mit dem Bioland-Landwirt Kay Axt in Bokhorst zusammengetan und ihre Installation Baum – Mensch – Baum geschaffen. Sigrid Stegemann hat sich in ihrer Installation Bodenpunkte auf den Salzwiesen von Hof Hopp http://www.freizeitreiten-hopp.de in Lenste mit der Bodenfruchtbarkeit beschäftigt. Für den Bioland-Apfelhof Grimm hat die Lyrikerin Doris Runge aus dem Weißen Haus in Cismar mit einem Gedicht den bienen und blüten ein Denkmal gesetzt. Und der Bildhauer Winni Schaak (www.winnischaak.de) ist mit seiner Generationen-Allee bei dem Schweinemäster und Sauenhalter Carsten Siems in Riepsdorf zu Gast.

Vielleicht habt ihr ja auch mal Lust, mit einem der Bauern ins Gespräch zu kommen? Dann schwingt euch aufs Fahrrad und entdeckt das schöne Achterland im Ostseefreienland

Mehr Infos, auch zu Terminen und Routen, unter www.landkunststück.de