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Reise-Geflüster

Veneto: Reise in die
Heimat des Proseccos

Es ist gar nicht so einfach, des Rebstocks Herr zu werden. Die Wärme hat die Triebe der Glera-Traube auf Peitschenlänge wuchern lassen. Mirco Grotto kann sich auf die Zehenspitzen stellen und die Hände noch so weit recken, und doch reicht der 1,83 Meter-Mann nicht so weit an die rankenden Spitzen heran, dass er sie um den Spalierdraht winden kann. Also nimmt er einen Hocker zu Hilfe. Daraufhin steht er mit zwei Beinen am Abgrund der steil abfallenden Weinterrasse – ein Bild, das man sich kaum anschauen kann, ohne nervös zu werden. Und eines, das sich im September zur Weinlese wiederholen wird.
Ja, die heldenhafte Arbeit am Hügel Cartizze ist eine Herausforderung. Und zugleich das größte Glück – für die Winzer wie auch für die Liebhaber des besten Proseccos der Welt.

Mirco Grotto auf dem Weg zum Cartizze-Gipfel (Foto: C. Reshöft)

Ein Prickeln, das die Weinbauern zum Schäumen bringt

Prosecco? Bei diesem Wort denkt so mancher an die bei Damenrunden so beliebte, süffige Variante aus dem Supermarkt. Oder an das blubbernde Gebräu in Dosen, das Mitte der Nullerjahre, von einer grellblonden Milliardenerbin angepriesen, für Furore auf dem Markt der Prickeldrinks sorgte und den Spumante in den Verruf des Massenfusels brachte. Der ramponierte Ruf des italienischen Exportschlagers versetzte die Weinbauern im Veneto derart ins Schäumen, sodass sie etwas zur Ehrenrettung des Proseccos unternehmen mussten. Mit Erfolg: Seit 2009 ist das 6.100 Hektar große Produktionsgebiet zwischen Conegliano und Valdobbiadene mit der kontrollierten und garantierten Herkunftsbezeichnung DOCG geschützt. Nun ist der Prosecco Superiore trockene Klasse statt süße Masse. Und der vom Cartizze ist die Krönung. 

Der Cartizze: Top-Lage für einige der besten Prosseccos (Foto: Claudia Reshöft)

Begehrte Top-Lage

Mirco Grotto sitzt nach getaner Arbeit in seinem Garten bei Santo Stefano. Er blickt auf die besonders begehrte Lage des DOCG-Gebiets. 110 Weinbauern, zu denen auch er gehört, teilen sich die 107 Hektar extremen Steilhänge, die über Jahrmillionen von Moränenablagerungen, Sandstein und Ton geformt wurden. Tagsüber wird der Weinberg Cartizze von der Sonne geküsst, in den kühlen Nächten streichelt ihn der Wind. Es sind das milde Mikroklima und der uralte Boden, die dem sortenreinen Superiore di Cartizze seinen außergewöhnlichen Charakter verleihen. In blassem Strohgelb, mit grünlichen Reflexen perlt der Prosecco in dem Kelchglas, das Mirco uns reicht. Für uns ein unerwartet trockener Genuss von leicht spröder Noblesse, überraschend frisch, mit einer Note von Pfirsich und Aprikose.  „Dies ist der Zero, mit null Prozent Restzucker. Er ist gemacht für ein paar wenige, die seine Reinheit zu schätzen wissen“, sagt Mirco mit dem Stolz eines Passionierten, der eine Schwäche für Raritäten pflegt. 

Mirco Grottos Ziel: Zero Zucker

Mirco Grotto vom Weingut Garbara serviert einen Prosecco superiore Cartizze
Von Mirco Grotto kühl serviert: Prosecco superiore Cartizze auf dem Weingut Garbara
(Foto: Claudia Reshöft)

Die Liebe zu dem, was er tut, wurde ihm in die Wiege gelegt. Mirco wuchs im Veneto auf dem Weingut Garbara (www.garbara.it) zwischen Rebstöcken auf. Sogar während der zwei Jahrzehnte, die er als leitender Angestellter in Brillenindustrie engagiert war, half er bei Ernte und Pflege am Steilhang. Als sein Vater Ambrogio die schwere und gefährliche Arbeit nicht mehr allein bewältigen konnte, kehrte Mirco zurück. Mit dem Ehrgeiz, einen Prosecco superiore zu schaffen, wie er nie dagewesen war. Als er aufs Ganze ging und einen seiner ohnehin trockenen Cartizze von jeglichem Restzucker befreite, meinte ein Freund: „Den kannst du nicht verkaufen!“ Mirco Grotto aber war überzeugt: „Wenn man einen Wein macht, den man liebt, findet man auch seine Klienten.“ Und die stehen Schlange, denn von seinem Garbara Zero werden nur 6.000 Flaschen pro Jahr abgefüllt. https://garbara.it/de/

Die alten Weinstöcke der
Sorelle Bronca

Das Weingut der Schwestern Antonella und Ersiliana Bronca, nur wenige Kilometer vom Cartizze entfernt, erscheint mit seinen
25 Hektar im Vergleich mit Garbara wie ein Riese. In der Produktionshalle glänzen Edelstahltanks, Kühlaggregate surren und chromblitzende Rohrleitungen pumpen den Most von einem Tank in den anderen. Prosecco-Erzeugung ist eine Hightech-Produktion, so viel ist klar. Dem voraus geht jedoch die Arbeit im Weinberg, die in der gesamten DOCG-Region (www.prosecco.it) ausschließlich von Hand bewältigt wird.

Die Schwestern Bronca im Keller des Weinguts (Foto: C. Reshöft)

Antonella fährt mit mir in die Hügel von Colbertaldo. Zu Fuß geht es steil bergan, vorbei an Felsabbrüchen, die den kalk- und mineralhaltigen Boden erkennen lassen. Antonella streicht mit der Hand durch das dichte Weinlaub und greift nach einer Glera-Traube, die ein paar Wochen später zu goldgelben Beeren gereift sein wird. „Diese Weinstöcke sind über 40 Jahre alt und bringen eine exzellente Qualität hervor“, sagt sie. Und die ist gerade gut genug für ihren mehrfach prämierten Prosecco superiore, der so heißt wie die Parzelle auf der wir soeben stehen: Particella 68.

Flasche Prosecco vom Weingut Sorelle Bronca
Ausgezeichneter Proseco: Particella 68 (Foto: C. Reshöft)

Allein unter Männern

Es war nicht vorgesehen, dass Antonella und Ersiliana einmal den Familienbetrieb übernehmen würden. „Wir gehören zu einer Generation, in der Frauen eine Ausbildung machten, heirateten und Kinder bekamen. Die Handlese im Weinberg, die Vinifikation – das war Männersache“, erinnert sie sich. Aber dann starb der Vater vor 25 Jahren plötzlich. Für Antonella und ihre Schwester war es keine Frage: Wir machen weiter. Anfangs hatten die Frauen es schwer, sich in der Männerdomäne zu behaupten. Über die Jahre haben sie aber mit Feingefühl und viel Verstand so fein ausbalancierte Prosecchi Superiore geschaffen, dass es den männlichen Kollegen Respekt abnötigt. Mittlerweile reist Antonella als Botschafterin ihres Weinguts, aber auch für die gesamte DOCG-Region zu Symposien und Kongressen. Denn in der Heimat des Proseccos wird nicht nur perlender Spumante superiore gekeltert, auch stille Weine in Rot und Weiß, die so charakteristisch sind wie das Land. http://www.sorellebronca.com/

Prosecco-Hügel von Coneglanio-Valdobbiadene
Die lieblichen Hügel von Conegliano-Valdobbiadene sind die Heimat des Proseecco superiore. Die UNESCO hat die Landschaft nahe Venedig zum Weltkulturerbe erklärt

Ein Hauch Sommerfrische

Liebliche Hügel, über die das nahe Meer beständig eine leichte Brise sendet. Eine überbordende Flora und Fauna. Dazwischen schmiegen sich pittoreske Städtchen, Burgen, Schlösser und Klöster. Es ist kein Wunder, dass die wohlhabenden Venezianer die Region einst als ihren Garten für die Sommerfrische betrachteten. Mittlerweile gehören die lieblichen Hügel, die Heimat des Proseccos, zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Diese kulturelle Vielfalt zu erhalten, die Böden zu schonen und Gutes besser zu machen statt mehr vom weniger Guten – das haben sich die Weinbauern vorgenommen. Dies ist auch ein Ziel von Federico Ricci vom Landgut Le Fade (www.lefade.com) bei Susegana. 

Federico Ricci: Rocker mit einer Schwäche für Rote

Weinbauer-Sprössling Federicco Ricci im Weinberg
Federico Ricci vom Weingut Le Fade (Foto: Claudia Reshöft)

Mit Hipster-Bart und „Jesus looks like me“ auf dem von der Arbeit angegrauten weißen T-Shirt steigt der Spross des Großgrundbesitzers Luca Ricci samt Cocker-Hündin Uva (ital. für „Traube“) in den Jeep. In rasantem Tempo jagt er über die Straße. An einem Waldstück öffnet sich ein schmiedeeisernes Tor,. Weiter geht es über Stock und Stein durch ausgedehnte Weinhänge. Etwas versteckt verbirgt sich hinter einer Böschung ein Refugium des Ricci-Imperiums. Unterhalb eines Felsens sind vor wenigen Jahren junge Weinstöcke gepflanzt worden. An ihren Füßen sammeln sich Beikräuter. Hin und wieder bückt sich Federico, um Ampfergewächse mitsamt der Wurzel herauszuziehen. „Wir experimentieren zurzeit mit einer anderen Form der Bodenbearbeitung. Das wilde Kraut zwischen den Zeilen wird untergepflügt, denn es nimmt den Reben Nährstoffe und Oberflächenwasser weg. Der Vorteil gegenüber chemischer Unkrautbekämpfung ist: Im Boden fördert das Grün die Humusbildung. So bleiben die nützlichen Insekten und Bodenbakterien erhalten. Das kommt auch unseren Weinen zugute“, meint Federico. 

Salute, Spumante superiore!

Am Abend eines langen Tages lädt er uns noch auf ein Glas in die Halle des Landguts Le Fade ein. Wir stoßen am Kamin mit einem perlenden, extra trockenen DOCG-Prosecco aus den eigenen Weinbergen an – was sonst. Wir prosten uns noch mit einem stillen, harmonisch-rundem Roten an, einem Merlot namens Baúsk. Auch dessen Heimat liegt in den Hügeln zwischen Conegliano und Valdobbiadene, wo es noch viel zu entdecken gibt. Deshalb sage ich an dieser Stelle: Salute, Spumante superiore!

Strandkorb-Geflüster-Autorin Claudia Reshöft mit Freundin Renate und einem Glas Prosecco
In bester Gesellschaft: Claudia Reshöft mit Freundin Renate und Prosecco (privat)

Mehr Reisegeflüster findet ihr hier:
https://www.strandkorb-gefluester.de/reise-gefluester/

Unterwegs in der Prosecco-Region

Autorin Claudia Reshöft (rechts) mit Freundin Renate auf Vespas von Rent Dolomiti
Auf der Vespa durch die Heimat des Proseccos (Foto: privat)

Die verschwiegenen Straßen und romantischen Städte erschließt man sich am fröhlichsten auf einer original italienischen Vespa. Super Service und geführte Tagestouren findet ihr bei Paolo Serravallo von Rent Dolomiti in Vittorio Veneto. www.vesparentdolomiti.it

Taxi Oriana
Mit Oriana auf Prosecco-Tour

Wer eine ausgedehnte Prosecco-Tour plant, sitzt besser nicht selbst am Steuerrad. Taxi-Königin Oriana kennt die besten Güter und die schönsten Strecken der Region. 5 Stunden, bis zu 6 Personen, 160 €, Tel.: +39 3404227040, http://www.orianancc.it

Noch mehr Genussadressen:
Weingüter & Restaurants

Weingüter

Außergewöhnlich und kompromisslos sind die Raritäten
von Silvano Follador auf dem Weingut Follador https://silvanofollador.it/

Die Villa Sandi mit ihren Spitzen-Prosecchi gehört zu den großen, mehrfach ausgezeichneten Erzeugern der Region. http://www.villasandi.it

Bei Marchiori lassen sich die für den DOCG-Prosecco verwendeten Trauben in Reinform probieren. www.marchioriwines.com

Restaurants

Tizianos Kräuterkreationen in dem zauberhaften Ristorante
Al Capitello in Tarzo sind einfach göttlich! www.ristorantealcapitello.com

Ein Garten wie im Paradies: Sternerestaurant La Corte mit dem Bistro La Cantinetta in Follina. www.lacortefollina.de

Fische und Meeresfrüchte in Vollendung werden im Ristorante
Ai Laghi
(Auf Facebook ailaghi@yahoo.it) in Revine Lago serviert. 

Das Interieur bezaubernd, die Küche gehoben bodenständig in der Osteria al Castellettoin Pedeguarda. www.alcastelletto.com

Hotels – zum Übernachten schön!

Zauberhafte Zimmer mit Aussicht und Pool im
Relais d’Arfanta in Tarzo. ANMERKUNG: Aufgrund der Covid-19-Situation ist der Saisoneröffnungstermin verschoben. Reservierung auf Anfrage http://www.relaisdarfanta.it

Schwelgen in venezianischer Opulenz in der
Villa Abbazia in Follina. http://www.hotelabbazia.it

Direkt neben dem ehrwürdigen Kloster in Follina liegt das
Dei Chiostri. www.hoteldeichiostri.com

Nicht verpassen!

Webmuster in der Textilweberei Lanificio Paoletti
Fundgrube für Textil-Liebhaber: die Lanificio Paoletti (Foto: Claudia Reshöft)

Ein Besuch in der traditionsreichen Textilweberei Lanificio Paoletti in Follina mit ihrem kleinen Museum ist für alle Liebhaber wunderbarer Stoff ein absolutes MUSS. www.lanificiopaoletti.it

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Naschen unterm Hollerbusch

Ringel, ringel, reihe, sind der Kinder dreie. Sitzen unterm Hollerbusch, machen alle Husch, Husch, Husch!

Erinnert ihr euch noch an den Reim? Als Kind habe ich ihn zwar mitgesungen, hatte aber keine Ahnung, was das für ein „Hollerbusch“ sein sollte. Denn wer wie ich im Norden großgeworden ist, kennt den Holunderbusch als Fliederbeerstrauch.
Eigentlich sind die beiden Sträucher ganz leicht zu unterscheiden: Der Gemeine Flieder blüht im Mai. Man kann seine Blüten essen. Die Fliederbeeren dagegen blühen im Juni. Ihre Blüten sind ebenfalls genießbar, am besten aber schmecken sie mir zu Sirup verarbeitet oder gebacken. Besonders lecker sind dann wieder die besagten Beeren. Sie wandern ab August ins Erntekörbchen und werden zu Saft und Suppe verarbeitet.
Aber noch ist es Frühsommer und an den Herbst mag ich jetzt nicht denken. Also habe ich die ersten weißen Dolden eingesammelt und Holunder-Sirup daraus gekocht. Der ist die Grundlage für eines meiner Lieblingsdessert, das so schön ist diese Jahreszeit passt.

Erdbeer-Joghurt-Parfait mit Holunder

Rezept für 6 Personen

  • 400 g Erdbeeren
  • 1 gehäuften EL Vollrohrzucker
  • 200 g Schlagsahne
  • 2 frische Eigelbe
  • 25 ml Holunderblütensirup
  • 25 g Zucker
  • 150 g Sahne-Joghurt
  • einige Holunderblüten und evtl. Erdbeeren für die Deko

Erdbeeren putzen, kleinschneiden und mit Vollrohrzucker pürieren. Sahne steif schlagen und kaltstellen.

Eigelb, Sirup und Zucker mit dem Handmixer über einem heißen Wasserbad dick-cremig aufschlagen. Im kalten Wasserbad die Creme so lange rühren, bis sie gut durchgekühlt ist.

Zuerst Joghurt unter die Masse ziehen, dann 2/3 des Erdbeerpürees (Rest beiseitestellen) und die Schlagsahne unterheben. Die Masse im Wechsel mit dem Rest Püree in Dessertschalen schichten. Danach mindestens 7 Stunden einfrieren.

Vor dem Servieren das Parfait ca. 30 Minuten antauen lassen. Gegebenenfalls löst ihr das Parfait durch Eintauchen in Heißwasser vom Rand und stürzt es dann auf die Dessertschale. Mit einigen Holunderblüten oder Erdbeeren garniert servieren.

Lasst es euch schmecken!

Welche Geheimnisse der Holunder birgt, verrät
Amely Gräfin Platen demnächst im Land-Lauschen
bei Claudias Strandkorb-Geflüster im Beitrag
Der Zauber des Holunders

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Die Würde des Menschen
ist antastbar

Der Tod kommt unerwartet, auch wenn genug Zeit blieb, um sich auf ihn vorzubereiten. Zwei Jahre hat er sich Zeit gelassen. Zwei Jahre sind eine lange Zeit für ein Kind, das gerade in die Schule gekommen ist, als seine Mutter schwer erkrankt. Und zwei Jahre Schmerzen und Leiden sind eine viel zu lange Zeit für die Mutter, die gern noch geblieben wäre. Bei ihrem Mann, ihren beiden Töchtern. Aber der Tod fragt nicht nach Sehnsucht, nach Liebe, nach Hoffnung. Beate Rincks Mutter starb an Krebs. Da war das Mädchen gerade mal acht Jahre alt. Vielleicht ist deswegen der Übergang vom Leben zum Tod ihr Thema. Ein Thema, das die meisten Menschen lieber verdrängen.
Hier erzählt Beate Rinck, Initiatorin des Fördervereins Hospiz Wagrien-Fehmarn e.V., warum der Tod ihr ebenso nah ist wie das Leben.

Die Unfassbarkeit des Todes

„Das Sterben begleitet mich schon seit meiner Kindheit in Niedersachsen. Als ich sechs Jahre alt war, erkrankte meine Mutter an Krebs. Ich erinnere mich noch genau an die Besuche im Krankenhaus, zwei Mal die Woche. Es gehörte zu meinem Alltag dazu, dass ich meine Mutter am Mittwoch und am Samstag oder Sonntag mit meinem Vater im Krankenhaus besuchte. Ich erinnere mich noch an das Krankenzimmer und den Blick auf hohe Bäume in denen Krähen wohnten. Es ist sehr lange her, aber ich habe fest daran geglaubt, dass meine Mutter wieder gesund wird. Etwas anderes ist für ein Kind dieses Alters ja auch nicht vorstellbar. Erst einige Tage bevor sie tatsächlich starb, klärte mich eine gute Bekannte der Familie auf Wunsch meines Vaters auf. Ich erinnere mich, dass ich sehr zornig auf die Frau war und ihr kein Wort geglaubt habe. Auch bei niemand anderen fragte ich nach, ob stimmt, was sie mir erzählte. Die Antwort wollte ich wohl nicht hören. Meine Mutter verstarb im Krankenhaus, ihr Bett war neben einen Schreibtisch im Arztzimmer geschoben, dort habe ich sie noch einmal gesehen.
Unsere Mutter unwiederbringlich verloren zu haben, war für mich und meine ältere Schwester nur schwer zu überwinden. Der Kummer über den Verlust der Mutter blieb, auch nachdem mein Vater sich – wohl auch aus ganz praktischen Erwägungen heraus – rasch wiederverheiratete.
Als ich 16 war, verstarb auch er völlig unerwartet nach einem Herzinfarkt. Diese beiden frühen Todesfälle haben sicher mein ganzes Leben geprägt. Aber das ist mir erst viel später bewusst geworden.“

Was ist richtig?

Der Tod und das Sterben haben Beate Rincks spätere berufliche Entwicklung beeinflusst. An der Medizinischen Hochschule in Hannover (MHH) machte sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester und blieb dort bis 1989 im Dienst. Die letzten sechs der insgesamt zehn Jahre arbeitete sie als Pflegekraft in der Transplantationsmedizin. Eine intensivmedizinische Abteilung, in der es sprichwörtlich um Leben und Tod geht. Um Hoffnung. Und um die Fragen: Welchen Wert hat ein Leben? Wird das neue Herz abgestoßen? Erhält ein Patient ein passendes Spenderorgan, das ihm noch Jahre qualitätvollen Lebens schenken kann? Oder stirbt er oder sie auf der Warteliste?
Sie weiß um die inneren Konflikte, die das Team tragen muss. Und auch die Ärzte, die sich dem Eid des Hippokrates verpflichtet fühlen. Der besagt unter anderem, … Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht … Im Klinikalltag aber können Ärzte nicht allein das Wohl, den Nutz und das Frommen im Blick behalten, die Forschung und auch ein gewisser betriebswirtschaftlicher Druck hält sie mitunter dazu an, Entscheidungen zu treffen, die zeitweise scheinbar weder der Würde, noch der Menschlichkeit dienen – speziell im Umgang mit Sterbenden. Das ergibt sich aus den intensivmedizinischen Möglichkeiten, die in einem Transplantationsbereich voll genutzt werden, das wurde auch mit den Patienten und Angehörigen vorher besprochen.

Schwierige Entscheidungen

Anfangs habe ich mich intensiv fortgebildet und das neue Wissen in die Arbeit mit den schwerkranken Patienten eingebracht. Mit den Jahren wurde die Arbeit dort, wie bei allen KollegInnen, zu einer hohen emotionalen Belastung. Das eigentlich Belastende war nicht der Tod nach einer schweren Abstoßung oder anderen Komplikationen. Es war vielmehr das Leiden, dass einige PatientInnen z. B. im Verlauf durchlebten. Eine Universitätsklinik ist neben der Patientenversorgung in einem hohen Maße an Forschung interessiert. Da erschien es mir manchmal, als wären die Überlebensraten, also reine Statistik, wichtiger als die Würde der Betroffenen. Das konnte schon einmal ethischen Auseinandersetzungen zwischen den Berufsgruppen führen.
Für die Pflegekräfte waren einige ärztliche Entscheidungen schwierig zu bewältigen oder nachzuvollziehen, da sie zumeist während der ganze Dienstschicht mit den Patienten verbrachten und so die die Nöte der PatientInnen dichter erlebten.“

Neubeginn in Ostholstein

Ende der 80er Jahre erfolgte eine berufliche Veränderung , weil Beate Rinck und ihr Mann von Niedersachsen nach Schleswig-Holstein zogen. Sie arbeitete vertretungsweise in der ambulanten Pflege, gab Pflegekurse für das Rote Kreuz, um dann – bis nach der Geburt der Tochter – an die Krankenpflegeschule in Oldenburg zu wechseln. Sie wechselte dann als Pflegedienstleitung ins Management des damaligen Kreiskrankenhauses, das  2005 vom Sana-Konzern übernommen wurde. Ihr Anliegen für ihre Pflegeteams blieb aber immer der achtsame Umgang mit den PatientInnen.

Ethik und Ökonomie – ein Widerspruch?

„Es schloss sich eine Weiterbildung zur Ethikberaterin im Gesundheitswesen an. Als Ehtikberaterin beschäftigt man sich intensiv mit den Rahmenbedingungen, die mit den Lebensschwellen verbunden sind, wie z. B. Geburt und Tod. Ethikberaterinnen können Ethikkomitees etablieren und leiten, ethische Fallbesprechungen für Teams, Patientinnen und Angehörige durchführen.  
Es war Teil meiner Tätigkeit, alle ethischen Handlungsanweisungen für die Krankenpflege mitzuschreiben, die jetzt u.a. in den Sana-Kliniken auf Fehmarn oder in Eutin angewendet werden. Darin steht beispielsweise, dass Sterbende einen Anspruch auf ein Einzelzimmer haben und ihnen eine würdevolle, gepflegte Atmosphäre zu ermöglichen ist.
Soweit die Theorie. In der Praxis gestaltete sich das manchmal schwierig speziell bei hoher Belegung der Klinik. Ein Beispiel: Bei der Planung eines Neubaus mit mehreren Stationen stellte ich fest, dass es keine Einzelzimmer gab. Wo also sollten Sterbende würdevoll untergebracht sein oder wie sollten z. B. infizierte Patienten isoliert werden?  Würde man in den Doppelzimmern in der letzten Lebensphase eines Betroffenen ein Bett sperren, würde eine Belegung fehlen – mit anderen Worten: es wäre aus Sicht von Ökonomen nicht voll genutzt.
Den Pflegeteams war es ebenso wie mir sehr wichtig, dass Sterbende am Ende des Lebens allein oder mit ihren Angehörigen sein konnten. Pflegende haben ein ausgeprägtes Gespür dafür, wenn es um ethische Grenzfälle und gegen die Würde der Patienten geht. Mitarbeiterinnen formulierten in diesen Zusammenhängen auch häufig den Wunsch, dass es wichtig sei, ein Hospiz in der Region zu haben. In diesen Situationen nahm ich mir vor, mich zu einem späteren Zeitpunkt um eine Einrichtung zu kümmern, in der Menschen ein gutes Ende erleben dürfen. Nun ist es soweit. Und das ist gut so.“

Nachsatz: Beate Rinck schied 2016 aus dem Krankenhausdienst aus. Sie ist die Initiatorin und Gründerin des Fördervereins Wagrien-Fehmarn. https://www.hospiz-ostholstein.de/

Mehr zu den Plänen für ein Hospiz in Ostholstein findet ihr hier:

https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/05/30/hospiz-den-tagen-mehr-leben-geben/

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Hospiz: Den Tagen mehr Leben geben …

Als Pflegekraft und spätere Pflegedienstleiterin war Beate Rinck mit vielen Situationen konfrontiert, in denen es um das Lebensende von Menschen im Krankenhaus ging. (Mehr dazu findet ihr in dem Protokoll Die Würde des Menschen ist antastbar: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/05/30/die-wuerde-des-menschen-ist-antastbar/?preview=true&_thumbnail_id=973)

Ihre langjährigen Erfahrungen waren für sie Anlass, sich für die Gründung eines Hospizes im ländlich geprägten Ostholstein einzusetzen. Unterstützt durch die AktivRegion Wagrien-Fehmarn e. V. (https://ar-wf.de/home.html) gestaltete sie Arbeitskreise, in denen Mitdenker das Konzept festzurrten. Ein Jahr später wurde der Förderverein Hospiz Wagrien-Fehmarn e.V. (https://www.hospiz-ostholstein.de/) gegründet. Seither ist die Heringsdorferin in der Region unterwegs, um für ihr Anliegen zu werben. Warum sie das macht, hat sie mir beim gemeinsamen Strandkorb-Geflüster http://www.strandkorb-gefluester.de erzählt.

Beate Rinck wirbt auch in Vorträgen für die Anliegen des Fördervereins Hospiz Wagrien-Fehmarn. Das Sterben ist für manche Zuhörer ein heikles Thema, auf das sie mit Unsicherheit reagieren. Sie sagt dann meistens: „Keine Sorgen, man stirbt nicht schneller, nur weil man über den Tod spricht.“ Schon redet es sich leichter.
Liebe Beate, du machst dich für die Gründung eines Hospizes in Ostholstein stark. Was unterscheidet ein Hospiz von der Palliativstation eines Krankenhauses?

Zunächst einmal ist die Palliativstation einer Klinik eine ganz normale Station in einem Krankenhaus, also können das auch Mehrbettzimmer sein. Allerdings ist diese Abteilung personell besser aufgestellt, und die pflegerische und medizinische Versorgung ist intensiver als auf den anderen Stationen. Alle Ärzte und das Pflegepersonal haben eine palliative Zusatzausbildung. Eine palliative Behandlung im Krankenhaus bedeutet , dass dort Patienten untergebracht sind, die mit Schmerzmedikamenten versorgt  und mit ihren Symptomen eingestellt werden und mit ihrer Erkrankung durchaus noch ein, zwei Jahre leben können. Andere Patienten sind dort in den letzten Tagen oder Wochen bis zu ihrem Lebensende. Ein würdiges Ende ist dem Behandlungsteam sehr wichtig.

Und was ist das Besondere an einem Hospiz?

Die letzte Sterbephase ist ein intimer Vorgang, der von den Menschen am Lebensende sehr unterschiedlich erlebt wird, es geht um Ängste, um Sorge um die Zurückbleibenden, aber auch dem Bedürfnis nach Ruhe, Erlösung und manchmal auch noch um Klärung von Ungesagtem. Oft sind die allerletzten Tage gekennzeichnet von einem hohen Schlafbedürfnis. Anders als im Krankenhaus unterstützt ein sehr persönlich gestalteter und geschützter Rahmen Sterbende darin, ihre Emotionen ausleben zu dürfen und sich vom Leben zu lösen.

Wie muss ich mir das genau vorstellen?

Im Gegensatz zum Krankenhaus bezeichne ich ein Hospiz gern als eine Art schönes Gesundheits-Hotel für Menschen in der allerletzten Lebensphase. Da dürfen persönliche Bilder an den Wänden sein, viel Farbe und Pflanzen. Dort darf gegebenenfalls sogar der geliebte Hund oder die Katze zu Besuch kommen. Vor allem aber können die Angehörigen auf Wunsch mit im Zimmer schlafen oder in einem Gästezimmer. Kurz gesagt: In einem Hospiz geht fast alles. Es ist zwar ein Ort zum Sterben, an dem das Leben aber nicht aufhört, mit allem was dazu gehört: die Angst und Tränen, aber auch die Fröhlichkeit und Freude über die Blumen oder die Enkelkinder, die zu Besuch kommen.

Das klingt beinahe so, als wäre es wie zu Hause …

Ja, zu Hause sterben zu dürfen, wünschen sich die meisten Menschen. Doch dieser Wunsch geht nur für wenige in Erfüllung. Denn je nach Schwere der Erkrankung stehen viele Fragen im Raum: Gibt es jemanden, der mich versorgen kann? Ist der Partner emotional stabil genug, um diesen manchmal schweren Weg mitzugehen? Kann ich von den Aufgaben ablassen, die im gewohnten häuslichen Umfeld zu besseren Zeiten auf mich gewartet haben? Denn bei manchen Menschen verhindert allein ein Blick in den Garten, in dem die Stauden jetzt unbedingt noch beschnitten werden müssten, das notwendige Zur-Ruhe-kommen, dass man zum Loslassen braucht. Das Unerledigte kann zur Belastung werden. Und auch die Sorge um die geliebten Menschen, die man zurücklassen muss. Im Hospiz erfahren die sterbenden Gäste aber, dass wir uns nicht nur für sie, sondern uns auch um ihre Angehörigen kümmern, auch über den Tod hinaus.

Es kommt nicht darauf an, dem Leben mehr Tage zu geben,
sondern den Tagen mehr Leben

Das Credo des Fördervereins Hospiz Ostholstein – ein Zitat von Cicely Saunders, der Begründerin der Hospizbewegung
Wie wird die Betreuung im Hospiz gewährleistet?

Die Versorgung wird von den Mitarbeitenden mit einer palliativpflegerischen Zusatzausbildung übernommen. Unterstützt werden diese von Sozialarbeit, Physiotherapie und Servicepersonal. Die ärztliche Versorgung erfolgt durch Hausärzte und Palliativmediziner. Nach ihren individuellen Behandlungsplänen orientieren sich die Pflegenden. Bei Bedarf werden ärztliche Visiten durchgeführt, eine ständige ärztliche Anwesenheit wie in Krankenhäusern ist in Hospizen aber nicht üblich. Ein ganz wichtiger Baustein sind die ehrenamtlichen Helfer und Unterstützer, ohne die die den sterbenden Menschen zugewandte Arbeit kaum zu leisten ist.

Was macht nach deiner Erfahrung den Menschen das Sterben leichter?

Schmerzfreiheit und Freiheit von quälenden Symptomen wie Angst, Luftnot oder Erbrechen. Die Lieblingsmusik. Ein Blick ins Grüne. Die Gesellschaft geliebter Menschen oder ihrer Tiere. Wohlige Kindheitserinnerungen, die als Wunsch wiederkehren, etwa nach einem Stück Erdbeerkuchen. Das Beibehalten von kleinen Ritualen – und sei es der Eierlikör am Vormittag um 11 Uhr. Ein Leitsatz der Palliativmedizin lautet: „Der Sterbende ist der Dirigent“. Also werden seine Wünsche erfüllt – auch wenn die Gäste den Kuchen dann doch nicht aufessen können oder eigentlich nur einmal am Gläschen schnuppern wollen.

Der Sterbende ist der Dirigent

Ein Leitsatz der Palliativmedizin
Um Sterbenden das zu ermöglichen, sammelt euer Förderverein Spenden. Wofür genau benötigt ihr das Geld?

Insgesamt werden ca. 4 Millionen Euro benötigt, wobei 25 Prozent bestenfalls über Fördermittel des Landes SHchleswig-Holstein übernommen werden. Der restliche Betrag muss über Spenden und Kredite finanziert werden. Von daher ist jeder Cent ein Baustein für das Hospiz.

Wo soll euer „Gesundheits-Hotel zum Lebensende“ denn entstehen?

Im östlichen Teil Holsteins sind bisher sind stationäre Hospize in Kiel und Lübeck zu finden. Die ländliche Region in Wagrien und auf der Insel Fehmarn, der Bereich bis Plön und nach Süden bis Neustadt sind also komplett unterversorgt. Wir wünschen uns einen Standort, der gut erreichbar ist und haben, auch in Absprache mit dem Sozialministerium, Oldenburg in Holstein in den Fokus genommen. Dort haben wir aktuell ein Grundstück in Aussicht, das ideale Voraussetzungen bietet. Es liegt am Stadtrand von Oldenburg und wäre perfekt geeignet. Es wäre groß genug, um zehn bis zwölf Gästezimmer mit Terrasse und Angehörigenapartments zu bauen und bietet einen wunderbaren Ausblick über die Wiesen. Wäre das nicht wunderbar?!

Mehr Infos zum Förderverein und Möglichkeiten zur ehrenamtlichen Mitarbeit

https://www.hospiz-ostholstein.de/

Ihr möchtet spenden?

Förderverein Hospiz Wagrien-Fehmarn e.V.

Sparkasse Ostholstein
IBAN: DE92 2135 2240 0179 2254 95
BIC: NOLADE21HOL

Volksbank Ostholstein Nord-Plön eG
IBAN: DE65 2139 0008 0000 2998 12
BIC: GENODEF1NSH

Weitere Angebote zum Hospizdienst in Ostholstein

Beistand am Lebensende, https://www.beistand-am-lebensende.de

Hospizinitiative Eutin e.V., http://hospizinitiative-eutin.org

Hospizverein Preetz e.V., https://hospizverein-preetz.de/

Hospizverein Lütjenburg e.V., https://hospizverein-luetjenburg.de

Elisabeth Krankenhaus Eutin, https://www.sek-eutin.de

SAPV im östlichen Holstein, http://sapv.online

Palliatvnetz im östlichen Holstein e.V., http://www.palliativnetz-östliches-holstein.de

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Reise nach Ulten:
Ein Tal voller Schätze

Das Ultental ist meine Berg-Heimat. Ich bin gleich mehrere Male dort gewesen. Und so manches Mal hat mich der Fotograf Peter von Felbert begleitet, von dem die meisten Fotos auf dieser Seite stammen (https://felbert.de).

Mysthisch: der Zoggeler Stausee (Foto: Claudia Reshöft)

Wer ins Ultental reist, landet in eine Sackgasse. Womöglich ist das der Grund dafür, dass dieser beschauliche Flecken in Südtirol sich seine Ursprünglichkeit bewahrt hat. Im Osten steigen mit Lärchen bewaldete Felswände steil auf. Im Westen schmiegen sich jahrhundertealte Höfe und Häuser an sonnige Hänge. In der Mitte sammelt sich das Wasser des Flusses Falschauer im türkisfarbenen Zoggler Stausee, der 1995 ein Dutzend der einst schönsten und ältesten Ultener Höfe unter sich begrub.

Noch heute wird die vom Massentourismus verschonte Region geprägt von kleinbäuerlicher Kultur und von der Liebe der Menschen zu ihrem Land. Denn was sie verbindet, ist die Besinnung auf althergebrachte Traditionen, der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen, und der achtsame Genuss.

Auf Sisis Spuren

Am Eingang des Tals, etwa elf Kilometer südwestlich von Meran, liegt das Dorf St. Pankraz. Unser Weg führt ins drei Kilometer entfernte Mitterbad, das Anfang des 19. Jahrhunderts wegen seiner eisen- und magnesiumhaltigen Heilquellen zu den bekanntesten Bädern im deutschsprachigen Raum gehörte. Zu den prominenten Gästen zählten Reichskanzler Otto von Bismarck, Kaiserin Elisabeth von Österreich, die Brüder Heinrich und Thomas Mann. Letztgenannter beendete hier seinen Roman über die Buddenbrooks. Von der einstigen Pracht ist aber nichts übriggeblieben. Seit 1919 wechselten mehrfach die Besitzer, was dazu führte, dass das Badehaus und sämtliche Nebengebäude mittlerweile komplett verfallen sind. Dennoch lohnt sich ein Abstecher durch die stille, wildromantische Bergwelt bis zur Quelle im Marauntal.

Es ist Zeit für einen kleinen Mittagsimbiss auf dem Raffeinhof, gut zwei Kilometer oberhalb von St. Walburg. Was in dem gemütlichen, kleinen Buschenschank aufgetischt wird, stammt ausschließlich aus eigener Produktion: die Butter, das Fleisch, der der Speck – und die sensationellen Dinkel-Brotklee-Nocken.

Alles Gute kommt aus Ulten

In St. Walburg pulsiert im Eggwirt (www.eggwirt.it) das Herz des Dorfes. Hier versammeln sich Einheimische zu Bier und Wein. Kein Wunder, denn hier geht es so urig zu wie vor 600 Jahren – eine so lange Tradition hat der Eggwirt, der einst als Thingstätte diente. Die originale „Eckstube“ von 1611 wirkt so gemütlich, dass man am liebsten gar nicht mehr aufstehen mag. Erst recht nicht nach der Terrine vom Ultner Ziegenkäse mit feinem Gselchten vom heimischen Rind auf einem Salatbett.

In der Backstube Ultner Brot

Im Haus gleich nebenan wird früh aufgestanden. Richard Schwienbacher knetet in der Backstube den Teig für Vollkornbrote aus selbst angesetztem Sauerteig. Denn was in der Bäckerei Ultner Brot (www.ultnerbrot.it) in den Ofen kommt, wird nach guter alter Handwerkstradition aus naturbelassenen Zutaten hergestellt. Bestes biologisches Getreide wie Weizen, Roggen, Dinkel und Kamut wird kurz vor dem Verarbeiten in der eigenen Steinmühle gemahlen. Dazu kommt reines Quellwasser aus den Ultner Bergen, gewürzt wird mit mineralstoffreichem Steinkristallsalz. Oder, wie beim traditionellen Ultner Brot zusätzlich noch mit Fenchel, Kümmel und Brotklee.

Gegen alles ist ein Kraut gewachsen

In St. Walburg ist der Hofladen Kräuterreich Wegleit zu finden, in dem sie die ursprünglichsten Produkte der Region anbietet: selbst hergestellte Cremes und Salben, sowie Kräutertees für jede Befindlichkeit und Laune. Wer mehr über die Naturlebensschule von Waltraud Schwienbacher (https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/04/07/die-frau-die-ein-ganzes-tal-veraendert-hat/) erfahren möchte, dem sei eines ihrer Seminare (www.kraeuterreich.com) empfohlen.

In Kuppelwies betreibt das Label Bergauf (bergauf.it) einen Showroom. Dort wird nach streng nachhaltigen Kriterien Wolle von Ultner Bergschafe zu Wohnaccessoires, Teppichen, Matratzen und Bekleidung verarbeitet.

Gutes zum Mitnehmen

Was man aus den Zweigen von Lärche, Weide und Haselstrauch machen kann, zeigt der Bauer und Korbflechter Erhard Paris von der Moritzhöhe. Er flicht mit Engelsgeduld und Fingerfertigkeit Körbe und Dekorationsobjekte auf so meisterliche Weise, dass der Bozener Star-Designer Matteo Thun auf ihn aufmerksam wurde.

Ein paar Kilometer weiter bergan geht’s auf den Bio-Hof Unterschweig. Dort stellen Anna und Alois Berger hocharomatischen, würzigen Bergkäse her. Anna Berger würzt ihre Laibe mit Kräutern wie Oregano, Bockshornklee, Goldmelisse oder Kornblumen von den eigenen Kräuterterrassen. Ich entscheide mich für den „Blütenzauber“, setze mich aufs nächste Bänkchen, packe das Ultner Schüttelbrot aus und gönne mir eine wohlverdiente Jause. Und mit einem Mal fühlen wir uns dem Himmel ganz nah.

Kontakt

Raffeinhof: E-Mail raffeinhof@gmail.com

Erhard Paris: Mobil: +39 339 1713897.

Biohof Unterschweig: unterschweig@brennercom.net

Hotel-Tipps

 Lässig-familiär und höchst komfortabel: Hotel Waltershof, www.waltershof.it

Gesundheitsbewusste Genießerküche: Hotel Unterpichl, www.unterpichl.it

Kreativ und nachhaltig: Hotel Schweigl, http://www.hotelschweigl.it

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Land-Lauschen

Imker aus Leidenschaft

Max Voß‘ Beuten auf dem Hof in Cismarfelde

Es ist endlich wärmer geworden an diesem Sonntag, ein paar Tage nach den Eisheiligen. Und Max Voß ist ein bisschen spät dran mit seiner Arbeit, wie er von den Kollegen gehört hat. „Wir hatten ja einen sonnig-warmen April und Mai und die Rapsblüte ist früh in diesem Jahr. Meine Imkerfreunde haben die erste Tracht schon geschleudert, nun muss das also losgehen“, sagt er, zieht seine blaue Arbeitsjacke an und marschiert von seinem Wohnhaus rüber zum Hof. In der Scheune streift er seine Schutzkleidung über die blaue Arbeitsjacke, schnappt sich sein Arbeitsgerät. Dann schaut er nach seinen Bienen. Denn bevor es ans Honigschleudern geht, wird in der „guten Stube“ der Immen erstmal aufgeräumt.

Jetzt, wo das Futterangebot reicher und es draußen wärmer wird, geraten die Bienen ins Schwärmen, denn im Bienenstock ist es durch die nachwachsende Generation eng geworden. Sogenannte Ammenbienen, die bisher mit der Pflege und Aufzucht der Brut beschäftigt waren, beginnen nun extra große Zellen zu bauen, die sogenannten Weiselzellen, aus denen neue Königinnen schlüpfen werden. „Sind die erst einmal da, folgen sie ihrem Schwarmtrieb und nehmen die Hälfte des Bienenvolkes mit sich“, sagt Max. Und weil er an seinen Tieren hängt, kann er das keinesfalls zulassen.

Die Tiere, das Draußensein sind ein Teil seiner selbst

Max Voß prüft den Wassergehalt des Nektars mit einem Refraktometer, mit dem auch der Öchslegrad von Wein bestimmt wird

Max Voß ist in seinem langen Leben schon vieles gewesen: Landwirt, Besamer, Feuerwehrmann, Mitstreiter beim Erhalt des historischen Klosters Cismar, Klosterjäger und sogar ein König, genauer gesagt: Schützenkönig beim Bürgervogelschießen der Freiwilligen Feuerwehr Cismar. Kurz: ein Mann jener Generation, die ohne Zögern anpackt, weil das „Wir“ und der Zusammenhalt an erster Stelle stehen. Zwei Dörfer weiter, in Manhagenerfelde (Gemeinde Lensahn), ist er als Sohn eines Kolonialwarenhändlers großgeworden. Aus Liebe zu seiner Frau Erika heiratete er, ein gelernter Landwirt, auf einen landwirtschaftlichen Betrieb in Cismarfelde ein. Doch in den 1970er Jahren reichten die 35 Hektar Acker und Weideland für das Milchvieh nicht mehr aus, um rentabel zu sein. Das Vieh wurde aufgegeben, das Land verpachtet. Also war Max 40 Jahre lang als Besamer unterwegs in der Region. Mit dem Sperma, das Zuchtbullen gespendet hatten, sorgte er für den Nachwuchs auf den ostholsteinischen Milchbetrieben, weshalb die Rinderbauern ihn scherzhaft den Beinamen „Rucksackbulle“ gaben. Neben Beruf und Ehrenamt nahm er sich noch Zeit für die Tiere, „zum Ausgleich“ wie er sagt.

Wunderwerk Wabe: Bienen „verständigen sich über engsten Körperkontakt

Doch die waren um vieles kleiner als die Rinder. Anfangs züchtete Max Hühner, dann Tauben – bis allergische Reaktionen der Geflügelleidenschaft ein Ende bereiteten. Aber wenn man mit der Natur aufgewachsen ist, dann wird sie Teil von einem selbst, ein Leben lang. Auch bei Max hörte das Sehnen nicht auf: nach eigenen Tieren, nach dem Draußensein. Also verlegte er sich aufs Imkern, so wie sein Vater, der 1942 im Krieg sein Leben verlor, da war Max gerade mal fünf Jahre alt. Und nun steht er selbst mit seinen 83 Jahren hier auf dem Hof der Schwiegereltern, vor seinen Bienen, mit denen er seine lebenslange Passion als Landwirt ausleben kann. Seit er über die nützlichen Insekten wacht, nennt er sich mit einer Mischung aus Stolz und Ironie „Massentierhalter“, denn in seinen neun Bienenstöcken leben insgesamt 360.000 der nützlichen Insekten auf allerengstem Raum.

Ein Fehler und alles ist zunichte

„Landwirtschaft ist wie eine Sucht“, sagt er. „Man arbeitet über das ganze Jahr auf den Ertrag hin. Macht man nur einen groben Fehler, gibt es keinen Ertrag.“ Einer dieser Fehler könnte das bei Imkern gefürchtete Schwärmen sein. Deshalb untersucht Max akribisch jede einzelne Kiste, Zarge genannt. Solch eine Zarge wiegt an die 25 Kilo, schätzt Max, gefühlt ist sie aber deutlich schwerer – an die 30 Kilo nehme ich an. Ich kann sie jedenfalls um keinen Zentimeter anheben. Und auch Max kann sie mittlerweile nicht mehr herumwuchten, zu viele Jahre harter Arbeit lasten auf seinen Schultern. Aber Timo Stark kann das, der ewig hilfsbereite Nachbar, ein kräftiger junger Mann. „Ein Glück, dass ich ihn habe“, sagt Max.

Timo Stark (rechts) ist mittlerweile Max Voß‘ wichtigste Stütze und macht seinem Namen alle Ehre

Max öffnet den Deckel, zieht nacheinander die einzelnen Waben heraus und begutachtet die einzelnen Zellen. „Alles okay“, sagt er. Deckel drauf, Timo hievt die Zarge beiseite. So geht es fort, bis zur übernächsten Kiste, die beiden machen nicht viele Worte. „Guck mal hier, hier ist eine Weiselzelle. Die breche ich jetzt raus“, sagt Max beinahe schuldbewusst, greift aber entschlossen zum Beitel und knipst die Weiselzelle weg.

Bienen nützen heißt, sie schützen

Goldgräberstimmung: Ist der Wachsdeckel erst abgeschabt, kann der Honig aus den Waben fließen

Für Max sind Bienen faszinierende Tiere. „Wie die sich organisieren, das ist schon ein Wunder“, sagt er. Aber ihm geht es, wie jedem anderen Imker auch, um einen möglichst reichen Ertrag. Das Schwärmen eines halben Volkes wäre da schwer zu verkraften. Schmerzhafter ist nur der massenhafte Verlust durch einen Schädling, der die Beute heimsucht: die Varroamilbe. Das ist ein aus Ostasien eingeschleppter Parasit, der die Bienen und ihre Brut auf vielfältige Weise schwächt. „Die nisten sich mit Vorliebe in Drohnenzellen ein“, weiß Max. Deshalb muss er auch dem männlichen Nachwuchs zu Leibe rücken. Wieder zieht er eine Wabe heraus. Deutlich stehen die mit Wachs verdeckelten Zellen hervor, denn die Larven der Männchen sind deutlich größer als die der Weibchen. Beherzt bricht Max den größten Teil heraus. „Ein paar muss ich schon im Stock belassen“, sagt er, „denn ohne Drohnen gäbe es keinen Nachwuchs, und ohne Nachwuchs keinen Honig.“

Fast einen halben Tag bringen Max und Timo mit dem „Säubern“ des Bienenstocks zu. Dann ist es genug für heute. Jetzt geht’s für Max erst einmal nach Hause zu seiner Frau Erika. Pause machen, ausruhen und Kraft schöpfen für den nächsten Tag. Dann werden die prall mit flüssiger Süßigkeit gefüllten Waben geschleudert, für den ersten Honig der Saison.

Info Wer in den Genuss von Max Voß‘ Rapshonig kommen will, muss sich sputen. Der Haustürverkauf startet etwa am 10. Juni 2020 in Cismarfelde 1, 23743 Grömitz-Cismar.
Öffnungszeiten Gibt’s nicht. Der Hausherr meint: „Einfach klingeln! Wenn keiner da ist, dann habt ihr Pech gehabt.“

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Raps: Das Gold Ostholsteins

Heute wollen die Wolken über dem Ostseeferienland einfach nicht weichen. Hartnäckig raubt eine geschlossene Decke dem Grün der Landschaft seine Strahlkraft. Das Gelb des Rapsfelds leuchtet sogar bei dieser trüben Stimmung, aber der betörende Blütenduft, der einen bei einem Spaziergang in sonniger Wärme ganz beschwipst machen kann, kitzelt nur noch als feiner Hauch die Nase.

Oke Steensen bei der Kontrolle seines Rapsfeldes

Auch Oke Steensens sonst strahlendes Gesicht ist bewölkt. Er streift durch den Raps, knipst hier und da eine Blüte ab und pult sie mit den Fingernägeln auseinander. „Da, da ist schon wieder einer“, sagt er. „Das ist ein Kohlschotenrüssler, der legt seine Eier in den Schoten ab. Daraus entstehen Larven, die den Schotenansatz auffressen.Wenn dann noch die Kohlschotenmücke dazukommt, müssen wir mit Ernteausfällen rechnen. Da hilft nur noch hoffen, dass alles gut geht, denn um Pflanzenschutzmittel auszubringen, ist es jetzt zu spät.“

Eine Weide für Bienen und andere Insekten

Die sich goldgelb im beständigen Wind der Ostsee wiegenden Rapsfelder sehen aus wie ein Frühsommermärchen. In diesem blühenden Mikrokosmos tummeln sich Hunderttausende Bienen, die hier den Nektar für die erste Tracht des Jahres sammeln. Zwischen diesen nützlichen Insekten, die nur zum Naschen vorbeischauen, lassen sich an der kohlartigen Pflanze aber einige Schädlinge dauerhaft nieder, etwa der Rapsstängelrüssler, der Kohltriebrüssler und eben auch die Kohlschotenmücke und der Kohlschotenrüssler. Sie finden in den langen Stängeln oder Schoten ideale Brutstuben für ihre Larven. Vor allem der Rapsglanzkäfer, der die Blüten abfrisst, kann zu Totalausfällen führen, weshalb ökologisch angebauter Raps (laut Ökolandbau) mit 0,2 Prozent Anteil an der gesamten deutschen Rapsanbaufläche eine Ausnahmeerscheinung ist. 

Ob sich ein möglicher Ernteschaden in Grenzen halten wird? Das wird sich erst in ein paar Wochen zeigen. Zwar neigt sich in diesen Tagen die Rapsblüte dem Ende zu, doch erst im Juli werden die ausgereiften Schoten gedroschen. Und dann fallen wieder einige Zentner Saat ab, aus der flüssiges Gold aus Ostholstein gewonnen wird.

Gesundes aus der Flasche

Blüte, Korn und Rapskuchen

Zuhause, auf Steensens Bauernhof, hält Oke Milchvieh. Für die Rinder ist Raps energiereiches Futter. Aus den Körnern lässt sich aber auch ein ernährungsphysiologisch wertvolles Öl gewinnen. Einige Zentner Rapssaat aus der letzten Ernte hat Oke Steensen noch von Nachbarn ergattern können. Die hängen in einem großen Sack im oberen Geschoss des alten Speichers und rieseln von dort direkt in die Ölpresse. Auf der einen Seite fließt kalt gepresstes Öl, auf der anderen Seite fallen die festen Bestandteile als pelletförmiger Rapskuchen in die Schubkarre, um als eiweißreiches Kraftfutter in den Trögen der Milchkühe zu landen.

„Sieht das nicht herrlich aus?!“, sagt Oke, während er zusammen mit seiner Frau Eike das sonnengelbe Rapsöl in Flaschen abfüllt. Das sieht nicht nur herrlich aus, es schmeckt auch so und ist zudem gesund. Es enthält das antioxidativ wirkende Vitamin E und liefert eine optimale Balance von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die dabei helfen, einen zu hohen Spiegel an schädlichem LDL-Cholesterin im Blut zu senken.

Das Schönste daran aber ist, dass jeder Esslöffel einem die Wartezeit auf die Rapsblüte im nächsten Jahr verkürzt.

* Das gute Rapsöl bekommt ihr im Regiomaten von Steensens Bauernhof (www.steensens-bauernhof.de), Cismarfelde 16,
23743 Grömitz-Cismar

Rapsöl: Vom Leuchtmittel zum Küchenliebling

Ursprünglich stammt die Ölpflanze aus dem östlichen Mittelmeerraum. Angeblich war sie schon bei den alten Römern bekannt und wurde zur Gewinnung von Speise-, vor allem aber von Lampenöl verwendet. Hierzulande galt Raps, neben dem artverwandten Rübsen, im 16./17. Jahrhundert als wichtigste Brennstofflieferant für Öllampen. Als Öl in der Küche kam es wegen seines bitteren Geschmacks bestenfalls in Hungerperioden auf den Tisch. Erst ab etwa Mitte der 1970er Jahre kamen Neuzüchtungen auf den Markt, die nur noch geringe Mengen der bitteren Erucasäure enthielten und nahezu frei waren von giftigen Senfölgylkosiden. So konnten die neuen Sorten bedenkenlos als Speiseöl verwendet werden. Raps als nachwachsender Rohstoff ist auch Bestandteil der Biokraftstoffe.

Gut zu wissen

Ob aus Oliven, Leinsaat, Disteln oder Sonnenblumen gepresst – es gibt verschiedene Pflanzenölkategorien. Was die einzelnen Bezeichnung bedeuten

Nativ: Wird aus geschälter oder ungeschälter Saat ohne Wärmezufuhr gewonnen. Bitte nur für die kalte Küche verwenden, da es nicht erhitzt werden darf.

Kalt gepresst: wird aus ausgewählter Saat und besonders schonend hergestellt.

Nicht raffiniert nennt man natives Öl, das zur Erhöhung der Haltbarkeit mit Wasserdampf behandelt wurde.

Raffiniert: Gepresst oder extrahiert mithilfe von chemischen Lösemitteln und Wärmezufuhr. Kann zum höher temperierten Braten und Kochen verwendet werden.

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Strandkorb-Geflüster

Hello again!

Jetzt ist der Mai gekommen – und wir machen uns alle wieder ein bisschen locker. Wir dürfen zum Friseur, ins Restaurant und über die Grenzen reisen … aber wir sollen um Himmels willen Abstand halten! Also keine Umarmungen, keine Küsse auf die Wangen. Vorerst jedenfalls. Denn der „Ausnahmezustand“ zeigt immer wieder, dass heute geltende Regeln, morgen schon wieder anders lauten.

Die Umarmungen werden mir also bis auf Weiteres fehlen. Es bleibt nichts außer einem breiten Strahlen, das man hinter der Mund-Nasen-Maske sowieso nicht erkennt, oder ein freundliches Winken aus zwei Metern Abstand – oder?

Vielleicht gibt es Gesten, die ohne Berührungen auskommen? Mit denen wir ausdrücken können, wie nah wir jemandem wirklich stehen? Meine Nichte Marla hätte dazu jedenfalls ein paar Ideen …

„Ich freue mich riesig, dich zu sehen!“

„Du ahnst ja nicht, wie sehr ich dich vermisst habe!“  

Und zum Abschied gibt‘s einen Luftkuss 

Allen anderen flüchtigen Bekannten, wie etwa dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin, begegnen wir mit dem üblichen höflichen Kopfnicken, auch kombinierbar mit einem fröhlichen „Moin!“.

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Meeres-Rauschen

Von frommen Lämmern, Landschaftsgärtnern und Delikatesslieferanten

Der Schweizer Naturforscher Conrad Gesner allerdings hat vor über 460 Jahren in seinem „Thierbuch“ folgendes vermerkt: „Ein Schaf ist ein mildes, einfältiges, demütiges, stilles, gehorsames, furchtsames und närrisches Tier … Wenn eines sich verläuft …, stürzen sich die anderen alle hernach.“ Ich bin überzeugt, man wird den unterschiedlichen Hausschafrassen und -typen, die allesamt vom Armenischen Mufflon abstammen, mit dieser Charakterbeschreibung nicht gerecht. Aber ihr an Schicksalsergebenheit erinnernder Sanftmut erklärt wahrscheinlich, warum die Kirche die Metaphern vom Hirten (dem Pastor) und seiner Herde (der Gemeinde) gebraucht und das Lamm Gottes zum Sinnbild für den alles erduldenden Jesus Christus wurde. Vielleicht fiel es dem Menschen wegen dieser genügsamen Facette so leicht, sich die wolligen Wiederkäuer zunutze zu machen. 

Neben der Wolle, der Milch und dem Fleisch finden Schafprodukte vielfältige Verwendung. Was nach der Schlachtung übrig bleibt, bildet beispielsweise das Rohmaterial für Leime, Kerzen und Seife sowie kosmetische Produkte. Der Darm dient als Wurstpelle und wird zum Bespannen von Tennisschlägern verwendet. Trotzdem gibt es immer weniger Schafe. Bundesweit weiden noch gut 1,6 Millionen der wolligen Nutztiere, in Schleswig-Holstein sind es, nach Angaben des Schaftzuchtverbands, 200.00 Mutterschafe. Dreizehn Jahre zuvor waren es beinahe doppelt so viele. Warum die Schäfer sich von ihren Herden trennen? Weil die extrem zeitraubende Bürokratie ihnen über den Kopf wächst und die Schafhaltung unwirtschaftlich wird. 

Küstenschutz auf vier Beinen

Aber zum Glück prägen die wolligen Paarhufer noch immer das Landschaftsbild zwischen den Meeren. Mit „goldenem Tritt“ trampeln sie die Deiche fest, die der Mensch einst dem Meer abgerungen hat und seither gegen Sturmfluten verteidigt werden müssen. Und den Bewuchs knabbern sie mit ihrem „goldenen Biss“ knapp über den Wurzeln ab. Auf diese Weise bilden sich festere Grasnarben aus, durch die heranflutende Wassermassen nicht so leicht in den Deich eindringen können. Auch Wiesen, Äcker und Kargland halten sie so von Verbuschung frei.

Die lütten Lämmer, die gerade am Deich nördlich von Dahme herumtollen und Bocksprünge vollführen, wissen noch nichts davon, wie unentbehrlich sie sind. Und wir? Wir genießen das große Kino und schauen den „Deichgärtnern“ entzückt bei der Arbeit zu.

Wozu Schafe noch gut sind, findet ihr hier: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/04/07/die-frau-die-ein-ganzes-tal-veraendert-hat/

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Bücher/Inspiration

Zeit zum Lesen

Als Kind vom Land interessiere ich mich naturgemäß für „grüne“ Themen – liegt auf der Hand, oder? Dass ich mit einer Biografie über einen „Grünen“ beauftragt wurde, ist aber (fast) ein reiner Zufall.

Kann der Kanzler?

Robert Habeck – eine Biografie, FBV 2020

Er war Philosoph, Schriftsteller und Familienmensch, Umweltminister und stellvertretender Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Heute bildet Robert Habeck gemeinsam
mit Annalena Baerbock die Doppelspitze von Bündnis 90/Die Grünen. Einst als »Müsli-Esser« und »Ökospinner« abgetan, gewinnt die Partei immer mehr Anhänger. Dabei spielt Robert Habeck eine zentrale Rolle. Aber wie kam es zu seinem Aufstieg? Welchen Personen und welchen Umständen verdankt er seine Karriere? Und welchen Eigenschaften? Dies ist die Annäherung an einen Mann, der sich vorgenommen hat, die politische Landschaft Deutschlands zu verändern.

„Die Autorin bleibt durchgängig in sachlicher Distanz zu ihrem Protagonisten und zeichnet ein differenziertes Bild von ihm […] Zudem wurde ich durch rhetorisch eingespielte Fragen […] animiert, mich nicht mit den Einschätzungen von dritter Seite zu begnügen […], sondern zu einer eigenen Haltung zu finden. Eine schöne Anregung zum Selberdenken …“

Sabine List auf Amazon

Die Kraft der Natur

Ein anderer Zufall wollte es, dass ich nach einem Besuch in der Steiermark für und (teils gemeinsam) mit Renate Polz über die Kraft der Natur schreibe.

Mit dem Garten die Seele stärken, Trias, 2019

Die Natur hat eine heilsame Wirkung auf uns, entspannt den Geist und nährt Körper und Seele. Gärten können Oasen sein, die uns verzaubern und beleben. Renate Polz hat sich in einem südsteirischen Weinberg ein grünes Paradies geschaffen und weiß aus eigener Erfahrung, wie ein Garten zum seelenstärkenden Kraftplatz werden kann. http://www.thieme.de/shop/Positive-Lebensgestaltung/Polz-Reshoeft-Mit-dem-Garten-die-Seele-9783432108353/p/000000000308130101?backSummaryUrl=

„Als Geschenk gekauft und verschenkt …
die Resonanz war großartig. Ein wunderschönes Buch“

Amazon-Kunde

Hamburg – eine Perle

In Hamburg habe ich lange gelebt. Und weil die Elbmetropole der Geburtsort meiner Tochter ist, habe ich mit großem Vergnügen – und unterstützt durch meine tolle Fotografenkollegin Anne Eickenberg (www.anne-eickenberg.de) – die außergewöhnlichsten Adressen der Hansestadt zusammengetragen.

National Geographic Styleguide Hamburg, National Geographic Verlag, 2018

Der National Geographic Styleguide Hamburg nimmt euch mit zu den angesagtesten Läden der Stadt und bietet Ihnen einen individuellen Einblick in die Kultur Hamburgs. Abseits kommerzieller Wege machen wir überall dort Halt, wo Außergewöhnliches, Neues und Kreatives zu entdecken ist und zeigen selbst Ortskundigen unbekannte Ecken. http://www.verlagshaus24.de/styleguide-hamburg

„Klar, dass in diesem ‚Reiseführer‘ auch die üblichen Touristenattraktionen kurz erwähnt werden. Schwerpunkt […] liegt jedoch auf den wenigen, nur bei Insidern bekannten Attraktionen. Klein, versteckt, voller Überraschungen, voller „Ah’s und Oh’s“! […] Eben alles, was in einem ’normalen‘ Reiseführer kaum bis gar nicht Platz findet. […] Mit diesem Styleguide ausgerüstet ist die nächste Reise rund 900 Kilometer nach Norden nur schlecht abzuwarten.“

W. Scharfenberger auf Amazon

Bevor diese Bücher von mir veröffentlicht wurden, habe ich für die TV-Köchin Sarah Wiener ihr Zukunftsmenü aufgeschrieben und redaktionell an Fleischfabrik Deutschland von Dr. Anton Hofreiter mitgearbeitet (beide erschienen in Riemann Verlag).

Wie ich persönlich zu landwirtschaftlichen Themen stehe, lest ihr unter: https://www.strandkorb-gefluester.de/category/land-lauschen/