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Reise-Geflüster

Bayern: Kunst und Kulinarik im Blauen Land

Es sei dieses Blau gewesen, das im Sonnenuntergang das ausgedehnte Moor am Fuß der Alpen romantisch verschleiere und Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Franz Marc und August Macke zur Namensgebung ihrer Künstlervereinigung Der Blaue Reiter inspirierte – so sagen die Leute in Murnau am Staffelsee. Während die Wegbereiter der modernen Kunst es hier, nahe München und noch näher an Garmisch-Partenkirchen, es nur eine kurze Weile miteinander aushielten, haben die heute im Blauen Land ansässigen Kunstschaffenden und Gastwirte eine dauerhafte Allianz geschmiedet: die KunstWirte, die alljährlich KunstKulinarische Reisen veranstalten.

Bayrische Schmankerln und visuelle Vielfalt

Zum Auftakt wird ein spritziger Aperitif samt Borretschblüte im KuHaus http://www.kuhaus.de gereicht, an den Wänden die nahezu monochrom anmutende Malerei von Marc Völker und Fotografien von Kirsten Luna Sonnemann. Das Werkzeug des Künstlerpaares ist für diese Stunden weitgehend aus dem Blickfeld verbannt, denn heute steht weniger das Schaffen selbst als vielmehr die Kunst im Mittelpunkt. Und die Kulinarik. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Kulturinteressierten werden wir in den nächsten fünf Stunden mit fünf sehr unterschiedlichen KünstlerInnen ins Gespräch kommen und dabei, einem Running Dinner gleich, in fünf gastronomischen Betrieben bayrische Schmankerl genießen.

Kunst und Kulinarik im Dialog

Möglich machen das die KunstWirte mit ihren KunstKulinarischen Reisen. Die KunstWirte sind ein Zusammenschluss der Gastwirte und Kunstschaffenden, die rund um den Staffelsee zu Hause sind. Wer mein Engagement für LANDKUNSTSTÜCK e.V. schon kennt https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/06/26/von-knicks-kueken-und-kreislaeufen-in-der-landwirtschaft/, wird wissen, dass mich Dialogkonzepte jeglicher Art interessieren. Um mehr über das KunstWirte-Projekt zu erfahren, bin ich für zwei Tage corona-sicher von Schleswig-Holstein nach Bayern gereist und habe mich im wunderschönen 5 Sterne-Hotel Alpenhof Murnau (http://www.alpenhof-murnau.de) einquartiert. Nach dem von Küchenchef Claus Gromotka und seinem Team zubereiteten Essen mit Blick auf die Alpen, falle ich in Tiefschlaf.

Die Staffelseewirte – ziemlich clever
Miteinander geht’s besser als gegeneinander – könnte das Motto der Staffelseewirte lauten. Unterschiedliche Betriebe, wie Hotels und Pensionen, Restaurants, Brauereien Traditionsgasthöfe, eine Schokoladenmanufaktur, ein Weinlokal und Kult-Biergarten haben sich zusammengeschlossen, statt miteinander in Konkurrenz zu treten. Die heimatverbundenen Gastronomen verstehen sich als „Botschafter der Lebensfreude im Blauen Land“, unterhalten eine Weidegemeinschaft und helfen sich gegenseitig aus, wenn „Not am Mann“ ist. Dieses Vorbild könnte doch auch für andere touristische Regionen taugen, oder? http://www.staffelseewirte.de

Am nächsten Morgen empfängt mich ein (wortwörtlich) strahlender Christian Bär, seines Zeichens Chef des Hotels. Der scheinbar ewig gutgelaunte Mann ist im Besitz des ersten Hauses in Murnau und Mitglied der Staffelseewirte (http://www.staffelseewirte.de), einer Vereinigung von heimatverbundenen Gastronomen. Und die haben ihre Chance erkannt, als vor ein paar Jahren das Künstlerpaar Marc Völker und Kirsten Luna Sonnemann eine Idee vorstellte, die sich mittlerweile als Kult-Event etabliert hat: Danach würden die um Murnau ansässigen KünstlerInnen ihre Werke in den Gaststuben des Blauen Landes präsentieren. Einmal im Monat könne man die Ausstellenden einladen, um Gästen die persönliche Begegnung und den Austausch mit den Künstlerinnen zu ermöglichen. Und ja, warum eigentlich könne man den Kunstgenuss nicht gleich mit dem Genuss regionaler Spezialitäten verbinden? Das war die Geburtsstunde der KunstKulinarischen Reisen, kurz KuKulis genannt. Sie werden seit 2017 veranstaltet und laufen über zwei Routen. Das Motto in diesem Jahr lautet BLAU.

Gelungene Formel: 5 mal Kunst,
5 mal Genuss

Meine KuKuli beginnt in besagtem KuHaus, dem Atelier von Kirsten und Marc. Die (corona-bedingt) kleine Gruppe ist bester Stimmung. Dass Marc, der als künstlerischer Leiter die Ausstellungen seit 2017 mit Bedacht kuratiert, eine kurzfristige Routenänderung ankündigt, bekümmert niemanden. Und so geht es zunächst nur ein paar Schritte weiter ins Angerbräu http://angerbraeu.de, dessen Treppenaufgänge und Wirtsräume mit den durch kraftvolle, überwiegend abstrakte Pinselstriche geprägten Arbeiten von Andy Fritsch http://www.andy-fritsch-art.de geprägt sind. Den kulinarischen Auftakt macht hier eine zünftige Brotzeit auf landestypisch weiß-blauer Serviette. Im Gasthof Zum Beinhofer http://beinhofer-murnau.de scheint das mit Kapuzinerkresse garnierte Knödel-Carpaccio die verwunschene, mitunter mystische Zartheit der Radierungen von Greta Rief http://www.tusculum-murnau.de aufzunehmen.

Der Begegnung mit Stefanie Speermann http://www.speermann-arts.de (der ich am Morgen schon ausführlicher begegnen durfte) und ihren berührenden Porträts folgt in der Tradtionsbrauerei Griesbräu http://griesbraeu.de ein von Gastgeber Michael Gilg selbst erlegtes und in der Küche zart zubereitetes Rehfilet an Bandnudeln.

Per Bus-Shuttle geht’s weiter ins Restaurant Auszeit http://www.restaurant-auszeit.de, in dem die beeindruckende Künstlerin Annemarie Bahr http://www.tusculum-murnau.de/bahr.html mich mit ihren gegenständlichen, zumeist hintersinnigen Porträts und Räumen und den Geschichten dahinter beinahe zu Tränen rührt, die gerade noch durch den servierten Saibling aufgefangen werden. Nach dem Dessert zu den Werken von Marc Völker http://marcvoelker.com selbst, sollte dieser an Kunst und Kulinarik reiche Abend im Alpenhof eigentlich rasch zu Ende sein. Aber die Eindrücke klingen nach. Und das Reden über die Kunst und das Blaue Land wollen nun mal einfach kein Ende nehmen.

Wie das Blaue Land zu seinem Namen kam und was ihr in Murnau am Staffelsee sonst noch entdecken könnt, lest ihr hier: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/08/20/gabriele-muenters-vermaechtnis/

Weitere KunstWirte-Touren

Die nächsten KunstKulinarischen Reisen finden statt am
4. und 11. September, 9. und 16. Oktober, 6. und 13. November 2020. Anmeldung über die Tourist-Information Murnau:
E-Mail: kunstwirte@murnau.de, Telefon 08841 – 476 240.

Dem Himmel ganz nah – mit Bildern in der Schokoladenmanufaktur Murnau von Ute Bauer-Schröter, einer der sechs weiteren KünstlerInnen der KunstKulinarischen Reisen Foto: Claudia Reshöft
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Land-Lauschen

Von Knicks, Küken und Kreisläufen in der Landwirtschaft

Auf Reportage ist man einiges gewohnt: Nach 1200 Kilometern Anreise ist der Protagonist plötzlich erkrankt. Eine lange vorbereitete Geschichte über Weinbergpfirsiche scheitert an nicht enden wollenden Regengüssen. Und eine wahnsinnig (!) spannende Geschichte stellt sich vor Ort nach ein paar Recherchen als Luftnummer heraus. Oder: Ein Fototermin, von dem man glaubt, er sei in einer Viertelstunde erledigt, zieht sich über Stunden hin. Am Ende hat man nur eine Handvoll brauchbare Motive. Aber dafür ist man um unbezahlbare Abenteuer reicher, so wie in diesem Fall.

Von wegen, einmal eben um die Ecke fahren …

Mein Herzensprojekt Landkunststück habe ich euch ja schon vorgestellt (https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/02/01/herzensprojekt-landkunststueck/). Aus der Vorstandsarbeit habe ich mich zurückgezogen, aber mit den Landwirten und KünsterlInnen fühle ich mich noch immer verbunden. Also bin ich fix mal rübergefahren nach Siggeneben, ist ja bei mir um die Ecke. Die Künstlerin Inga Momsen aus Flensburg http://www.ingamomsen.de hat dort für Heike und Kai-Dieter Kölle von Gut Rosenhof (Gemeinde Grube http://www.gemeinde-grube.de) ein Schwimm-Knick geschaffen. Die Kunst-Installation war lange geplant, dann kam Corona und mit ihm Lieferprobleme (aber das alles auszuführen würde jetzt einfach zu lange dauern). „Inga“, sagte ich, „ich brauche ein Foto für mein www.strandkorb-gefluester.de. Ich würde gern mal für eine Viertelstunde rumkommen.“ Inga: „Alles klar, ich sag dir Bescheid, wenn ich kurz davor bin, meine Installation ins Wasser zu lassen.“ Es sind ja nur fünf Minuten von hier nach dort.

„Schwimm-Knick“ in Rosenhof: Poesie in der Landschaft

Aus 45 Minuten wurden vier Stunden und Inga brauchte mehr als ihre beiden Hände – also auch meine –, um ihren Schwimm-Knick zu Wasser zu lassen: Taue spannen in einem Kahn mit Leck, der sich im Seegras immer wieder festfuhr und durch den Ostwind ständig vom Kurs abkam, während der Wasserpegel im Rumpf stieg. Brüchiges Material, das ersetzt werden musste … Am Ende ist die Aktion geglückt. Und nun schwebt der Schwimm-Knick übers Wasser.


Respekt vor der Geduld von Kai-Dieter Kölle und seinem „Assistenten“ Jakob, die eine gefühlte Ewigkeit am Ufer saßen und uns Frauen bei der Schwerstarbeit zugesehen haben, ohne uns anzutreiben 😉 Ich danke Inga Momsen für ein Stück Poesie inmitten der Landschaft Ostholsteins und beglückwünsche meinen Verein zu einem weiteren Landkunststück, das diese Region noch lebenswerter macht. Und meine Foto und meine Interviews mit Inga Momsen über ihre künstlerische Interpretation und Kai-Dieter Kölle über das, was in als Landwirt antreibt, die habe ich am Ende auch noch bekommen.

Die Dateien habe ich auf meiner Facebook-Seite hochgeladen:

Zum Lauschen mit Inga Momsen, die mächtig gegen den Ostwind anreden musste, geht’s hier entlang:

https://www.facebook.com/watch/?v=2981760621921999

Zum Lauschen mit Kai-Dieter Kölle geht’s hier entlang:

https://www.facebook.com/watch/?v=692698548180290

Den Schwimm-Knick findet ihr zwischen Rosenhof und Siggeneben auf dem Teich rechts hinter dem Wald

„Mobile Home“ in Groß Schlamin: Davon träumen Legehennen

Ein Landkunststück von Arno Neufeld für
den Geflügelhof Wulf in Groß Schlamin

Lena Niehoff und Tim-Ole Wulf mit Berta
Foto: Strandkorb-Geflüster/C. Reshöft

Tim-Ole Wulf und Lena Niehoff in Groß Schlamin halten Geflügel – Legehennen im Freiland und in Bodenhaltung. Und sie mästen Hähnchen für den Lebensmittelhandel. Als Arno Neufeld http://arnoneufeld.de die beiden das erste Mal besuchte, war er noch erfüllt von den Bildern seiner Kindheit, auf denen Hühner im Gras nach Würmern pickten. Die Realität heute ist eine andere. Ob bio oder konventionell – Hühner werden im großen Stil gehalten. Arno nahm das mit Humor. Und wie hat er seine Aufgabe erfüllt, Kunst für den Verein LANDKUNSTSTÜCK e.V. http://www.landkunststueck.de zu erschaffen?       

Arno Neufeld über sein Mobile Home
Witziger Guckloch-Effekt

„Angesichts der Abläufe und des Lebenswandels vor Ort dachte ich, ob die Hühner in ihren Träumen nicht ein wenig Abwechslung und Entspannung herbeisehnen. Da sie selbst nicht als überragende Flieger bekannt sind, habe ich mit einem Mobile Home Abhilfe geschaffen. Damit biete ich den Hühnern auf dem Hof einen modellhaften Ausflug an, der Komfort und Luftveränderung verbindet.“

Die Installation „Mobile Home“ ist ein stillgelegter VW Golf. Auf der Außenhaut des Wagens sind malerische Szenen aus dem Hühnerleben abgebildet, kleine Gucklöcher gestatten einen Blick in das komfortable Wageninnere. Dort hat Arno für warme Nester gesorgt. Es gibt eine Kükenkrippe auf der Hutablage. Futternäpfe dürfen nicht fehlen und die Getränke werden stilvoll vorgehalten. Sogar Sitzstangen und Hühnerleiter sind Bestandteil der Ausstattung.

Aber am besten setzt ihr euch einfach mal aufs Fahrrad und guckt selbst mal rein.
Kleiner Tipp: Nach Einbruch der Dämmerung ist es besonders schön, denn dann macht sich Schummerlicht im Mobile Home breit. Aber pssst! Die Hühner sind dann schon längst zu Bett gegangen.

Adresse: Geflügelhof Wulf, Hauptstraße 14, Groß Schlamin

„kreise, kreise“ in Krummbek: Der Klang von Milch und Mist

Ein Landkunststück von Maria Malmberg
für Gut Krummbek (Gemeinde Schashagen)

Familie de la Motte hat den Wirtschaftskreislauf auf ihrem Hof perfektioniert. Stark vereinfacht funktioniert das so: Getreide dient als Futter für die Milchkühe des Hofes, die Kühe geben Milch, die Gülle aus dem Stall wird in einer Biogasanlage aufbereitet, mit der Energie werden der Hof und die umliegenden Wohn- und Wirtschaftsgebäude gewärmt. Und was an festen Bestandteilen übrigbleibt, landet als Einstreu wieder im Kuhstall.

Wie Martin de la Motte und seine Familie wirtschaften, erklärt er hier (auf meiner Facebook-Seite) – unterlegt von einer ersten Klang-Hörprobe: https://www.facebook.com/watch/?v=214136906334099

Kälber-Kinderstube auf Gut Krummbek
Foto: Strandkorb-Geflüster/ C. Reshöft

Die Künstlerin Maria Malmberg http://mariamalmberg.de hat diesen Wirtschaftskreislauf in ihrer Klanginstallation „kreise, kreise“ interpretiert. „Der Kreislaufgedanke findet sich zum einen formal in der Innenkreisplatte wieder, aus der die Installation erklingt und auch in der Klangschale, in der ich den Klang erzeugt habe“, erklärt Maria ihr Landkunststück. „Inhaltlich habe ich mich auf die Stationen konzentriert, die Martin de La Motte mir bei dem Hofrundgang gezeigt hat. Zum einen den Weizen, die Milch der Kühe, photonengereinigtes Wasser, flüssiges Substrat und Gülle. Alle diese flüssigen Materialien habe ich nacheinander in eine Klangschale gefüllt und die Töne, die dabei erzeugt wurden, mit speziellen Mikrofonen aufgenommen, während ich die Klangschale umkreist habe. Zusätzlich habe ich ein Unterwassermikrofon installiert, das die Bläschen und Wassertropfen hörbar macht – das klingt dann fast wie ein Glockenspiel …“

Maria Malmbergs kreise, kreise ist ein ganz besonderes Hörerlebnis! Nehmt euch 9 Minuten Zeit dafür – und genehmigt euch dazu ein Glas Milch von der Milchtankstelle am Hof gegenüber

Adresse: Hof Krummbek, Dorfstraße 5, 23730 Schashagen – gegenüber von der Milchtankstelle

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Strandkorb-Geflüster

Lockdown wg. Corona.
Und nun?

Brot backe ich auch hin und wieder selbst. Ich koche auch leidenschaftlich gern. Selbst. Ansonsten brauche ich nicht so wahnsinnig viel. Außer:

  • meine Familie und Freunde, mit denen ich meine Gedanken teilen kann.
  • Restaurants, um mal eben um die Ecke essen zu gehen und in denen ich mich freundlich bedienen lassen kann.
  • das eine oder andere Glas guten Wein.
  • frische Milch, Käse und Gemüse aus der Region – zum Frühstück, Mittag, Abendbrot.
  • einen Friseurbesuch alle sechs Wochen.
  • Blumen – zu meiner Freude und der der anderen.
  • Musik, was zu lesen und zum Staunen wie Landkunststück e. V.
  • ein paar neue Socken zu gegebener Zeit.
  • Benzin fürs Auto, um hin und wieder zu schauen, was sich jenseits des Paradieses tut, in dem ich lebe.

So könnte es gehen …

Nur jetzt frage ich mich, ob es die Friseurin, den Bäcker, den Fleischer, den Landgasthof oder Griechen, das Kaufhaus, den Blumenladen, die Konzerte, die Kunst, die Magazine noch geben wird, wenn wir in drei Monaten oder irgendwann diese schwierige Herausforderung gemeistert haben werden. Es werden nicht alle von ihnen übrigbleiben.
Aber wenn wir unser Brot (zumindest meistens) wieder beim Bäcker kaufen, der Friseurin den gesparten Betrag beim nächsten Mal obendrauf legen, wie eine Bekannte vorschlug, in den Hofläden der Bauern einkaufen statt im Supermarkt, den Mittagstisch beim Schlachter im Dorf oder im Restaurant zur Außer-Haus-Lieferung bestellen und die vielen namenlosen MusikerInnen und YoutuberInnen mit einer Spende bedenken, weil sie uns kostenlos online unterhalten, beim lokalen Buchhändler online Lesestoff besorgen (statt bei Amazon), Blutspenden gehen beim DRK-Ortsverein undsoweiterundsofort, dann könnten es einige von denen, die unser bisher Leben bereichert haben, vielleicht doch schaffen.

Es trifft (fast) alle

Ich weiß, das Geld wird knapp – vor allem für kleine Unternehmen, Solo-Selbstständige und Freiberufler wie mich. Aber die Tatsache, dass wir alle im selben Boot sitzen und gemeinsam in eine Zukunft #nachCorona starten wollen, bringt uns vielleicht gemeinsam auf neue Gedanken, wie wir einander helfen können.

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Land-Lauschen

Wie die Kunst
zu den Bauern kam

An der B 501, zwischen Grube in Ostholstein und Heringsdorf, liegt der Rosenhof. Die umliegenden Äcker werden von einem Landwirt bewirtschaftet. An einer seiner Scheunen hat er ein Transparent befestigt, so groß, dass keiner daran vorbeifahren kann. Darauf steht „Ihr sät nicht und ihr erntet nicht, aber ihr wisst alles besser … Liebe Landwirtschaftskritiker, sprecht mit uns, nicht über uns.“  Dieser Aufforderung kommt LANDKUNSTSTÜCK gerne nach. Der gleichnamige Verein, den wir vor fünf Jahren gegründet haben, möchte Einheimische und Gäste des Ostseeferienlandes über die Kunst zum Dialog mit den Landwirten einladen.

Und das kam so …

Mein langjähriger Kollege und Freund Ekkehard Briese besuchte mich mal wieder auf dem Land in Ostholstein. Er träumte seit seiner Studienzeit davon, ein Kunstprojekt auf dem Land zu realisieren. Als wir in meinem Garten zusammensaßen, erzählte ich ihm von einem Milchbauern, den ich als Journalistin anderthalb Jahre begleitet hatte. Ein Landwirt, der sehr selbstkritisch auf das blickt, was er tut. Einer, der wie viele andere tagtäglich den Spagat übt zwischen dem, was er als gläubiger Christ der Schöpfung schuldig zu sein glaubt – und der Notwendigkeit des wirtschaftlichen Überlebens seines Betriebs. Im ständigen Abwägen muss er oft genug seinen Verstand nutzen, ohne sein Herz dabei zu verlieren. 

Baum – Mensch – Baum: Skulptur der Künstlerin Margit Huch auf Bokhorst bei Kellenhusen

Er erzählte mir von den Herausforderungen, vor denen er, seine Familie und seine Kollegen stehen. Von dem Spagat, den die Obst- und Ackerbauern und Viehhalter leisten müssen: zwischen dem Weltmarkt und den Lebensmitteleinzelhandels-Riesen, die ihnen die Preise diktieren, dem Klimawandel und der Technisierung, zwischen den Verbrauchern, die billig essen wollen, und den Ausflüglern, die süße Ferkel und Kälber über die Wiesen toben sehen wollen, und den Umweltschützern, die die Natur bedroht sehen. Ganz schön viel auf einmal, wenn einem alle reinreden wollen in einen Beruf, von dem die meisten nichts verstehen, oder?  

Miteinander schnacken statt übereinander

Ekkehard, der Kunstverständige, hatte sich für sein Landart-Projekt die Marke LANDKUNSTSTÜCK schon schützen lassen und plante, die Kunst durch eine Fahrradroute miteinander zu verbinden. Mir war es wichtig, dass die Leute miteinander ins Gespräch kommen: die Landwirte mit den Künstlern, die Künstler mit den Verbrauchern und die Verbraucher mit den Landwirten. Damit war die Idee zu dem Projekt LANDKUNSTSTÜCK, wie es heute ist, geboren. 

Auch auf dem Land wird ja viel übereinander geschnackt statt miteinander. Nach meiner Erfahrung fühlt es sich für alle schöner, runder und aufrichtiger an, wenn man mal sich erkundigt, warum jemand etwas macht und auf welche Weise er es tut. Denn mit interessierten Fragen statt vorschnellen Urteilen lässt sich vieles besser verstehen. 

von bienen und blüten: Gedicht von Doris Runge für den Apfelhof Grimm bei Cismar

Dennoch war es ein oft nicht ganz einfacher Weg, die Bauern für die Idee zu erwärmen, dass wir ihnen ein paar Stücke Kunst auf das Land stellen wollten. Umso mehr habe ich mich über das Vertrauen gefreut, als die ersten Bauern Ja sagten und sich auf dieses Experiment eingelassen haben. Denn mit LANDKUNSTSTÜCK werden Kunst und Landwirtschaft erlebbar und erfahrbar. Unmittelbar, jenseits von Klischees und abseits von Museen. Jederzeit zugänglich und kostenlos für jedermann, ideologiefrei und unparteiisch. 

Abschied von Bullerbü

Mittlerweile stehen zwischen Grömitz, Cismar, Kellenhusen, Grube und Lensahn acht Skulpturen und Installationen. Die Knolle etwa, die Ulf Reisener und Ingo Warnke (www.heiliger-schein.de) für Steensens Bauernhof http://www.steensens-bauernhof.de geschaffen haben, ist ein Symbol dafür, dass ein Landwirt heute auf einem Bein kaum noch stehen kann. Als eine Huldigung der ostholsteinischen Hügellandschaft darf der Stein wie eine Landschaft von Ulrich Lindow für den Hof Dammer in Kattenberg verstanden werden. In seiner Videoinstallation Splitter nimmt Jobst von Berg http://www.jobstvonberg.de im Silo auf Hof Körnick Abschied von der Bullerbü-Idylle, die der Künstler selbst einst mit dem bäuerlichen Tun verbunden hat. Der Bildhauer Johannes Caspersen http://www.johannes-caspersen.de hat sich mit dem Thema Landgewinnung für den Ackerbau auseinandergesetzt und die beiden Stammgäste im trockengelegten Gruber See geschaffen.  

Bäume, Bienen und Gedichte

Generationenallee: Winni Schaak für den Hof Siems in Riepsdorf

Die Künstlerin Margit Huch http://www.margit-huch.de hat sich mit dem Bioland-Landwirt Kay Axt in Bokhorst zusammengetan und ihre Installation Baum – Mensch – Baum geschaffen. Sigrid Stegemann hat sich in ihrer Installation Bodenpunkte auf den Salzwiesen von Hof Hopp http://www.freizeitreiten-hopp.de in Lenste mit der Bodenfruchtbarkeit beschäftigt. Für den Bioland-Apfelhof Grimm hat die Lyrikerin Doris Runge aus dem Weißen Haus in Cismar mit einem Gedicht den bienen und blüten ein Denkmal gesetzt. Und der Bildhauer Winni Schaak (www.winnischaak.de) ist mit seiner Generationen-Allee bei dem Schweinemäster und Sauenhalter Carsten Siems in Riepsdorf zu Gast.

Vielleicht habt ihr ja auch mal Lust, mit einem der Bauern ins Gespräch zu kommen? Dann schwingt euch aufs Fahrrad und entdeckt das schöne Achterland im Ostseefreienland

Mehr Infos, auch zu Terminen und Routen, unter www.landkunststück.de