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Reise-Geflüster

Bayern: Kunst und Kulinarik im Blauen Land

Es sei dieses Blau gewesen, das im Sonnenuntergang das ausgedehnte Moor am Fuß der Alpen romantisch verschleiere und Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Franz Marc und August Macke zur Namensgebung ihrer Künstlervereinigung Der Blaue Reiter inspirierte – so sagen die Leute in Murnau am Staffelsee. Während die Wegbereiter der modernen Kunst es hier, nahe München und noch näher an Garmisch-Partenkirchen, es nur eine kurze Weile miteinander aushielten, haben die heute im Blauen Land ansässigen Kunstschaffenden und Gastwirte eine dauerhafte Allianz geschmiedet: die KunstWirte, die alljährlich KunstKulinarische Reisen veranstalten.

Bayrische Schmankerln und visuelle Vielfalt

Zum Auftakt wird ein spritziger Aperitif samt Borretschblüte im KuHaus http://www.kuhaus.de gereicht, an den Wänden die nahezu monochrom anmutende Malerei von Marc Völker und Fotografien von Kirsten Luna Sonnemann. Das Werkzeug des Künstlerpaares ist für diese Stunden weitgehend aus dem Blickfeld verbannt, denn heute steht weniger das Schaffen selbst als vielmehr die Kunst im Mittelpunkt. Und die Kulinarik. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Kulturinteressierten werden wir in den nächsten fünf Stunden mit fünf sehr unterschiedlichen KünstlerInnen ins Gespräch kommen und dabei, einem Running Dinner gleich, in fünf gastronomischen Betrieben bayrische Schmankerl genießen.

Kunst und Kulinarik im Dialog

Möglich machen das die KunstWirte mit ihren KunstKulinarischen Reisen. Die KunstWirte sind ein Zusammenschluss der Gastwirte und Kunstschaffenden, die rund um den Staffelsee zu Hause sind. Wer mein Engagement für LANDKUNSTSTÜCK e.V. schon kennt https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/06/26/von-knicks-kueken-und-kreislaeufen-in-der-landwirtschaft/, wird wissen, dass mich Dialogkonzepte jeglicher Art interessieren. Um mehr über das KunstWirte-Projekt zu erfahren, bin ich für zwei Tage corona-sicher von Schleswig-Holstein nach Bayern gereist und habe mich im wunderschönen 5 Sterne-Hotel Alpenhof Murnau (http://www.alpenhof-murnau.de) einquartiert. Nach dem von Küchenchef Claus Gromotka und seinem Team zubereiteten Essen mit Blick auf die Alpen, falle ich in Tiefschlaf.

Die Staffelseewirte – ziemlich clever
Miteinander geht’s besser als gegeneinander – könnte das Motto der Staffelseewirte lauten. Unterschiedliche Betriebe, wie Hotels und Pensionen, Restaurants, Brauereien Traditionsgasthöfe, eine Schokoladenmanufaktur, ein Weinlokal und Kult-Biergarten haben sich zusammengeschlossen, statt miteinander in Konkurrenz zu treten. Die heimatverbundenen Gastronomen verstehen sich als „Botschafter der Lebensfreude im Blauen Land“, unterhalten eine Weidegemeinschaft und helfen sich gegenseitig aus, wenn „Not am Mann“ ist. Dieses Vorbild könnte doch auch für andere touristische Regionen taugen, oder? http://www.staffelseewirte.de

Am nächsten Morgen empfängt mich ein (wortwörtlich) strahlender Christian Bär, seines Zeichens Chef des Hotels. Der scheinbar ewig gutgelaunte Mann ist im Besitz des ersten Hauses in Murnau und Mitglied der Staffelseewirte (http://www.staffelseewirte.de), einer Vereinigung von heimatverbundenen Gastronomen. Und die haben ihre Chance erkannt, als vor ein paar Jahren das Künstlerpaar Marc Völker und Kirsten Luna Sonnemann eine Idee vorstellte, die sich mittlerweile als Kult-Event etabliert hat: Danach würden die um Murnau ansässigen KünstlerInnen ihre Werke in den Gaststuben des Blauen Landes präsentieren. Einmal im Monat könne man die Ausstellenden einladen, um Gästen die persönliche Begegnung und den Austausch mit den Künstlerinnen zu ermöglichen. Und ja, warum eigentlich könne man den Kunstgenuss nicht gleich mit dem Genuss regionaler Spezialitäten verbinden? Das war die Geburtsstunde der KunstKulinarischen Reisen, kurz KuKulis genannt. Sie werden seit 2017 veranstaltet und laufen über zwei Routen. Das Motto in diesem Jahr lautet BLAU.

Gelungene Formel: 5 mal Kunst,
5 mal Genuss

Meine KuKuli beginnt in besagtem KuHaus, dem Atelier von Kirsten und Marc. Die (corona-bedingt) kleine Gruppe ist bester Stimmung. Dass Marc, der als künstlerischer Leiter die Ausstellungen seit 2017 mit Bedacht kuratiert, eine kurzfristige Routenänderung ankündigt, bekümmert niemanden. Und so geht es zunächst nur ein paar Schritte weiter ins Angerbräu http://angerbraeu.de, dessen Treppenaufgänge und Wirtsräume mit den durch kraftvolle, überwiegend abstrakte Pinselstriche geprägten Arbeiten von Andy Fritsch http://www.andy-fritsch-art.de geprägt sind. Den kulinarischen Auftakt macht hier eine zünftige Brotzeit auf landestypisch weiß-blauer Serviette. Im Gasthof Zum Beinhofer http://beinhofer-murnau.de scheint das mit Kapuzinerkresse garnierte Knödel-Carpaccio die verwunschene, mitunter mystische Zartheit der Radierungen von Greta Rief http://www.tusculum-murnau.de aufzunehmen.

Der Begegnung mit Stefanie Speermann http://www.speermann-arts.de (der ich am Morgen schon ausführlicher begegnen durfte) und ihren berührenden Porträts folgt in der Tradtionsbrauerei Griesbräu http://griesbraeu.de ein von Gastgeber Michael Gilg selbst erlegtes und in der Küche zart zubereitetes Rehfilet an Bandnudeln.

Per Bus-Shuttle geht’s weiter ins Restaurant Auszeit http://www.restaurant-auszeit.de, in dem die beeindruckende Künstlerin Annemarie Bahr http://www.tusculum-murnau.de/bahr.html mich mit ihren gegenständlichen, zumeist hintersinnigen Porträts und Räumen und den Geschichten dahinter beinahe zu Tränen rührt, die gerade noch durch den servierten Saibling aufgefangen werden. Nach dem Dessert zu den Werken von Marc Völker http://marcvoelker.com selbst, sollte dieser an Kunst und Kulinarik reiche Abend im Alpenhof eigentlich rasch zu Ende sein. Aber die Eindrücke klingen nach. Und das Reden über die Kunst und das Blaue Land wollen nun mal einfach kein Ende nehmen.

Wie das Blaue Land zu seinem Namen kam und was ihr in Murnau am Staffelsee sonst noch entdecken könnt, lest ihr hier: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/08/20/gabriele-muenters-vermaechtnis/

Weitere KunstWirte-Touren

Die nächsten KunstKulinarischen Reisen finden statt am
4. und 11. September, 9. und 16. Oktober, 6. und 13. November 2020. Anmeldung über die Tourist-Information Murnau:
E-Mail: kunstwirte@murnau.de, Telefon 08841 – 476 240.

Dem Himmel ganz nah – mit Bildern in der Schokoladenmanufaktur Murnau von Ute Bauer-Schröter, einer der sechs weiteren KünstlerInnen der KunstKulinarischen Reisen Foto: Claudia Reshöft
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Kultur Gut Hasselburg: Wo die Musik zu Hause ist

Menschen, die auf dem satten Grün des weiten Innenhofs ihre Picknickdecken ausbreiten. Entspannte Gesichter im Licht der untergehenden Sonne, hier und da heiteres Gelächter, das erst verstummt, als die Musik ertönt und die laue Abendluft erfüllt. Gäste, die sich barfuß tanzend im Rhythmus wiegen …

Stifter Constantin Stahlberg
Foto: Claudia Reshöft

So etwa mag Constantin Stahlberg sich das vorgestellt haben, als er sich mit seiner Stahlberg Stiftung daran wagte, Gut Hasselburg in Ostholstein zu sanieren. Einen Ort hatte er schaffen wollen, an dem die Musik zu Hause ist und an dem Menschen Urlaub machen können wie im Bilderbuch. Daraus wurde ein bauliches Mammutprojekt, das nach zehn Jahren Bauzeit und der Investition eines zweistelligen Millionenbetrages kürzlich abgeschlossen wurde. Die kulturelle Vision des Stifters hat sich damit jedoch noch nicht gänzlich erfüllt.

Einzigartiges Gutshof-Ensemble

Wie aus dem Bilderbuch: Das Torhaus des Kultur Gutes Hasselburg in Schleswig-Holstein
Foto: Claudia Reshöft

Das Gut Hasselburg nahe Neustadt in Holstein gehört zu den wohl elegantesten feudalen Ensembles Schleswig-Holsteins. Schon die Anfahrt durch die schnurgerade, 300 Meter lange Lindenallee lässt vermuten, das prachtvoll geschwungene Torhaus mit seinem Rundbogentürmchen auf dem Mittelpavillon sei das Gut selbst. Doch sobald die von Mauern umschlossene Torzufahrt passiert ist, gelangt man in den weiten Innenhof des Gutes, der von zwei imposanten Gebäuden gerahmt wird.

Deutschlands größte erhaltene Reetdachscheune steht auf dem ostholsteinischen Gut Hasselburg nahe Altenkrempe
Foto: Claudia Reshöft

Zur rechten Hand liegt Deutschlands größte erhaltene Reetdachscheune. Wegen ihres einzigartigen Ständerwerks und der immensen Ausmaße von 74 mal 24 Meter wird sie auch Eichenkathedrale genannt und als Konzertscheune, beispielsweise während des Schleswig-Holstein-Musik-Festivals, genutzt. Zur Linken begrenzt das kürzlich eröffnete Kuhhaus mit seinem backsteinernen Kreuzgewölbe das Ensemble. Erst hinter dem von einer Baumreihe bestandenen Wassergraben liegt das von Kavaliershäusern flankierte, spätbarocke Herrenhaus Hasselburg. Hier residiert die Hörspielproduzentin Heikedine Körting (u. a. Die drei ???, TKKG, Hui Buh, das Schlossgespenst).

Vom Herrensitz zum Kultur Gut

In dem Herrenhaus von Gut Hasselburg residiert die Hörspiel-Produzentin Heikedine Körting
Foto: Claudia Reshöft

Heikedine Körting ist zu verdanken, dass Constantin Stahlberg den spätbarocken Landsitz entdeckte. Die beiden kennen sich seit 26 Jahren. Der Ex-Unternehmer, Hamburger Mäzen und passionierte Musiker komponierte Musik für ihre Hörspiele. Als Gut Hasselburg – und mit ihm auch das von Körting gepachtete Herrenhaus – 2005 zum Verkauf stand, schwebte ihm vor, hier könne ein kulturelles Zentrum entstehen, in dem neben der klassischen Musik auch Theater oder Musicals eine Heimat finden. „Wir möchten hier sämtliche Spielarten der Kultur durchdeklinieren“, sagt Constantin Stahlberg. Er legt Wert darauf, dass in Hasselburg Kultur zu Hause ist, die den Menschen gefällt. Vielen Menschen, und nicht etwa nur einem elitären Kreis.

Schon unter Heikedine Körting und ihrem 2016 verstorbenen Mann Andreas Beurmann, einem Musikwissenschaftler, hatte sich die Hasselburgsche Konzertscheune in den 1980er Jahren als Spielstätte des Schleswig-Holstein Musik Festivals einen Namen gemacht, ebenso mit den durch den Kulturkreis Hasselburg e. V. während der Wintermonate veranstalteten Kammerkonzerten im Herrenhaus. Doch erst mit der Übernahme Hasselburgs durch die Stahlberg Stiftung konnte die baufällig gewordene Konzertscheune nach neuesten baulichen Vorschriften saniert werden. Das war aber nur der Auftakt zu einem Gesamtkonzept.

Bildschön schlafen im Torhaus

Das designprämierte Torhaus Foto: Claudia Reshöft

„Als wir Hasselburg übernahmen, hat uns der desolate Zustand doch überrascht. Die Scheune und das Kuhhaus waren marode und auch das Torhaus war stark sanierungsbedürftig“, erinnert sich Constantin Stahlberg. Zudem musste das gewaltige Vorhaben auf wirtschaftlich solide Beine gestellt werden. Das von Gregor Greggenhofer entworfene Torhaus von 1763 mit seinen beiden Seitenflügeln wurde unter Denkmalschutzrichtlinien saniert und für die behutsame Umsetzung durch den Bund Deutscher Architekten (BDA) ausgezeichnet, sowie mit einem Denkmalschutzpreis bedacht. Heute beherbergt das spätbarocke Juwel das Café Cembalo, das von Freitag bis Sonntag geöffnet ist. Sowie neun nach Musikinstrumenten benannte Ferienwohnungen und weitere neun Komponisten-Gästezimmer, in denen das Interieur auf jegliche Effekthascherei verzichtet. Stattdessen dominieren hier klare Linien und aus edlem Holz handgefertigtes Mobiliar.

Staunen und feiern im Kuhhaus

Mehr Raum für Gäste, die nahe der Lübecker Bucht ihren Urlaub verbringen möchten, bieten die Ferienwohnungen im kürzlich eröffneten Kuhhaus. Im Zentrum jedoch steht das backsteinerne Kreuzgewölbe, ein faszinierender Saal mit beinahe sakral anmutender Atmosphäre, in den durch bodentiefe Fenster das Tageslicht fällt. Hier finden bis zu 150 Personen Platz – anlässlich von Hochzeiten oder anderen Veranstaltungen. Auch eine Ausstellung zu Heikedine Körtings Hörspiel-Reihe Die drei ??? soll schon bald Besucher in das Kuhhaus locken Die ersten Requisiten schlummern bereits in Glasvitrinen. Zudem sind Fotoausstellungen geplant.

Neuer Mittelpunkt: das backsteinerne Kreuzgewölbe
Foto: Claudia Reshöft

Kathedrale der Musik: die Konzertscheune

Bevor Constantin Stahlberg sich Hasselburgs annahm, hatte er als Pianist auf der Bühne des Barocksaals gestanden. Mittlerweile hat der musikverliebte Mäzen, der in Hamburg das Jugendprojekt musical@school ins Leben gerufen hat, einige seiner eigenen Musical-Kompositionen (u.a. Mona Lisa, Sherlock) in der schleswig-holsteinischen „Eichenkathedrale“ zur Aufführung gebracht.

Ob Während des Schleswig-Holstein-Musik-Festivals oder bei einer Kleinkunstveranstaltung – in der Konzertscheune schlägt das musikalische Herz von Gut Hasselburg Foto: Claudia Reshöft

Bedingt durch die Covid19-Maßnahmen kann die Konzertscheune in diesem Jahr nicht wie gewohnt genutzt werden. Doch entspannt sich die Lage, wird es in der Konzertsaison 2021 u.a. zu weiteren Aufführungen von Stahlbergs Erfolgs-Musical Mona Lisa kommen. Auch das Schleswig-Holstein Musik Festival wird wieder auf dem Kultur Gut Hasselburg zu Gast sein.

Kleinkunst unter freiem Himmel

Einstweilen aber wird auf der Open Air Bühne Kleinkunst geboten – von der Lesung bis zum Bar Jazz-Konzert (https://hasselburg.de/veranstaltungen/). Und wer mag, bleibt nicht nur für zwei, drei Stunden, sondern auch für längere Zeit in den bildschönen Ferienwohnungen, in denen man sich nur allzu gern wachküssen lässt.

Mehr Infos sowie Termine zu den Veranstaltungen
auf dem Kultur Gut Hasselburg

www.hasselburg.de

www.stahlberg-stiftung.de

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Vintage-Fotografie: Malen mit der Kamera

Mein Blogazine www.strandkorb-gefluester.de lebt neben meinen Texten natürlich auch von Fotos. Ich fotografiere leidenschaftlich gern. Aber nicht immer gelingt es mir, die Seele eines Motivs so einzufangen, wie ich es mir wünsche. Denn ich bin ein absoluter Laie an der Kamera. Für einen Foto-Kurs fehlte mir bisher die Zeit. Daher machte mich die Ankündigung eines Facebook-Bekannten neugierig: „Kreatives Fotografieren mit Vintage-Objektiven“ mit Gunnar Asmus in der Alten Schlossgärtnerei in Plön. Wenn ich Gunnar richtig verstanden habe, geht es bei der Vintage-Fotografie um eine ganz andere Form des Sehens. Und um das schon einmal vorwegzunehmen: Einfach mal den Kopf ausschalten, den Blick auf das Wesen(tliche) richten, versunken sein im Hier und Jetzt – ja, ich habe nicht nur mehr über Fotografie gelernt, sondern auch eine wunderbare Variante der Natur-Meditation entdeckt.

Der mit der Kamera malt …

Gunnar Asmus mit Kamera und Vintage-Objektiv
Immer auf der Motivsuche: Gunnar Asmus aus Malente
Foto: privat

Ich hatte schon eine Weile lang Gunnars Foto-Posts verfolgt (https://www.facebook.com/gunnar.asmus.3). Darauf sind zumeist einzelne Blüten vor unscharfem Hintergrund zu sehen, sie erscheinen beinahe geheimnisvoll. Gunnar ist Beamter beim Land Schleswig-Holstein und nebenbei leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Er gibt Kurse zum kreativen Fotografieren an der VHS Eutin https://vhs-eutin.de/ und organisiert die Fototage zwischen den Seen www.perspektiven-malente.de. Der erste Termin im Juli fiel sprichwörtlich ins Wasser und wurde um eine Woche verschoben. Aber mein Kalender ist an diesem Tag schon gut gefüllt, trotzdem möchte ich unbedingt dabei sein – und sei es nur für eine gute Stunde.
Treffpunkt ist die Alte Schlossgärtnerei in Plön, ein privatwirtschaftlich betriebener Garten, der unmittelbar an den Plöner See grenzt (http://www.alte-schlossgaertnerei-ploen.de/). Weil ich spät dran bin, haste ich dorthin. Aber der Anblick der offenbar tiefenentspannten Teilnehmer, die sich in dem naturnahen Garten schon einen malerischen Platz samt Kamera und Stativ gesichert hatten, lässt mich automatisch zwei Gänge runterschalten.

Auf der Suche nach dem richtigen Motiv

Für Neulinge wie mich hat Gunnar eine große Auswahl an Vintage-Objektiven dabei, jedes bietet einen anderen Effekt – mal mit größerer Unschärfe, mal mit kleinen Bubbles (Bokeh genannt). Aber allen gemeinsam ist: Sie stammen aus der vor-digitalen Zeit der Fotografie, in der Autofokus ein Fremdwort war, die Blende manuell über den Blendenring eingestellt wurde und es nicht um gestochen scharfe Aufnahmen ging. Gunnar hat inzwischen 16 analoge Objektive gesammelt, die über spezielle Adapter mit der digitalen Kamera verbunden werden können. Und was ist der Effekt? „Damit könnt ihr so fotografieren, wie ihr es real mit dem Auge nicht wahrnehmen könnt. Ihr lernt also gewissermaßen, die Kamera wie ein Malwerkzeug einzusetzen“, verspricht er. Ich Anfängerin entscheide mich auf seine Empfehlung hin für ein Carl Zeiss Jena Ultron 50 mm f 1.8. Dann gehen wir auf Motivsuche durch den Garten.
Vor einem Brombeerstrauch bleibe ich stehen. Ich will mich an einer Blüte samt grüner Frucht versuchen. Gunnar rät mir: „Mit analogen Objektiven kann man nicht mal eben schnell auslösen und auf ein perfektes Ergebnis hoffen. Nimm dir Zeit, richte dein Stativ aus, fokussiere mit der Lupe, nutze das Gegenlicht und nähere dich langsam deinem Motiv an.“ Und dann überlässt er mich meiner Übung. Runterkommen, Kopf ausschalten, mich an den Moment und das Motiv hingeben … mal schauen, ob das klappt.

Ob die Vintage-Fotografie und ich zusammenpassen?

Hm, ganz so habe ich mir das nicht vorgestellt. Das Ergebnis ist weit entfernt von dem leicht Verzauberten, das Gunnars Fotos zu eigen ist. Also marschiere ich weiter durch den verwunschenen Garten und versuche mich als Nächstes an Herbstanemonen und Mohn. Dank der digitalen Rückschau kann ich mir das Ergebnis gleich anschauen.

Ob es an den Motiven liegt oder an der zunehmenden Achtsamkeit, mit der ich durch dieses kleine Paradies wandere – diesmal habe ich den Eindruck, auf der richtigen Spur zu sein. Aber gerade als ich den Suchtfaktor spüre, von dem Gunnar mir erzählt hat, beginnt meine innere Uhr laut zu ticken – ich muss leider los. Der nächste Termin wartet. Aber eines steht fest: Ich bin mit dem Vintage-Fotografie-Virus infiziert und mache weiter! Denn diese Art des wirkt wie eine Meditation, aus der man mehr Achtsamkeit und zudem noch zauberhafte Fotos mitnehmen kann.

Fast wie gemalt das Mohn-Trio, oder?
Foto: Claudia Reshöft

Weitere Kurse mit Gunnar Asmus

14.08.20 Kreatives Fotografieren mit Vintage-Objektiven: Fotoworkshop in der Alten Schlossgärtnerei Plön.

24./25.10.20 Natur erleben und festhalten – kreative Fotografie im Wald: 2-tägiger Fotoworkshop in Malente

Mehr Infos und Anmeldung per Email an Gunnar.Asmus@t-online.de oder mobil 0172-4374476

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Kloster Cismar-Ausstellung: Zum Fressen gern …

Zum Fressen gern … der Titel der aktuellen Ausstellung im Kloster Cismar hat mich neugierig gemacht. Mir selbst fällt eine Menge ein, was ich zum Fressen gernhabe: meine Tochter, den Bärlauch im Garten, meinen Hund Frida, meinen besten Freund … Das ist in diesem Zusammenhang natürlich nur ein geflügeltes Wort für eine ausgeprägte Form der Zuneigung. Im Tierreich hingegen bezeichnet das Fressen und Gefressenwerden die Notwendigkeit des Überlebens. Und da bleibt es nicht aus, dass uns Menschen etwas abhandenkommt, was uns lieb und teuer ist. Kulturschätze zum Beispiel gehören dazu. Was passiert, wenn Kleinstlebewesen den Bestand jahrhundertalter Bücher gefährden, mussten die Mönche des Benediktinerstifts Admont erfahren.

Dorothea Jöllenbeck führt durch die Ausstellung
Foto: Strandkorb-Geflüster/C.Reshöft

Schädlinge drohten die wertvollen Bände in ihrer weltgrößten Klosterbibliothek für immer zu zerstören. „Das brachte die Ordensmänner auf die Idee, das Jahresmotto ‚Zum Fressen gern‘ zu entwickeln“, erklärt Dorothea Jöllenbeck, die im Auftrag der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen durch die Ausstellung im Kloster Cismar führt. „Diesem Motto folgend, entstand ein facettenreicher Veranstaltungszyklus. Und sie luden die auf historische Sammlungen spezialisierten Berliner Fotografen Sebastian Köpcke und Volker Weinhold nach Admont ein, um eine ganz eigene Interpretation zu finden“, so Jöllenbeck.

Erleuchtung inklusive

#Corona folgend wurden die Ausstellungsräume im 1. Obergeschoss des Klosters Cismar zur Einbahnstraße erklärt. Gleich zu Beginn zieht es mich magisch zu einem Bild, auf dem der „Heilige Geist“ in Form einer holzgeschnitzten Taube über einem Igel schwebt. Umgeben ist das Stacheltier von geradezu paradiesischen Früchten, die dem Admonter Wachsobst-Museum entstammen. „Eine zugegeben gewagte Inszenierung. Anfangs hatten sich die Fotografen auch gesorgt, das Bild könnte von ihren Auftraggebern, den Mönchen, als Blasphemie abgelehnt werden, aber die Benediktiner zeigten sich aufgeklärt und nahmen es mit Humor“, erklärt Dorothea Jöllenbeck.

Ausschnitt aus dem Einführungsvideo zur Ausstellung

Die komplette Video-Einführung zur Ausstellung „Zum Fressen gern“ durch Dorothea Jöllenbeck könnt ihr auf meiner Facebook-Seite anschauen

Fotoausstellung "Zum Fressen gern" im Kloster Cismar

Fotoausstellung "Zum Fressen gern" im Kloster Cismar: Dorothea Jöllenbeck erklärt, die "photograpischen Einblicke in den Benediktinerstift Admont"

Gepostet von Strandkorbgeflüster am Dienstag, 7. Juli 2020

Noch mehr über Kunst im Ostseeferienland findet ihr hier https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/06/26/von-knicks-kueken-und-kreislaeufen-in-der-landwirtschaft/

Augenzwinkernde Inszenierung

Köpcke und Weinhold hatten vier Wochen Zeit, aus den reichen Schätzen des Kulturhistorischen und Naturhistorischen Museums im Benediktinerstift Admont die passenden „Hauptdarsteller“ für ihre an Gemälde erinnernden Arrangements zu suchen. Die bisweilen über hundertjährige Präparate, Aufzeichnungen und Rezepte haben sie vor schwarzem Tuch im Stil von Jagd- und Küchenstillleben der Renaissance inszeniert.


Das Ergebnis ist eine ebenso liebevolle wie hintersinnige Fotoausstellung im Kloster Cismar, die Dr. Carsten Fleischhauer aus Schloss Gottorf kuratiert hat. Köpcke und Weinhold verweisen im ersten Saal auf überraschende Größenverhältnisse, etwa wenn ein Strauß ein Ei in eine Kinderwiege legt oder ein kleiner Kolibri sich auf einer Nautilusschnecke niederlässt. Doch zumeist handeln die faszinierenden Motive vom Fressen und Gefressenwerden. Etwa wenn geflügelte Beutegreifer, nebst Seehund über einer naturkundlichen Zeichnung von Fischen lauern. Oder ein von einem Schwarm furchterregender Raubfische eskortierter Kugelfisch wirkt wie eine unheimliche Begegnung im Weltraum.

Wo Zuneigung durch den Magen geht

„Zum Fressen gern“ hatten Köpcke und Weinhold wohl auch ein paar höchst lebendige gute Klostergeister. Weil die beiden als Gäste im Stift Admont in den Genuss der guten Klosterküche kamen, haben sie den Küchenfrauen ein anspielungsreiches fotografisches Denkmal gesetzt. Denn die Liebe zu ihrer Aufgabe ging offenbar sprichwörtlich durch den Magen. ¶

„Zum Fressen gern“ ist noch bis zum 18. Oktober 2020 im
Kloster Cismar, Bäderstraße 42. https://kloster-cismar.sh/ zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

 Der Eintritt ist kostenlos; Spenden sind willkommen.
Geschlossene Gruppenführungen sind nach Anmeldung möglich.
 Ab 1. August finden wieder öffentliche Führungen statt:
Samstag 01. August um 10 Uhr
Sonntag 16. August um 11 Uhr
Samstag 29. August um 11 Uhr
Sonntag 13. September um 14 Uhr
Freitag 02. Oktober um 15 Uhr
Sonntag 18. Oktober um 15 Uhr
Kosten:3 Euro pro Person

 Anmeldung bitte per Mail an service@landesmuseen.sh
oder telefonisch unter 0 43 66 – 884 65 22.

Infos zum Benediktinerstift Admont unter www.stiftadmont.at

Infos zu den Sammlungsfotografen Sebastian Köpcke und Volker Weinhold unter http://sammlungsfotografen.de

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Von Knicks, Küken und Kreisläufen in der Landwirtschaft

Auf Reportage ist man einiges gewohnt: Nach 1200 Kilometern Anreise ist der Protagonist plötzlich erkrankt. Eine lange vorbereitete Geschichte über Weinbergpfirsiche scheitert an nicht enden wollenden Regengüssen. Und eine wahnsinnig (!) spannende Geschichte stellt sich vor Ort nach ein paar Recherchen als Luftnummer heraus. Oder: Ein Fototermin, von dem man glaubt, er sei in einer Viertelstunde erledigt, zieht sich über Stunden hin. Am Ende hat man nur eine Handvoll brauchbare Motive. Aber dafür ist man um unbezahlbare Abenteuer reicher, so wie in diesem Fall.

Von wegen, einmal eben um die Ecke fahren …

Mein Herzensprojekt Landkunststück habe ich euch ja schon vorgestellt (https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/02/01/herzensprojekt-landkunststueck/). Aus der Vorstandsarbeit habe ich mich zurückgezogen, aber mit den Landwirten und KünsterlInnen fühle ich mich noch immer verbunden. Also bin ich fix mal rübergefahren nach Siggeneben, ist ja bei mir um die Ecke. Die Künstlerin Inga Momsen aus Flensburg http://www.ingamomsen.de hat dort für Heike und Kai-Dieter Kölle von Gut Rosenhof (Gemeinde Grube http://www.gemeinde-grube.de) ein Schwimm-Knick geschaffen. Die Kunst-Installation war lange geplant, dann kam Corona und mit ihm Lieferprobleme (aber das alles auszuführen würde jetzt einfach zu lange dauern). „Inga“, sagte ich, „ich brauche ein Foto für mein www.strandkorb-gefluester.de. Ich würde gern mal für eine Viertelstunde rumkommen.“ Inga: „Alles klar, ich sag dir Bescheid, wenn ich kurz davor bin, meine Installation ins Wasser zu lassen.“ Es sind ja nur fünf Minuten von hier nach dort.

„Schwimm-Knick“ in Rosenhof: Poesie in der Landschaft

Aus 45 Minuten wurden vier Stunden und Inga brauchte mehr als ihre beiden Hände – also auch meine –, um ihren Schwimm-Knick zu Wasser zu lassen: Taue spannen in einem Kahn mit Leck, der sich im Seegras immer wieder festfuhr und durch den Ostwind ständig vom Kurs abkam, während der Wasserpegel im Rumpf stieg. Brüchiges Material, das ersetzt werden musste … Am Ende ist die Aktion geglückt. Und nun schwebt der Schwimm-Knick übers Wasser.


Respekt vor der Geduld von Kai-Dieter Kölle und seinem „Assistenten“ Jakob, die eine gefühlte Ewigkeit am Ufer saßen und uns Frauen bei der Schwerstarbeit zugesehen haben, ohne uns anzutreiben 😉 Ich danke Inga Momsen für ein Stück Poesie inmitten der Landschaft Ostholsteins und beglückwünsche meinen Verein zu einem weiteren Landkunststück, das diese Region noch lebenswerter macht. Und meine Foto und meine Interviews mit Inga Momsen über ihre künstlerische Interpretation und Kai-Dieter Kölle über das, was in als Landwirt antreibt, die habe ich am Ende auch noch bekommen.

Die Dateien habe ich auf meiner Facebook-Seite hochgeladen:

Zum Lauschen mit Inga Momsen, die mächtig gegen den Ostwind anreden musste, geht’s hier entlang:

https://www.facebook.com/watch/?v=2981760621921999

Zum Lauschen mit Kai-Dieter Kölle geht’s hier entlang:

https://www.facebook.com/watch/?v=692698548180290

Den Schwimm-Knick findet ihr zwischen Rosenhof und Siggeneben auf dem Teich rechts hinter dem Wald

„Mobile Home“ in Groß Schlamin: Davon träumen Legehennen

Ein Landkunststück von Arno Neufeld für
den Geflügelhof Wulf in Groß Schlamin

Lena Niehoff und Tim-Ole Wulf mit Berta
Foto: Strandkorb-Geflüster/C. Reshöft

Tim-Ole Wulf und Lena Niehoff in Groß Schlamin halten Geflügel – Legehennen im Freiland und in Bodenhaltung. Und sie mästen Hähnchen für den Lebensmittelhandel. Als Arno Neufeld http://arnoneufeld.de die beiden das erste Mal besuchte, war er noch erfüllt von den Bildern seiner Kindheit, auf denen Hühner im Gras nach Würmern pickten. Die Realität heute ist eine andere. Ob bio oder konventionell – Hühner werden im großen Stil gehalten. Arno nahm das mit Humor. Und wie hat er seine Aufgabe erfüllt, Kunst für den Verein LANDKUNSTSTÜCK e.V. http://www.landkunststueck.de zu erschaffen?       

Arno Neufeld über sein Mobile Home
Witziger Guckloch-Effekt

„Angesichts der Abläufe und des Lebenswandels vor Ort dachte ich, ob die Hühner in ihren Träumen nicht ein wenig Abwechslung und Entspannung herbeisehnen. Da sie selbst nicht als überragende Flieger bekannt sind, habe ich mit einem Mobile Home Abhilfe geschaffen. Damit biete ich den Hühnern auf dem Hof einen modellhaften Ausflug an, der Komfort und Luftveränderung verbindet.“

Die Installation „Mobile Home“ ist ein stillgelegter VW Golf. Auf der Außenhaut des Wagens sind malerische Szenen aus dem Hühnerleben abgebildet, kleine Gucklöcher gestatten einen Blick in das komfortable Wageninnere. Dort hat Arno für warme Nester gesorgt. Es gibt eine Kükenkrippe auf der Hutablage. Futternäpfe dürfen nicht fehlen und die Getränke werden stilvoll vorgehalten. Sogar Sitzstangen und Hühnerleiter sind Bestandteil der Ausstattung.

Aber am besten setzt ihr euch einfach mal aufs Fahrrad und guckt selbst mal rein.
Kleiner Tipp: Nach Einbruch der Dämmerung ist es besonders schön, denn dann macht sich Schummerlicht im Mobile Home breit. Aber pssst! Die Hühner sind dann schon längst zu Bett gegangen.

Adresse: Geflügelhof Wulf, Hauptstraße 14, Groß Schlamin

„kreise, kreise“ in Krummbek: Der Klang von Milch und Mist

Ein Landkunststück von Maria Malmberg
für Gut Krummbek (Gemeinde Schashagen)

Familie de la Motte hat den Wirtschaftskreislauf auf ihrem Hof perfektioniert. Stark vereinfacht funktioniert das so: Getreide dient als Futter für die Milchkühe des Hofes, die Kühe geben Milch, die Gülle aus dem Stall wird in einer Biogasanlage aufbereitet, mit der Energie werden der Hof und die umliegenden Wohn- und Wirtschaftsgebäude gewärmt. Und was an festen Bestandteilen übrigbleibt, landet als Einstreu wieder im Kuhstall.

Wie Martin de la Motte und seine Familie wirtschaften, erklärt er hier (auf meiner Facebook-Seite) – unterlegt von einer ersten Klang-Hörprobe: https://www.facebook.com/watch/?v=214136906334099

Kälber-Kinderstube auf Gut Krummbek
Foto: Strandkorb-Geflüster/ C. Reshöft

Die Künstlerin Maria Malmberg http://mariamalmberg.de hat diesen Wirtschaftskreislauf in ihrer Klanginstallation „kreise, kreise“ interpretiert. „Der Kreislaufgedanke findet sich zum einen formal in der Innenkreisplatte wieder, aus der die Installation erklingt und auch in der Klangschale, in der ich den Klang erzeugt habe“, erklärt Maria ihr Landkunststück. „Inhaltlich habe ich mich auf die Stationen konzentriert, die Martin de La Motte mir bei dem Hofrundgang gezeigt hat. Zum einen den Weizen, die Milch der Kühe, photonengereinigtes Wasser, flüssiges Substrat und Gülle. Alle diese flüssigen Materialien habe ich nacheinander in eine Klangschale gefüllt und die Töne, die dabei erzeugt wurden, mit speziellen Mikrofonen aufgenommen, während ich die Klangschale umkreist habe. Zusätzlich habe ich ein Unterwassermikrofon installiert, das die Bläschen und Wassertropfen hörbar macht – das klingt dann fast wie ein Glockenspiel …“

Maria Malmbergs kreise, kreise ist ein ganz besonderes Hörerlebnis! Nehmt euch 9 Minuten Zeit dafür – und genehmigt euch dazu ein Glas Milch von der Milchtankstelle am Hof gegenüber

Adresse: Hof Krummbek, Dorfstraße 5, 23730 Schashagen – gegenüber von der Milchtankstelle

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Raps: Das Gold Ostholsteins

Heute wollen die Wolken über dem Ostseeferienland einfach nicht weichen. Hartnäckig raubt eine geschlossene Decke dem Grün der Landschaft seine Strahlkraft. Das Gelb des Rapsfelds leuchtet sogar bei dieser trüben Stimmung, aber der betörende Blütenduft, der einen bei einem Spaziergang in sonniger Wärme ganz beschwipst machen kann, kitzelt nur noch als feiner Hauch die Nase.

Oke Steensen bei der Kontrolle seines Rapsfeldes

Auch Oke Steensens sonst strahlendes Gesicht ist bewölkt. Er streift durch den Raps, knipst hier und da eine Blüte ab und pult sie mit den Fingernägeln auseinander. „Da, da ist schon wieder einer“, sagt er. „Das ist ein Kohlschotenrüssler, der legt seine Eier in den Schoten ab. Daraus entstehen Larven, die den Schotenansatz auffressen.Wenn dann noch die Kohlschotenmücke dazukommt, müssen wir mit Ernteausfällen rechnen. Da hilft nur noch hoffen, dass alles gut geht, denn um Pflanzenschutzmittel auszubringen, ist es jetzt zu spät.“

Eine Weide für Bienen und andere Insekten

Die sich goldgelb im beständigen Wind der Ostsee wiegenden Rapsfelder sehen aus wie ein Frühsommermärchen. In diesem blühenden Mikrokosmos tummeln sich Hunderttausende Bienen, die hier den Nektar für die erste Tracht des Jahres sammeln. Zwischen diesen nützlichen Insekten, die nur zum Naschen vorbeischauen, lassen sich an der kohlartigen Pflanze aber einige Schädlinge dauerhaft nieder, etwa der Rapsstängelrüssler, der Kohltriebrüssler und eben auch die Kohlschotenmücke und der Kohlschotenrüssler. Sie finden in den langen Stängeln oder Schoten ideale Brutstuben für ihre Larven. Vor allem der Rapsglanzkäfer, der die Blüten abfrisst, kann zu Totalausfällen führen, weshalb ökologisch angebauter Raps (laut Ökolandbau) mit 0,2 Prozent Anteil an der gesamten deutschen Rapsanbaufläche eine Ausnahmeerscheinung ist. 

Ob sich ein möglicher Ernteschaden in Grenzen halten wird? Das wird sich erst in ein paar Wochen zeigen. Zwar neigt sich in diesen Tagen die Rapsblüte dem Ende zu, doch erst im Juli werden die ausgereiften Schoten gedroschen. Und dann fallen wieder einige Zentner Saat ab, aus der flüssiges Gold aus Ostholstein gewonnen wird.

Gesundes aus der Flasche

Blüte, Korn und Rapskuchen

Zuhause, auf Steensens Bauernhof, hält Oke Milchvieh. Für die Rinder ist Raps energiereiches Futter. Aus den Körnern lässt sich aber auch ein ernährungsphysiologisch wertvolles Öl gewinnen. Einige Zentner Rapssaat aus der letzten Ernte hat Oke Steensen noch von Nachbarn ergattern können. Die hängen in einem großen Sack im oberen Geschoss des alten Speichers und rieseln von dort direkt in die Ölpresse. Auf der einen Seite fließt kalt gepresstes Öl, auf der anderen Seite fallen die festen Bestandteile als pelletförmiger Rapskuchen in die Schubkarre, um als eiweißreiches Kraftfutter in den Trögen der Milchkühe zu landen.

„Sieht das nicht herrlich aus?!“, sagt Oke, während er zusammen mit seiner Frau Eike das sonnengelbe Rapsöl in Flaschen abfüllt. Das sieht nicht nur herrlich aus, es schmeckt auch so und ist zudem gesund. Es enthält das antioxidativ wirkende Vitamin E und liefert eine optimale Balance von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die dabei helfen, einen zu hohen Spiegel an schädlichem LDL-Cholesterin im Blut zu senken.

Das Schönste daran aber ist, dass jeder Esslöffel einem die Wartezeit auf die Rapsblüte im nächsten Jahr verkürzt.

* Das gute Rapsöl bekommt ihr im Regiomaten von Steensens Bauernhof (www.steensens-bauernhof.de), Cismarfelde 16,
23743 Grömitz-Cismar

Rapsöl: Vom Leuchtmittel zum Küchenliebling

Ursprünglich stammt die Ölpflanze aus dem östlichen Mittelmeerraum. Angeblich war sie schon bei den alten Römern bekannt und wurde zur Gewinnung von Speise-, vor allem aber von Lampenöl verwendet. Hierzulande galt Raps, neben dem artverwandten Rübsen, im 16./17. Jahrhundert als wichtigste Brennstofflieferant für Öllampen. Als Öl in der Küche kam es wegen seines bitteren Geschmacks bestenfalls in Hungerperioden auf den Tisch. Erst ab etwa Mitte der 1970er Jahre kamen Neuzüchtungen auf den Markt, die nur noch geringe Mengen der bitteren Erucasäure enthielten und nahezu frei waren von giftigen Senfölgylkosiden. So konnten die neuen Sorten bedenkenlos als Speiseöl verwendet werden. Raps als nachwachsender Rohstoff ist auch Bestandteil der Biokraftstoffe.

Gut zu wissen

Ob aus Oliven, Leinsaat, Disteln oder Sonnenblumen gepresst – es gibt verschiedene Pflanzenölkategorien. Was die einzelnen Bezeichnung bedeuten

Nativ: Wird aus geschälter oder ungeschälter Saat ohne Wärmezufuhr gewonnen. Bitte nur für die kalte Küche verwenden, da es nicht erhitzt werden darf.

Kalt gepresst: wird aus ausgewählter Saat und besonders schonend hergestellt.

Nicht raffiniert nennt man natives Öl, das zur Erhöhung der Haltbarkeit mit Wasserdampf behandelt wurde.

Raffiniert: Gepresst oder extrahiert mithilfe von chemischen Lösemitteln und Wärmezufuhr. Kann zum höher temperierten Braten und Kochen verwendet werden.

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Hello again!

Jetzt ist der Mai gekommen – und wir machen uns alle wieder ein bisschen locker. Wir dürfen zum Friseur, ins Restaurant und über die Grenzen reisen … aber wir sollen um Himmels willen Abstand halten! Also keine Umarmungen, keine Küsse auf die Wangen. Vorerst jedenfalls. Denn der „Ausnahmezustand“ zeigt immer wieder, dass heute geltende Regeln, morgen schon wieder anders lauten.

Die Umarmungen werden mir also bis auf Weiteres fehlen. Es bleibt nichts außer einem breiten Strahlen, das man hinter der Mund-Nasen-Maske sowieso nicht erkennt, oder ein freundliches Winken aus zwei Metern Abstand – oder?

Vielleicht gibt es Gesten, die ohne Berührungen auskommen? Mit denen wir ausdrücken können, wie nah wir jemandem wirklich stehen? Meine Nichte Marla hätte dazu jedenfalls ein paar Ideen …

„Ich freue mich riesig, dich zu sehen!“

„Du ahnst ja nicht, wie sehr ich dich vermisst habe!“  

Und zum Abschied gibt‘s einen Luftkuss 

Allen anderen flüchtigen Bekannten, wie etwa dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin, begegnen wir mit dem üblichen höflichen Kopfnicken, auch kombinierbar mit einem fröhlichen „Moin!“.

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Von wegen platt …

… natürlich haben wir Berge im Ostseeferienland – aus Seegras. Aber zugegeben: ein paar Böen aus dem Westen und zwei Tage Sonne, dann sind sie wieder verschwunden

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Von frommen Lämmern, Landschaftsgärtnern und Delikatesslieferanten

Der Schweizer Naturforscher Conrad Gesner allerdings hat vor über 460 Jahren in seinem „Thierbuch“ folgendes vermerkt: „Ein Schaf ist ein mildes, einfältiges, demütiges, stilles, gehorsames, furchtsames und närrisches Tier … Wenn eines sich verläuft …, stürzen sich die anderen alle hernach.“ Ich bin überzeugt, man wird den unterschiedlichen Hausschafrassen und -typen, die allesamt vom Armenischen Mufflon abstammen, mit dieser Charakterbeschreibung nicht gerecht. Aber ihr an Schicksalsergebenheit erinnernder Sanftmut erklärt wahrscheinlich, warum die Kirche die Metaphern vom Hirten (dem Pastor) und seiner Herde (der Gemeinde) gebraucht und das Lamm Gottes zum Sinnbild für den alles erduldenden Jesus Christus wurde. Vielleicht fiel es dem Menschen wegen dieser genügsamen Facette so leicht, sich die wolligen Wiederkäuer zunutze zu machen. 

Neben der Wolle, der Milch und dem Fleisch finden Schafprodukte vielfältige Verwendung. Was nach der Schlachtung übrig bleibt, bildet beispielsweise das Rohmaterial für Leime, Kerzen und Seife sowie kosmetische Produkte. Der Darm dient als Wurstpelle und wird zum Bespannen von Tennisschlägern verwendet. Trotzdem gibt es immer weniger Schafe. Bundesweit weiden noch gut 1,6 Millionen der wolligen Nutztiere, in Schleswig-Holstein sind es, nach Angaben des Schaftzuchtverbands, 200.00 Mutterschafe. Dreizehn Jahre zuvor waren es beinahe doppelt so viele. Warum die Schäfer sich von ihren Herden trennen? Weil die extrem zeitraubende Bürokratie ihnen über den Kopf wächst und die Schafhaltung unwirtschaftlich wird. 

Küstenschutz auf vier Beinen

Aber zum Glück prägen die wolligen Paarhufer noch immer das Landschaftsbild zwischen den Meeren. Mit „goldenem Tritt“ trampeln sie die Deiche fest, die der Mensch einst dem Meer abgerungen hat und seither gegen Sturmfluten verteidigt werden müssen. Und den Bewuchs knabbern sie mit ihrem „goldenen Biss“ knapp über den Wurzeln ab. Auf diese Weise bilden sich festere Grasnarben aus, durch die heranflutende Wassermassen nicht so leicht in den Deich eindringen können. Auch Wiesen, Äcker und Kargland halten sie so von Verbuschung frei.

Die lütten Lämmer, die gerade am Deich nördlich von Dahme herumtollen und Bocksprünge vollführen, wissen noch nichts davon, wie unentbehrlich sie sind. Und wir? Wir genießen das große Kino und schauen den „Deichgärtnern“ entzückt bei der Arbeit zu.

Wozu Schafe noch gut sind, findet ihr hier: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/04/07/die-frau-die-ein-ganzes-tal-veraendert-hat/

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Heimat. Das ist jetzt. Hier

Der Politikwissenschaftler Roland Sturm von der Uni Erlangen hat vermutet, es gehe wohl darum, dass der Staat auf bestimmte Dinge aufpasse. Ja, aber worauf soll er denn aufpassen, der Staat? Ich hätte da so ein paar Ideen: Zum Beispiel darauf, dass mich komplett (!) unbekleidet joggende Touristen auf dem idyllischen Feldweg zur Ostsee nicht dazu bringen, schon morgens den Kopf hängen zu lassen, weil ich da einfach nicht hinschauen kann. Das Heimatministerium könnte auch durchfahrenden Autofahrern beibringen, dass Flachmänner und Fast Food-Abfall absolut nix in der Natur zu suchen haben. Ich vermute mal, in Wahrheit soll es darauf auspassen, dass nicht so viele fremde Leute in unser Land kommen, die unsere schöne Kultur und unsere guten Sitten kaputtmachen … 
Ich darf leben, wo andere Urlaub machen wollen. Über mir ein Himmel, der nirgends blauer ist als hier. Darunter die zu jeder Jahreszeit schöne Ostsee. Keine Bettenburg versperrt mir die Sicht, stattdessen kuscheln sich Backsteinhäuser in das Grün. Auf den Feldern machen sich die Bauern bald an die Ernte. Man riecht den Herbst schon, wenn der Raps gedroschen wird. 

Man riecht den Herbst schon,
wenn der Raps gedroschen wird.“ 

Wo ein Fischbrötchen besser schmeckt als Sushi

Meine Heimat riecht nach Ostseeluft, nach Ackererde und Wald. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, von dem Flecken vertrieben zu werden, an dem man groß geworden ist. Die Landschaft, die Düfte und den Geschmack der Kindheit hinter sich lassen zu müssen – unfreiwillig, aus Not oder blanker Angst. Wie es ist, nach Flucht und Vertreibung an einem nicht vertrauten Ort Wurzeln schlagen zu müssen. 
Laut einer Infratest-dimap-Umfrage ist der Begriff „Heimat“ überwiegend positiv besetzt. Für rund neun von zehn in Deutschland lebenden Menschen ist er eng verknüpft mit einem Ort oder mit „Menschen, die ich liebe oder mag“, andere denken dabei an „Sicherheit und Geborgenheit“. Ich bin nach Jahren aus all diesen Gründen dorthin zurückgekehrt, wo mir ein Fischbrötchen besser schmeckt als Sushi, wo Menschen leben, die ticken wie ich, und wo Schimpfworte, die im Streit aus einem herauswollen, auf Plattdeutsch so milde klingen, dass man sich danach wieder problemlos vertragen kann. Hier fühle ich mich geborgen und kann sein, wie ich bin. 

Die Heimat tragen wir in uns

Das Bundesheimatministerium soll ja tatsächlich wichtige Aufgaben erfüllen. Es will unsere Traditionen bewahren, ererbtes Kulturgut pflegen und dafür sorgen, dass Menschen in ländlichen Regionen nicht abgehängt werden. Staatliches Aufpassen allein wird das aber nicht richten. 
Die Heimat, die tragen wir in uns. Wir alle. Deshalb sollten wir sie gut behandeln – die Orte und Menschen und die Natur, die wir so sehr lieben. Wenn wir den Müll nicht einfach in der Landschaft entsorgen und beim Joggen Schlüpfer anziehen, wäre das doch schon mal ein guter Anfang, oder? 

Warum ich so gern auf dem Land lebe? Deshalb! https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/03/20/auf-dem-dorf-wohnt-das-glueck/