Zum Fressen gern … der Titel der aktuellen Ausstellung im Kloster Cismar hat mich neugierig gemacht. Mir selbst fällt eine Menge ein, was ich zum Fressen gernhabe: meine Tochter, den Bärlauch im Garten, meinen Hund Frida, meinen besten Freund … Das ist in diesem Zusammenhang natürlich nur ein geflügeltes Wort für eine ausgeprägte Form der Zuneigung. Im Tierreich hingegen bezeichnet das Fressen und Gefressenwerden die Notwendigkeit des Überlebens. Und da bleibt es nicht aus, dass uns Menschen etwas abhandenkommt, was uns lieb und teuer ist. Kulturschätze zum Beispiel gehören dazu. Was passiert, wenn Kleinstlebewesen den Bestand jahrhundertalter Bücher gefährden, mussten die Mönche des Benediktinerstifts Admont erfahren.
Schädlinge drohten die wertvollen Bände in ihrer weltgrößten Klosterbibliothek für immer zu zerstören. „Das brachte die Ordensmänner auf die Idee, das Jahresmotto ‚Zum Fressen gern‘ zu entwickeln“, erklärt Dorothea Jöllenbeck, die im Auftrag der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen durch die Ausstellung im Kloster Cismar führt. „Diesem Motto folgend, entstand ein facettenreicher Veranstaltungszyklus. Und sie luden die auf historische Sammlungen spezialisierten Berliner Fotografen Sebastian Köpcke und Volker Weinhold nach Admont ein, um eine ganz eigene Interpretation zu finden“, so Jöllenbeck.
Erleuchtung inklusive
#Corona folgend wurden die Ausstellungsräume im 1. Obergeschoss des Klosters Cismar zur Einbahnstraße erklärt. Gleich zu Beginn zieht es mich magisch zu einem Bild, auf dem der „Heilige Geist“ in Form einer holzgeschnitzten Taube über einem Igel schwebt. Umgeben ist das Stacheltier von geradezu paradiesischen Früchten, die dem Admonter Wachsobst-Museum entstammen. „Eine zugegeben gewagte Inszenierung. Anfangs hatten sich die Fotografen auch gesorgt, das Bild könnte von ihren Auftraggebern, den Mönchen, als Blasphemie abgelehnt werden, aber die Benediktiner zeigten sich aufgeklärt und nahmen es mit Humor“, erklärt Dorothea Jöllenbeck.
Die komplette Video-Einführung zur Ausstellung „Zum Fressen gern“ durch Dorothea Jöllenbeck könnt ihr auf meiner Facebook-Seite anschauen
Noch mehr über Kunst im Ostseeferienland findet ihr hier https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/06/26/von-knicks-kueken-und-kreislaeufen-in-der-landwirtschaft/
Augenzwinkernde Inszenierung
Köpcke und Weinhold hatten vier Wochen Zeit, aus den reichen Schätzen des Kulturhistorischen und Naturhistorischen Museums im Benediktinerstift Admont die passenden „Hauptdarsteller“ für ihre an Gemälde erinnernden Arrangements zu suchen. Die bisweilen über hundertjährige Präparate, Aufzeichnungen und Rezepte haben sie vor schwarzem Tuch im Stil von Jagd- und Küchenstillleben der Renaissance inszeniert.
Das Ergebnis ist eine ebenso liebevolle wie hintersinnige Fotoausstellung im Kloster Cismar, die Dr. Carsten Fleischhauer aus Schloss Gottorf kuratiert hat. Köpcke und Weinhold verweisen im ersten Saal auf überraschende Größenverhältnisse, etwa wenn ein Strauß ein Ei in eine Kinderwiege legt oder ein kleiner Kolibri sich auf einer Nautilusschnecke niederlässt. Doch zumeist handeln die faszinierenden Motive vom Fressen und Gefressenwerden. Etwa wenn geflügelte Beutegreifer, nebst Seehund über einer naturkundlichen Zeichnung von Fischen lauern. Oder ein von einem Schwarm furchterregender Raubfische eskortierter Kugelfisch wirkt wie eine unheimliche Begegnung im Weltraum.
Wo Zuneigung durch den Magen geht
„Zum Fressen gern“ hatten Köpcke und Weinhold wohl auch ein paar höchst lebendige gute Klostergeister. Weil die beiden als Gäste im Stift Admont in den Genuss der guten Klosterküche kamen, haben sie den Küchenfrauen ein anspielungsreiches fotografisches Denkmal gesetzt. Denn die Liebe zu ihrer Aufgabe ging offenbar sprichwörtlich durch den Magen. ¶
Infos zum Benediktinerstift Admont unter www.stiftadmont.at
Infos zu den Sammlungsfotografen Sebastian Köpcke und Volker Weinhold unter http://sammlungsfotografen.de