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Imker aus Leidenschaft

Max Voß‘ Beuten auf dem Hof in Cismarfelde

Es ist endlich wärmer geworden an diesem Sonntag, ein paar Tage nach den Eisheiligen. Und Max Voß ist ein bisschen spät dran mit seiner Arbeit, wie er von den Kollegen gehört hat. „Wir hatten ja einen sonnig-warmen April und Mai und die Rapsblüte ist früh in diesem Jahr. Meine Imkerfreunde haben die erste Tracht schon geschleudert, nun muss das also losgehen“, sagt er, zieht seine blaue Arbeitsjacke an und marschiert von seinem Wohnhaus rüber zum Hof. In der Scheune streift er seine Schutzkleidung über die blaue Arbeitsjacke, schnappt sich sein Arbeitsgerät. Dann schaut er nach seinen Bienen. Denn bevor es ans Honigschleudern geht, wird in der „guten Stube“ der Immen erstmal aufgeräumt.

Jetzt, wo das Futterangebot reicher und es draußen wärmer wird, geraten die Bienen ins Schwärmen, denn im Bienenstock ist es durch die nachwachsende Generation eng geworden. Sogenannte Ammenbienen, die bisher mit der Pflege und Aufzucht der Brut beschäftigt waren, beginnen nun extra große Zellen zu bauen, die sogenannten Weiselzellen, aus denen neue Königinnen schlüpfen werden. „Sind die erst einmal da, folgen sie ihrem Schwarmtrieb und nehmen die Hälfte des Bienenvolkes mit sich“, sagt Max. Und weil er an seinen Tieren hängt, kann er das keinesfalls zulassen.

Die Tiere, das Draußensein sind ein Teil seiner selbst

Max Voß prüft den Wassergehalt des Nektars mit einem Refraktometer, mit dem auch der Öchslegrad von Wein bestimmt wird

Max Voß ist in seinem langen Leben schon vieles gewesen: Landwirt, Besamer, Feuerwehrmann, Mitstreiter beim Erhalt des historischen Klosters Cismar, Klosterjäger und sogar ein König, genauer gesagt: Schützenkönig beim Bürgervogelschießen der Freiwilligen Feuerwehr Cismar. Kurz: ein Mann jener Generation, die ohne Zögern anpackt, weil das „Wir“ und der Zusammenhalt an erster Stelle stehen. Zwei Dörfer weiter, in Manhagenerfelde (Gemeinde Lensahn), ist er als Sohn eines Kolonialwarenhändlers großgeworden. Aus Liebe zu seiner Frau Erika heiratete er, ein gelernter Landwirt, auf einen landwirtschaftlichen Betrieb in Cismarfelde ein. Doch in den 1970er Jahren reichten die 35 Hektar Acker und Weideland für das Milchvieh nicht mehr aus, um rentabel zu sein. Das Vieh wurde aufgegeben, das Land verpachtet. Also war Max 40 Jahre lang als Besamer unterwegs in der Region. Mit dem Sperma, das Zuchtbullen gespendet hatten, sorgte er für den Nachwuchs auf den ostholsteinischen Milchbetrieben, weshalb die Rinderbauern ihn scherzhaft den Beinamen „Rucksackbulle“ gaben. Neben Beruf und Ehrenamt nahm er sich noch Zeit für die Tiere, „zum Ausgleich“ wie er sagt.

Wunderwerk Wabe: Bienen „verständigen sich über engsten Körperkontakt

Doch die waren um vieles kleiner als die Rinder. Anfangs züchtete Max Hühner, dann Tauben – bis allergische Reaktionen der Geflügelleidenschaft ein Ende bereiteten. Aber wenn man mit der Natur aufgewachsen ist, dann wird sie Teil von einem selbst, ein Leben lang. Auch bei Max hörte das Sehnen nicht auf: nach eigenen Tieren, nach dem Draußensein. Also verlegte er sich aufs Imkern, so wie sein Vater, der 1942 im Krieg sein Leben verlor, da war Max gerade mal fünf Jahre alt. Und nun steht er selbst mit seinen 83 Jahren hier auf dem Hof der Schwiegereltern, vor seinen Bienen, mit denen er seine lebenslange Passion als Landwirt ausleben kann. Seit er über die nützlichen Insekten wacht, nennt er sich mit einer Mischung aus Stolz und Ironie „Massentierhalter“, denn in seinen neun Bienenstöcken leben insgesamt 360.000 der nützlichen Insekten auf allerengstem Raum.

Ein Fehler und alles ist zunichte

„Landwirtschaft ist wie eine Sucht“, sagt er. „Man arbeitet über das ganze Jahr auf den Ertrag hin. Macht man nur einen groben Fehler, gibt es keinen Ertrag.“ Einer dieser Fehler könnte das bei Imkern gefürchtete Schwärmen sein. Deshalb untersucht Max akribisch jede einzelne Kiste, Zarge genannt. Solch eine Zarge wiegt an die 25 Kilo, schätzt Max, gefühlt ist sie aber deutlich schwerer – an die 30 Kilo nehme ich an. Ich kann sie jedenfalls um keinen Zentimeter anheben. Und auch Max kann sie mittlerweile nicht mehr herumwuchten, zu viele Jahre harter Arbeit lasten auf seinen Schultern. Aber Timo Stark kann das, der ewig hilfsbereite Nachbar, ein kräftiger junger Mann. „Ein Glück, dass ich ihn habe“, sagt Max.

Timo Stark (rechts) ist mittlerweile Max Voß‘ wichtigste Stütze und macht seinem Namen alle Ehre

Max öffnet den Deckel, zieht nacheinander die einzelnen Waben heraus und begutachtet die einzelnen Zellen. „Alles okay“, sagt er. Deckel drauf, Timo hievt die Zarge beiseite. So geht es fort, bis zur übernächsten Kiste, die beiden machen nicht viele Worte. „Guck mal hier, hier ist eine Weiselzelle. Die breche ich jetzt raus“, sagt Max beinahe schuldbewusst, greift aber entschlossen zum Beitel und knipst die Weiselzelle weg.

Bienen nützen heißt, sie schützen

Goldgräberstimmung: Ist der Wachsdeckel erst abgeschabt, kann der Honig aus den Waben fließen

Für Max sind Bienen faszinierende Tiere. „Wie die sich organisieren, das ist schon ein Wunder“, sagt er. Aber ihm geht es, wie jedem anderen Imker auch, um einen möglichst reichen Ertrag. Das Schwärmen eines halben Volkes wäre da schwer zu verkraften. Schmerzhafter ist nur der massenhafte Verlust durch einen Schädling, der die Beute heimsucht: die Varroamilbe. Das ist ein aus Ostasien eingeschleppter Parasit, der die Bienen und ihre Brut auf vielfältige Weise schwächt. „Die nisten sich mit Vorliebe in Drohnenzellen ein“, weiß Max. Deshalb muss er auch dem männlichen Nachwuchs zu Leibe rücken. Wieder zieht er eine Wabe heraus. Deutlich stehen die mit Wachs verdeckelten Zellen hervor, denn die Larven der Männchen sind deutlich größer als die der Weibchen. Beherzt bricht Max den größten Teil heraus. „Ein paar muss ich schon im Stock belassen“, sagt er, „denn ohne Drohnen gäbe es keinen Nachwuchs, und ohne Nachwuchs keinen Honig.“

Fast einen halben Tag bringen Max und Timo mit dem „Säubern“ des Bienenstocks zu. Dann ist es genug für heute. Jetzt geht’s für Max erst einmal nach Hause zu seiner Frau Erika. Pause machen, ausruhen und Kraft schöpfen für den nächsten Tag. Dann werden die prall mit flüssiger Süßigkeit gefüllten Waben geschleudert, für den ersten Honig der Saison.

Info Wer in den Genuss von Max Voß‘ Rapshonig kommen will, muss sich sputen. Der Haustürverkauf startet etwa am 10. Juni 2020 in Cismarfelde 1, 23743 Grömitz-Cismar.
Öffnungszeiten Gibt’s nicht. Der Hausherr meint: „Einfach klingeln! Wenn keiner da ist, dann habt ihr Pech gehabt.“

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Raps: Das Gold Ostholsteins

Heute wollen die Wolken über dem Ostseeferienland einfach nicht weichen. Hartnäckig raubt eine geschlossene Decke dem Grün der Landschaft seine Strahlkraft. Das Gelb des Rapsfelds leuchtet sogar bei dieser trüben Stimmung, aber der betörende Blütenduft, der einen bei einem Spaziergang in sonniger Wärme ganz beschwipst machen kann, kitzelt nur noch als feiner Hauch die Nase.

Oke Steensen bei der Kontrolle seines Rapsfeldes

Auch Oke Steensens sonst strahlendes Gesicht ist bewölkt. Er streift durch den Raps, knipst hier und da eine Blüte ab und pult sie mit den Fingernägeln auseinander. „Da, da ist schon wieder einer“, sagt er. „Das ist ein Kohlschotenrüssler, der legt seine Eier in den Schoten ab. Daraus entstehen Larven, die den Schotenansatz auffressen.Wenn dann noch die Kohlschotenmücke dazukommt, müssen wir mit Ernteausfällen rechnen. Da hilft nur noch hoffen, dass alles gut geht, denn um Pflanzenschutzmittel auszubringen, ist es jetzt zu spät.“

Eine Weide für Bienen und andere Insekten

Die sich goldgelb im beständigen Wind der Ostsee wiegenden Rapsfelder sehen aus wie ein Frühsommermärchen. In diesem blühenden Mikrokosmos tummeln sich Hunderttausende Bienen, die hier den Nektar für die erste Tracht des Jahres sammeln. Zwischen diesen nützlichen Insekten, die nur zum Naschen vorbeischauen, lassen sich an der kohlartigen Pflanze aber einige Schädlinge dauerhaft nieder, etwa der Rapsstängelrüssler, der Kohltriebrüssler und eben auch die Kohlschotenmücke und der Kohlschotenrüssler. Sie finden in den langen Stängeln oder Schoten ideale Brutstuben für ihre Larven. Vor allem der Rapsglanzkäfer, der die Blüten abfrisst, kann zu Totalausfällen führen, weshalb ökologisch angebauter Raps (laut Ökolandbau) mit 0,2 Prozent Anteil an der gesamten deutschen Rapsanbaufläche eine Ausnahmeerscheinung ist. 

Ob sich ein möglicher Ernteschaden in Grenzen halten wird? Das wird sich erst in ein paar Wochen zeigen. Zwar neigt sich in diesen Tagen die Rapsblüte dem Ende zu, doch erst im Juli werden die ausgereiften Schoten gedroschen. Und dann fallen wieder einige Zentner Saat ab, aus der flüssiges Gold aus Ostholstein gewonnen wird.

Gesundes aus der Flasche

Blüte, Korn und Rapskuchen

Zuhause, auf Steensens Bauernhof, hält Oke Milchvieh. Für die Rinder ist Raps energiereiches Futter. Aus den Körnern lässt sich aber auch ein ernährungsphysiologisch wertvolles Öl gewinnen. Einige Zentner Rapssaat aus der letzten Ernte hat Oke Steensen noch von Nachbarn ergattern können. Die hängen in einem großen Sack im oberen Geschoss des alten Speichers und rieseln von dort direkt in die Ölpresse. Auf der einen Seite fließt kalt gepresstes Öl, auf der anderen Seite fallen die festen Bestandteile als pelletförmiger Rapskuchen in die Schubkarre, um als eiweißreiches Kraftfutter in den Trögen der Milchkühe zu landen.

„Sieht das nicht herrlich aus?!“, sagt Oke, während er zusammen mit seiner Frau Eike das sonnengelbe Rapsöl in Flaschen abfüllt. Das sieht nicht nur herrlich aus, es schmeckt auch so und ist zudem gesund. Es enthält das antioxidativ wirkende Vitamin E und liefert eine optimale Balance von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die dabei helfen, einen zu hohen Spiegel an schädlichem LDL-Cholesterin im Blut zu senken.

Das Schönste daran aber ist, dass jeder Esslöffel einem die Wartezeit auf die Rapsblüte im nächsten Jahr verkürzt.

* Das gute Rapsöl bekommt ihr im Regiomaten von Steensens Bauernhof (www.steensens-bauernhof.de), Cismarfelde 16,
23743 Grömitz-Cismar

Rapsöl: Vom Leuchtmittel zum Küchenliebling

Ursprünglich stammt die Ölpflanze aus dem östlichen Mittelmeerraum. Angeblich war sie schon bei den alten Römern bekannt und wurde zur Gewinnung von Speise-, vor allem aber von Lampenöl verwendet. Hierzulande galt Raps, neben dem artverwandten Rübsen, im 16./17. Jahrhundert als wichtigste Brennstofflieferant für Öllampen. Als Öl in der Küche kam es wegen seines bitteren Geschmacks bestenfalls in Hungerperioden auf den Tisch. Erst ab etwa Mitte der 1970er Jahre kamen Neuzüchtungen auf den Markt, die nur noch geringe Mengen der bitteren Erucasäure enthielten und nahezu frei waren von giftigen Senfölgylkosiden. So konnten die neuen Sorten bedenkenlos als Speiseöl verwendet werden. Raps als nachwachsender Rohstoff ist auch Bestandteil der Biokraftstoffe.

Gut zu wissen

Ob aus Oliven, Leinsaat, Disteln oder Sonnenblumen gepresst – es gibt verschiedene Pflanzenölkategorien. Was die einzelnen Bezeichnung bedeuten

Nativ: Wird aus geschälter oder ungeschälter Saat ohne Wärmezufuhr gewonnen. Bitte nur für die kalte Küche verwenden, da es nicht erhitzt werden darf.

Kalt gepresst: wird aus ausgewählter Saat und besonders schonend hergestellt.

Nicht raffiniert nennt man natives Öl, das zur Erhöhung der Haltbarkeit mit Wasserdampf behandelt wurde.

Raffiniert: Gepresst oder extrahiert mithilfe von chemischen Lösemitteln und Wärmezufuhr. Kann zum höher temperierten Braten und Kochen verwendet werden.

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Von wegen platt …

… natürlich haben wir Berge im Ostseeferienland – aus Seegras. Aber zugegeben: ein paar Böen aus dem Westen und zwei Tage Sonne, dann sind sie wieder verschwunden

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Von frommen Lämmern, Landschaftsgärtnern und Delikatesslieferanten

Der Schweizer Naturforscher Conrad Gesner allerdings hat vor über 460 Jahren in seinem „Thierbuch“ folgendes vermerkt: „Ein Schaf ist ein mildes, einfältiges, demütiges, stilles, gehorsames, furchtsames und närrisches Tier … Wenn eines sich verläuft …, stürzen sich die anderen alle hernach.“ Ich bin überzeugt, man wird den unterschiedlichen Hausschafrassen und -typen, die allesamt vom Armenischen Mufflon abstammen, mit dieser Charakterbeschreibung nicht gerecht. Aber ihr an Schicksalsergebenheit erinnernder Sanftmut erklärt wahrscheinlich, warum die Kirche die Metaphern vom Hirten (dem Pastor) und seiner Herde (der Gemeinde) gebraucht und das Lamm Gottes zum Sinnbild für den alles erduldenden Jesus Christus wurde. Vielleicht fiel es dem Menschen wegen dieser genügsamen Facette so leicht, sich die wolligen Wiederkäuer zunutze zu machen. 

Neben der Wolle, der Milch und dem Fleisch finden Schafprodukte vielfältige Verwendung. Was nach der Schlachtung übrig bleibt, bildet beispielsweise das Rohmaterial für Leime, Kerzen und Seife sowie kosmetische Produkte. Der Darm dient als Wurstpelle und wird zum Bespannen von Tennisschlägern verwendet. Trotzdem gibt es immer weniger Schafe. Bundesweit weiden noch gut 1,6 Millionen der wolligen Nutztiere, in Schleswig-Holstein sind es, nach Angaben des Schaftzuchtverbands, 200.00 Mutterschafe. Dreizehn Jahre zuvor waren es beinahe doppelt so viele. Warum die Schäfer sich von ihren Herden trennen? Weil die extrem zeitraubende Bürokratie ihnen über den Kopf wächst und die Schafhaltung unwirtschaftlich wird. 

Küstenschutz auf vier Beinen

Aber zum Glück prägen die wolligen Paarhufer noch immer das Landschaftsbild zwischen den Meeren. Mit „goldenem Tritt“ trampeln sie die Deiche fest, die der Mensch einst dem Meer abgerungen hat und seither gegen Sturmfluten verteidigt werden müssen. Und den Bewuchs knabbern sie mit ihrem „goldenen Biss“ knapp über den Wurzeln ab. Auf diese Weise bilden sich festere Grasnarben aus, durch die heranflutende Wassermassen nicht so leicht in den Deich eindringen können. Auch Wiesen, Äcker und Kargland halten sie so von Verbuschung frei.

Die lütten Lämmer, die gerade am Deich nördlich von Dahme herumtollen und Bocksprünge vollführen, wissen noch nichts davon, wie unentbehrlich sie sind. Und wir? Wir genießen das große Kino und schauen den „Deichgärtnern“ entzückt bei der Arbeit zu.

Wozu Schafe noch gut sind, findet ihr hier: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/04/07/die-frau-die-ein-ganzes-tal-veraendert-hat/

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Heimat. Das ist jetzt. Hier

Der Politikwissenschaftler Roland Sturm von der Uni Erlangen hat vermutet, es gehe wohl darum, dass der Staat auf bestimmte Dinge aufpasse. Ja, aber worauf soll er denn aufpassen, der Staat? Ich hätte da so ein paar Ideen: Zum Beispiel darauf, dass mich komplett (!) unbekleidet joggende Touristen auf dem idyllischen Feldweg zur Ostsee nicht dazu bringen, schon morgens den Kopf hängen zu lassen, weil ich da einfach nicht hinschauen kann. Das Heimatministerium könnte auch durchfahrenden Autofahrern beibringen, dass Flachmänner und Fast Food-Abfall absolut nix in der Natur zu suchen haben. Ich vermute mal, in Wahrheit soll es darauf auspassen, dass nicht so viele fremde Leute in unser Land kommen, die unsere schöne Kultur und unsere guten Sitten kaputtmachen … 
Ich darf leben, wo andere Urlaub machen wollen. Über mir ein Himmel, der nirgends blauer ist als hier. Darunter die zu jeder Jahreszeit schöne Ostsee. Keine Bettenburg versperrt mir die Sicht, stattdessen kuscheln sich Backsteinhäuser in das Grün. Auf den Feldern machen sich die Bauern bald an die Ernte. Man riecht den Herbst schon, wenn der Raps gedroschen wird. 

Man riecht den Herbst schon,
wenn der Raps gedroschen wird.“ 

Wo ein Fischbrötchen besser schmeckt als Sushi

Meine Heimat riecht nach Ostseeluft, nach Ackererde und Wald. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, von dem Flecken vertrieben zu werden, an dem man groß geworden ist. Die Landschaft, die Düfte und den Geschmack der Kindheit hinter sich lassen zu müssen – unfreiwillig, aus Not oder blanker Angst. Wie es ist, nach Flucht und Vertreibung an einem nicht vertrauten Ort Wurzeln schlagen zu müssen. 
Laut einer Infratest-dimap-Umfrage ist der Begriff „Heimat“ überwiegend positiv besetzt. Für rund neun von zehn in Deutschland lebenden Menschen ist er eng verknüpft mit einem Ort oder mit „Menschen, die ich liebe oder mag“, andere denken dabei an „Sicherheit und Geborgenheit“. Ich bin nach Jahren aus all diesen Gründen dorthin zurückgekehrt, wo mir ein Fischbrötchen besser schmeckt als Sushi, wo Menschen leben, die ticken wie ich, und wo Schimpfworte, die im Streit aus einem herauswollen, auf Plattdeutsch so milde klingen, dass man sich danach wieder problemlos vertragen kann. Hier fühle ich mich geborgen und kann sein, wie ich bin. 

Die Heimat tragen wir in uns

Das Bundesheimatministerium soll ja tatsächlich wichtige Aufgaben erfüllen. Es will unsere Traditionen bewahren, ererbtes Kulturgut pflegen und dafür sorgen, dass Menschen in ländlichen Regionen nicht abgehängt werden. Staatliches Aufpassen allein wird das aber nicht richten. 
Die Heimat, die tragen wir in uns. Wir alle. Deshalb sollten wir sie gut behandeln – die Orte und Menschen und die Natur, die wir so sehr lieben. Wenn wir den Müll nicht einfach in der Landschaft entsorgen und beim Joggen Schlüpfer anziehen, wäre das doch schon mal ein guter Anfang, oder? 

Warum ich so gern auf dem Land lebe? Deshalb! https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/03/20/auf-dem-dorf-wohnt-das-glueck/

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Potzblitz: ein Donnerkeil!

Der Ostwind hat wieder mal Unmengen von Seegras, Steinen, Muscheln und Meerschnecken an Land gespült. Aber nicht nur an Tagen wie diesen vergeht kein Spaziergang am Strand ohne Sachensuchen. Meine Augen scannen im Vorbeigehen die Stellen ab, an denen besonders viele Kiesel angeschwemmt wurden, immer auf der Suche nach Donnerkeilen. Früher gab’s die zuhauf am Ostseestrand der Lübecker Bucht. Ich habe sie gesammelt – für einen Vorhang. Aufziehen wollte ich sie, an dicken Nylonfäden, einen nach dem anderen … bis mir klar wurde, dass wohl kein Türrahmen das Gewicht aushalten würde. Dann habe ich meine Sammlung verschenkt, um das schon einige Zeit später bereut. Jetzt sammele ich wieder …
Ha, ich hab‘ einen gefunden! Und frage doch gleich mal bei Dr. Vollrath Wiese nach. Der Museumsleiter im Haus der Natur in Cismar kennt sich nämlich mit so etwas aus.

Textfeld: (Porträtfoto) 
Dr. Vollrath Wiese ist ein Doktor. Aber keiner, der einen von Hühneraugen befreit oder Knochen repariert, sondern promovierter Erziehungswissenschaftler. Und er ist ganz verrückt nach Muscheln und Schnecken. Also hat er sich als Biologe auf diese sogenannten Mollusken spezialisiert. Von denen hat er Tausende gesammelt, genauso wie andere spannende Sachen aus dem Meer, vom Strand und an Land und 1979 das Haus der Natur im Klosterdorf Cismar gegründet.
Dr. Vollrath Wiese ist ein Doktor. Aber keiner,
der einen von Hühneraugen befreit oder Knochen repariert, sondern ein promovierter Erziehungswissenschaftler. Und er ist ganz verrückt nach Muscheln und Schnecken. Also hat er sich als Biologe auf diese sogenannten Mollusken spezialisiert. Von denen hat er Tausende gesammelt, genauso wie andere spannende Sachen aus dem Meer, vom Strand und an Land und 1979 das Haus der Natur im Klosterdorf Cismar gegründet.

Moin, Vollrath, guck mal, was ich gefunden habe …

Dr. Vollrath Wiese: Ah, das Stück eines versteinerten Belemniten!

Ich dachte, das ist ein Donnerkeil …
Ja, so wird der ja auch genannt.Dieser volkstümliche Name kommt daher, dass die Menschen bei Gewitter vor ein paar Jahrhunderten noch glaubten, mit den Blitzen schleudere der Donnergott Keile auf die Erde, eben diese Donnerkeile. Um Blitzschläge abzuwenden, legten sie die Versteinerungen unter ihre Hausdächer. Manche trugen sie auch als Schutz gegen einen Hexenschuss bei sich.

So sahen die Belemniten aus. Aber sie waren natürlich viel größer als dieses Modell, nämlich einige Meter lang

Klingt lustig, aber wer wissenschaftlich arbeitet wie du, weiß natürlich, dass Donnergötter ins Reich der Mythen gehört.
Wer weiß, vielleicht hat es Donnergötter ja mal gegeben, aber einen Beweis dafür gibt es nicht (lacht) – im Gegensatz zu ihren Keilen, die natürlich keine echten Donnerkeile sind. Es sind die Schwanzspitzen eines Belemniten, oder besser gesagt: die Verlängerung ihrer Rückenplatte. Belemniten sind übrigens fossile Kopffüßer, die zur Gruppe der Tintenfische gehören und in der Kreidezeit gelebt haben, also vor rund 70 Millionen Jahren. Aber dann sind sie ausgestorben, zusammen mit den Dinosauriern. Die Donnerkeile, die wir hier am Ostseestrand finden, waren auch mal länger, sind aber meistens durch den Gletschertransport der Eiszeit zerbrochen

Erst das große Aussterben der Belemniten, jetzt gibt’s auch immer weniger Donnerkeile. Darf ich diesen behalten, oder fällt der etwa unter den Artenschutz?

Gute Frage! Tatsächlich fallen bestimmte Muschel- und Schneckenschalen unter den Artenschutz. Aber klar kannst du deinen Donnerkeil behalten, solange du keinen Laden damit aufmachst …

Info Vollrath Wiese bietet in Kellenhusen und Grömitz unter dem Motto „Erlebnis Ostsee“ Naturführungen an.
Adresse Haus der Natur, Bäderstraße 26, 23743 Cismar,
Tel. 04366 – 1288, www.hausdernatur.de

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Auf dem Dorf
wohnt das Glück

Wenn ich aus meinem Wohnzimmerfenster gucke, blicke ich über den Rasen auf einen Knick. Dahinter liegt ein Acker, dann wieder ein Knick, dahinter wohnt die nächste Nachbarfamilie. Gehe ich aus der Haustür, ist da wieder ein Knick, dahinter Äcker, ein Wäldchen … Mein Dorf, das nur aus einer Straße besteht und genaugenommen als Weiler bezeichnet werden muss, ist mit 47 Einwohnern in 22 Häusern klitzeklein.
Früher haben hier Landarbeiter und Bauern gelebt, heute arbeiten vor Ort noch ein Gärtner, ein Stalleinrichter, ein Tischler und ein Malermeister, der zugleich unser Bürgermeister ist.
Wir haben hier keine Kirche, nie gehabt. Der Kaufmannsladen und die Dorfschänke haben vor Jahren dicht gemacht. Es leben zu wenige Menschen hier. Dafür haben wir Wald. Viel Wald. Und Felder. Und Tiere. Vor meinem Haus zieht jeden Morgen ein Rudel Damhirsche vorbei, in der Nähe nistet ein Seeadlerpärchen, der Fuchs schleicht sich in aller Herrgottsfrühe mit seiner Beute über die Straße und in manchen Sommern bangen wir, ob der Storch trotz der Trockenheit seine Jungen wohl diesmal durchbringen wird. 

Einer opfert seine Zeit für den anderen

Was geht, kaufe ich in den Hofläden in unmittelbarer Umgebung ein. Ich kenne die Bauern und vertraue ihnen, das ist für mich wichtiger, als dass alles „Bio“ ist. Meine Eier kriege ich von einer Nachbarin, deren Hühner auf einer satten grünen Wiese laufen, wobei jetzt, mit der beginnenden Mauser, die eierkarge Zeit beginnt, weil die Hennen nicht mehr so legefreudig sind. Na, dann isst man halt weniger. Das, was die Natur gerade hergibt. 
Vielleicht sind die Menschen deshalb mehr bei sich, irgendwie mehr sie selbst.
Manches geht langsamer, vieles braucht mehr Zeit. Da konzentriert man sich auf das was wirklich im Leben zählt: die Gemeinschaft. Deshalb sind die wichtigsten Nachrichten die aus den Vereinen, die gemütlichsten Feste und kulturellen Highlights des Jahres veranstalten die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr.
Einer, der sich hier dicke machen will und glaubt Wer-weiß-was darzustellen, kriegt nicht so leicht ein Bein auf den Boden, getreu dem plattdeutschen Spruch „‚‘n beten Grütt ünner de Mütz is veel nütz. Aver ‘n groot Haart ünner de West is dat Best“, der so viel bedeutet wie „Grips mag zu vielem nütze sein, aber worauf es ankommt, ist ein großes Herz.“ Deshalb packen die Leute hier zu. Neben Arbeit und Familie löscht die Feuerwehr Brände – ehrenamtlich, weil ihnen die Nächsten nicht gleichgültig sind. Die Sportvereine, Pfadfinder, Landfrauen, der Heimatverein und die Gemeindevertreter opfern einen großen Teil ihrer Freizeit – für eine Gemeinschaft, in der jeder den anderen kennt. 

‘n beten Grütt ünner de Mütz is veel nütz.
Aver ‘n groot Haart ünner de West is dat Best.

Plattdeutsche Weisheit

Was im Leben wirklich zählt

Und wenn man nicht genug über jemanden weiß, dann zieht man halt seine eigenen Schlüsse. Ich zum Beispiel bin etwa zwölf Dörfer weiter geboren und aufgewachsen, aber erst vor einigen Jahren hierhergezogen. Leute aus dem Nachbarweiler, der gerade mal einen Kilometer entfernt ist, halten mich für eine Geschiedene, die den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hat, als mit ihrem Hund spazieren zu gehen. Das hat mir meine Nachbarin zugetragen, die mich nicht nur mit Eiern, sondern auch – wenn‘s dann an der Zeit ist – mit einem ausgedienten Huhn beschenkt. Die sich um die Tiere kümmert, wenn ich unterwegs bin und sie verarztet, wenn etwas nicht in Ordnung ist und über die Zeit zur Freundin geworden ist. Ein bisschen Dorfklatsch gehört eben dazu, denn die Winter sind lang und viel los ist dann nicht. Im Übrigen gefällt mir der Gedanke, nur das zu tun, wonach mir gerade ist … 

Es ist anders hier …

Der Strukturwandel verwandelt den ländlichen Raum, er blute aus, heißt es immer wieder. Ob mein Dorf eine Zukunft hat? Bestimmt! Drei Häuser weiter ist im Frühjahr ein junges Pärchen eingezogen. Und der alte Dorfkrug wurde von Grund auf mit viel Geschmack und Liebe saniert. Von Leuten aus der Stadt, die lieber hier wohnen wollen als dort. Vielleicht weil die Welt hier kleiner ist. Stiller. Entspannter. Und weil der Himmel hier am Tag weiter und in der Nacht so viel dunkler ist, dass jeder Augenblick und jeder einzelne Mensch ein wenig heller strahlt. Ich jedenfalls will hier nicht mehr weg!

* Inzwischen bin ich doch noch einmal umgezogen und wohne ein paar Dörfer weiter Richtung Ostsee. Auch da ist es schön!

Was mir in meinem neuen Zuhause aufgefallen ist, lest ihr hier: https://www.strandkorb-gefluester.de/2020/05/02/heimat-das-ist-hier/